14. Dezember 2013

Situation von Kindern und Jugendlichen in geschlossenen Heimen in Bayern

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 28.10.2013, mit den Antworten der Staatsministerin für Arbeit und Soziales, Familie und Integration, Emilia Müller, vom 14.12.2013 (Antworten kursiv markiert)

Bayern zählt neben Baden-Württemberg, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg zu den Bundesländern, in denen die Unterbringung von massiv auffällig gewordenen Kindern und Jugendlichen in geschlossenen Heimen ermöglicht wird. Kinder und Jugendliche mit besonders intensivem Betreuungsbedarf, z.B. weil sie widerholt straffällig wurden, die Schule schwänzten, in Diebstahl, Drogenhandel oder Brandstiftung verwickelt sind,  können in solche geschlossenen Heime vorrübergehenden untergebracht werden.
In den 70er Jahren gab es bundesweit noch rund 1000 Plätze – die meisten Einrichtungen wurden geschlossen. Häufiger Kritikpunkt am Betreiben dieser Einrichtungen sind die menschenrechtsunwürdigen Unterbringungen hinter Panzerglas und Gittern sowie die mangelnde Möglichkeit der Betreuten, sich im Falle von Misshandlungsvorfällen Hilfe außerhalb der Einrichtung suchen zu können.
In Brandenburg werden seit Längerem gegen den Heimbetreiber der Haasenburg GmbH, die mehrere geschlossenen Heime im Raum Brandenburg betreibt, Misshandlungsvorwürfe erhoben. Die Jugendlichen sollen Knochenbrüche erlitten haben oder mehrere Tage auf Liegen fixiert worden sein. Mittlerweile ermittelt auch die Staatsanwaltschaft Cottbus.

Vor diesem Hintergrund frage ich die Bayerische Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Hartmann beantworte ich wie folgt:
Allgemeine Vorbemerkung zu „freiheitsentziehenden bzw. freiheitsbeschränkenden Maßnahmen“  der stationären Erziehungshilfe in Bayern:
In Bayern existieren keine „geschlossenen Heime“ im Sinne von dauerhaftem Einschluss oder als Mittel der Bestrafung für vorangegangenes Fehlverhalten. Vielmehr wird von „freiheitsentziehenden bzw. freiheitsbeschränkenden Maßnahmen“ gesprochen. In der aktuellen Fortschreibung des Kinder- und Jugendprogramms der Bayerischen Staatsregierung, wird dazu in Kap. II 2.2.2. ausgeführt: „Im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben sind im Ausnahmefall unterschiedliche Hilfen mit der Möglichkeit von freiheitsentziehenden Maßnahmen zur Vermeidung von Fremd- und/oder Selbstgefährdung von Kindern und Jugendlichen, für einen kleinen Personenkreis für den dieses Angebot angezeigt ist, ebenfalls Teil des Gesamtangebotes der stationären Erziehungshilfen.“  
Die freiheitsentziehende Unterbringung ist ein Ausnahmefall, der stets besonders zu rechtfertigen ist.
Die Konzepte der in der folgenden Übersicht aufgeführten Einrichtungen reichen von offenen Gruppen mit der Möglichkeit zur Schließung einzelner Teilbereiche der Wohngruppen bis hin zu „individuell geschlossenen“ Gruppen. Letztere arbeiten immer mit einem „Stufenmodell“, in dem sich die jungen Menschen entsprechend Ihrer individuellen Fortschritte im Hilfeverlauf  Schritt für Schritt mehr Freiheiten erarbeiten, bis sie schließlich wieder in der Lage sind, sich außerhalb der Wohngruppe ohne Selbst- bzw. Fremdgefährdung zu bewegen. 
Zur Beantwortung der schriftlichen Anfrage wurden die Erfahrungswerte und die fachliche Expertise der Heimaufsichten bei den Regierungen in Bayern und des ZBFS – Bayerisches Landesjugendamt einbezogen.

1. a) Welche geschlossenen Einrichtungen für Kinder und Jugendliche gibt es derzeit in Bayern (bitte um zusätzliche Angabe, ob ein privater oder staatlicher Betreiber zugehörig ist)?
zu 1. a): (Die tabellarisch gegliederte Auflistung der Staatsministerin bitte ich der am Ende des Artikels hinterlegten pdf-Datei zu entnehmen) Alle freiheitsentziehenden Maßnahmen in Bayern werden von Trägern der freien Wohlfahrtspflege durchgeführt.

1. b) Wie viele Kinder und Jugendliche werden dort derzeit betreut?
zu 1. b): Die oben aufgeführten Einrichtungen sind in der Regel voll belegt, häufig bestehen für Neuaufnahmen Wartezeiten. Eine Ausnahme bilden hierbei die beiden Einrichtungen zur Untersuchungshaftvermeidung, deren Belegung unter anderem auch von einer strafrichterlichen Anordnung abhängig ist (§ 71 JGG).

1. c) Wie viele BetreuerInnen stehen hierbei im Schnitt für die einzelnen zu betreuenden Kinder und Jugendliche zur Verfügung?
zu 1. c): Der Betreuungsschlüssel setzt sich aus Stellenanteilen für Leitung, Psychologen, Fachdienste, pädagogische Fachkräfte und z. T. auch Lehrkräfte zusammen. Je nach Konzeption, Betreuungsform und Gruppengröße ergibt sich dabei eine durchschnittliche Betreuungsintensität von 1,14 – 1,92 Fachkräften pro Kind oder Jugendlichen. Der Stellenanteil der pädagogischen Fachkräfte im Gruppendienst liegt entsprechend zwischen 5 bis 8,2 Stellen pro Gruppe.

2. a) Werden Jugendliche aus Bundesländern die selbst keine geschlossenen Einrichtungen unterhalten nach Bayern überwiesen?
2. b) Falls ja, wie viele Jugendliche wurden aus welchen Bundesländern in den letzten fünf Jahren nach Bayern überwiesen?
zu 2. a und b): Die Einrichtungen mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in Bayern werden weitgehend und teilweise sogar ausschließlich mit Kindern und Jugendlichen aus Bayern belegt. Bei einigen Einrichtungen kommt es zu häufigen Platzanfragen aus anderen Bundesländern, die jedoch aufgrund des hohen Bedarfs innerhalb Bayerns nur in Einzelfällen berücksichtigt werden. Zahlen der letzten fünf Jahre zur Unterbringung von Kindern und Jugendlichen aus anderen Bundesländern in Einrichtungen mit freiheitsentziehenden Maßnahmen in Bayern liegen nicht vor.

2. c) Aus welchen Gründen wurden in den meisten Bundesländern mittlerweile geschlossene Einrichtungen der Jugendhilfe geschlossen?
zu 2. c): Es existieren Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen mit freiheitsentziehenden Maßnahmen bundesweit nicht nur in Bayern, Baden-Württemberg,  Nordrhein-Westfalen und Brandenburg, sondern auch in Berlin, Rheinland-Pfalz und Niedersachsen. Die Platzzahlen für freiheitsentziehende Maßnahmen in der Jugendhilfe sind in den letzten Jahren bundesweit in der Tendenz leicht gestiegen. Auch in Bayern halten sich die Platzzahlen dieser Betreuungsform mit einer leichten Tendenz zur Erweiterung konstant. Ein Trend zur generellen Schließung freiheitsentziehender Plätze kann bundesweit nicht festgestellt werden.

3. a) Werden die Einrichtungen in Bayern systematisch und kontinuierlich auf Einhaltung der unveräußerlichen Menschenrechte, menschenwürdige Unterbringung und Erfolg im Sinne und Interesse der Kinder und Jugendlichen geprüft?
zu 3. a): Die Prüfung der Einrichtungen findet systematisch und kontinuierlich durch die Heimaufsichten der Regierungen statt. Die Verpflichtung des Trägers zur Einhaltung der Menschen- bzw. Kinderrechte sowie die menschen- bzw. kindgerechte Unterbringung sind grundlegende Voraussetzung für die Erteilung der Betriebserlaubnis gemäß §§ 45, 46 – 48a SGB VIII.

3. b) Wenn ja, in welchen Zeiträumen erfolgen die Prüfungen und
3. c) wie wird geprüft und kontrolliert?
zu 3. b und c): Im Rahmen der Heimaufsicht gemäß § 45 ff. SGB VIII erfolgen folgende Prüfungen:
1. Örtliche Prüfungen, je nach Konzeption der Einrichtung in einem Turnus von 0,5 bis maximal 2 Jahren
2. zusätzliche anlassbezogene Prüfungen in angekündigter und unangekündigter Form.
Die örtliche Prüfung umfasst die Prüfung folgender Kriterien:
– strukturelle, personelle  und fachliche Vorgaben der Betriebserlaubnis gemäß § 45 SGB VIII
– aktueller Belegungsstand
– das Vorliegen der familiengerichtlichen Genehmigungen zur freiheitsentziehenden Unterbringung gemäß § 1631b BGB
– Räume und Ausstattung
– Dienstplanung
– individuelle Hilfe- und Erziehungsplanung
– Dokumentationen zum Hilfeverlauf
– inhaltliche Ausgestaltung der Betreuungsform (Beschulung, Elternarbeit, Freizeitmöglichkeiten, etc.)
– Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten der Kinder und Jugendlichen (hierbei werden auch Gespräche mit den Kindern und Jugendlichen geführt)
– Rundgang in der Einrichtung mit der Besichtigung der Bewohnerzimmer und der Gemeinschaftsbereiche (Funktionalität, Ausstattung, Hygiene, Ordnung) unter Beteiligung der Kinder und Jugendlichen.
Am Ende der örtlichen Prüfung erfolgt ein Auswertungsgespräch mit Empfehlungen, Verbesserungsvorschlägen oder falls erforderlich mit heimaufsichtlichen Auflagen. Zusätzlich zu den örtlichen Prüfungen bestehen gemäß § 47 SGB VIII seitens des Trägers der Einrichtung schriftliche Meldepflichten gegenüber der zuständigen Heimaufsicht (Personalmeldung, Jahresmeldung, Meldung besonderer Vorkommnisse).

4. a) Wie beurteilt die Bayerische Staatsregierung die Unterbringung von Kindern und Jugendlichen in diesen Einrichtungen vor dem Hintergrund, dass Kinder und Jugendliche im Falle von Misshandlungen – anders als in offenen Heimen- in der Gesellschaft selbstständig keine Hilfe suchen können?
zu 4. a): Der Schutz von Kindern und Jugendlichen wird durch die gesetzlichen Vorgaben der § 8a, 72a und § 45 SGB VIII im Sinne des Bundeskinderschutzgesetzes sichergestellt. Dies beinhaltet die Einhaltung der Kinderrechte, das Vorhalten von Partizipationsstrukturen sowie eines geregelten Beschwerdemanagements. In der Praxis muss  der Träger den Schutz durch den Einsatz von fachlich und persönlich qualifiziertem Personal (Ausbildung, berufliche Erfahrung, erweitertes Führungszeugnis nach § 30 BZRG), durch das räumliche, organisatorische und pädagogische Konzept der Einrichtung sowie durch geeignete Beteiligungs- und Beschwerdemöglichkeiten sicherstellen. Die Einhaltung wird im Rahmen der festgelegten Meldepflichten und der Ortseinsichten geprüft.
Die Kinder und Jugendlichen, die von freiheitsentziehenden Maßnahmen betroffen sind, haben regelmäßig Kontakt zu ihren Eltern oder Vormündern, ihren Verfahrensbeiständen und zu den zuständigen Fachkräften des Jugendamts. Im Rahmen des Hilfeplanverfahrens sind sie an den Hilfeplangesprächen beteiligt. Weiterhin besteht für die Kinder und Jugendlichen die Möglichkeit, mit ihrer zuständigen Heimaufsicht Kontakt aufzunehmen. Meist sind deren Kontaktdaten am „Schwarzen Brett“ der Einrichtung ausgehängt. Zudem finden verschiedene Möglichkeiten der Beteiligung und Beschwerde, wie z. B. „Kummerkasten“, Rechtekataloge und Gruppensprechermodelle in den Einrichtungen regelhaft Anwendung. 
Im Rahmen des „Stufenmodells“, das in Einrichtungen mit individuell-geschlossenen Gruppen Anwendung findet, können die Kinder und Jugendlichen ab dem Erreichen einer gewissen Stufe ohne Begleitung zu einem bestimmten Ziel oder für einen abgesprochenen zeitlichen Umfang die Einrichtung verlassen (fakultative Geschlossenheit) und ihre Kontakte eigenständig wählen. 
Sollte es in den Einrichtungen zu sogenannten meldepflichtigen Vorkommnissen kommen, ist die Heimaufsicht zu informieren und zu beteiligen. In der Regel existiert für dieses Vorgehen ein konkreter Leitfaden, der den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den stationären Jugendhilfeeinrichtungen als Handlungsmaxime vorliegt. In diesem Rahmen ist gewährleistet, dass Kinder und Jugendliche ggf. über eventuelle Missstände berichten und sich Unterstützung holen können. Die Sensibilität der überprüfenden Institutionen und beauftragten Personen ist zudem in diesem Bereich besonders ausgeprägt.

4. b) Wie wird in Bayern der Schutz der Kinder und Jugendlichen vor gewalttätigen oder sexuellen Übergriffen in den geschlossenen Einrichtungen sichergestellt?
zu 4. b): Die Einrichtungen haben konzeptionelle Standards zum Schutz der Kinder und Jugendlichen entwickelt, denen das Personal verpflichtet ist. Durch die permanente Doppelbesetzung im Gruppendienst in einem überschaubaren Raumprogramm wird Übergriffen durch das Personal vorgebeugt. Dem Risiko von Übergriffen von Kindern und Jugendlichen untereinander wird durch die hohe Präsenz der pädagogischen Fachkräfte vorgebeugt. Je nach Konzeption können die Kinder und Jugendlichen nachts ihre Zimmer nicht verlassen bzw. es existieren technische Vorrichtungen, die ein Verlassen des Zimmers beim Nachtpersonal anzeigen und so ein schnelles Reagieren der Fachkräfte auf Kontaktversuche ermöglichen.

4. c) Zu welchen Anlässen wird die Heimaufsicht hier tätig (bitte um Angabe in welcher Form)?
zu 4. c): Die Heimaufsicht wird anlassbezogen bei festgestellter Nichteinhaltung von Auflagen der Betriebserlaubnis sowie bei jeder Form von Beschwerde über die Einrichtung tätig. Die Bandbreite der Handlungsmöglichkeiten gegenüber dem Träger erstreckt sich von der Beratung, der Erteilung zusätzlicher struktureller, personeller oder fachlicher Auflagen, Schutzmaßnahmen für betroffene Kinder und Jugendliche, der Tätigkeitsuntersagung bis hin zum Entzug der Betriebserlaubnis und dem Verhängen eines Bußgeldes.

5. a) Sind der Bayerischen Staatsregierung Vorkommnisse in Bezug auf Misshandlung in den bayerischen Einrichtungen bekannt?
zu 5. a): Bislang sind keine Hinweise auf eine körperliche oder seelische Misshandlung von Kindern und Jugendlichen in den Einrichtungen mit freiheitsentziehenden Maßnahmen bekannt geworden. Im Jahr 2012 fanden ergänzend zur regelmäßigen Überprüfung durch die Heimaufsicht in drei Einrichtungen unangemeldete Besuche durch die Länderkommission der Nationalen Stelle zur Verhütung von Folter statt. Diese Einrichtung geht auf das Fakultativprotokoll zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984 zurück. Auch hierbei wurden keinerlei Hinweise auf körperliche oder seelische Misshandlung von Kindern und Jugendlichen festgestellt.

5. b) Wenn ja, welche und
5. c) wie wurden diese bekannt?
zu 5. b und c): Siehe 5. a)

6. a) Beabsichtigt Bayern geschlossene Einrichtungen ebenfalls wie bereits andere Bundesländer zu schließen, bzw.
6. b) welche Schritte zur Schließung wird die Staatsregierung unternehmen, um zeitnah menschenrechtskonforme Einrichtungen zu schaffen?
zu 6. a und b): Wie in der Vorbemerkung deutlich gemacht, bekennt sich die bayerische Staatsregierung mit der Fortschreibung des Kinder- und Jugendprogramms auch weiterhin zur Angebotsform der freiheitsentziehenden Maßnahmen als notwendiger Bestandteil des Gesamtangebotes der Kinder- und Jugendhilfe. Die freiheitsentziehende Unterbringung im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe stellt dabei eine Sonderform stationärer Betreuung dar, die ausschließlich nur in gut zu begründenden Ausnahmefällen zum Einsatz kommen kann. Freiheitsentziehende und freiheitsbeschränkende Maßnahmen müssen rechtlich zulässig, fachlich geboten, verwaltungsverfahrensmäßig korrekt und pädagogisch-therapeutisch angezeigt sein.
Ziel und Zweck von freiheitsentziehenden Maßnahmen ist nicht Strafe, sondern Sicherstellung pädagogisch-therapeutischer Einwirkungsmöglichkeiten. Hierbei ist eine grundsätzliche Haltung des Respekts und der Wertschätzung gegenüber dem jungen Menschen selbstverständlich. Nur unter diesen Voraussetzungen können freiheitsentziehende Maßnahmen für Kinder und Jugendliche mit stark ausgeprägten selbst- und fremdgefährdenden Verhaltensweisen eine Option zur Reintegration in die Gesellschaft darstellen.

7. a) Wie bewertet die bayerische Staatsregierung den Erfolg der Arbeit der Clearingstellen für delinquente Kinder?
zu 7. a): In der Fortschreibung des Kinder- und Jugendprogramms der Bayerischen Staatsregierung wird betont, dass wichtige Weichenstellungen zur Weiterentwicklung der stationären Erziehungshilfe in Bayern unter anderem mit der Einrichtung von drei Clearingstellen erfolgt sind, in denen Kinder mit für ihr Alter besonders dissozialen Verhaltensmustern, die meist massiv kriminell auffällig, jedoch strafunmündig sind, zur Diagnostik und Abklärung des weiteren Hilfebedarfs nach richterlichem Beschluss untergebracht werden können (Kap. III. 2.2.2. a). Als Erfolg der Arbeit der Clearingstellen ist dabei vor allem zu werten, dass die Möglichkeiten einer fundierten Auswahl passender Anschlussmaßnahmen sowie die Basis bei den Kindern selbst und ihren Familien für erfolgversprechende und weiterführende (therapeutische) Angebote deutlich verbessert werden. Der Problematik, dass diese besonders auffälligen und schwer zu integrierenden Kinder sonst oft zusätzlich mehrfach das Heim wechseln müssen oder ggf. unpassende Maßnahmen scheitern, kann damit entgegengewirkt werden.

7. b) Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgt die freiheitsentziehende Unterbringungsform bei kriminell auffälligen, aber strafunmündigen Kindern?
zu 7. b): Die Unterbringung erfolgt auf Grundlage von § 34 SGB VIII, ggf. in Verbindung mit § 35a SGB VIII. Für die Freiheitsentziehung ist eine familienrichterliche Genehmigung auf Antrag der Personensorgeberechtigten gemäß §1631b BGB erforderlich.

7. c) Wie funktioniert das Überleitungsmanagement und welche Anschlussmaßnahmen erfolgen nach der Unterbringung in der Clearingstelle?
7. c): Im Rahmen der Hilfeplanung erfolgt durch das fallzuständige Jugendamt mit dem jungen Menschen, den Personensorgeberechtigten, der Clearingstelle und ggf. weiteren Beteiligten eine Klärung möglicher Perspektiven. Die Clearingstelle empfiehlt am Ende der Clearingphase eine geeignete Anschlussmaßnahme. Die Entscheidung über die Gewährung einer Anschlussmaßnahme der Kinder- und Jugendhilfe sowie die Überleitung in diese obliegen dem fallzuständigen Jugendamt. Bei den Anschlussmaßnahmen handelt es sich in der Regel um außerhäusliche Unterbringungen mit intensiver pädagogischer Begleitung. Dies können eigene Nachfolgegruppen des Trägers oder Angebote der stationären Kinder- und Jugendhilfe anderer Träger sein. Je nach Bedarf des Einzelfalls kann dies die Unterbringung in einer heilpädagogischen oder therapeutischen Gruppe, eine Maßnahme mit intensiver sozialpädagogischer Einzelbetreuung (ISE) oder ggf. auch eine weitere freiheitsentziehende Maßnahme sein.

8. a) Wie erfolgt die Evaluation des Erfolges freiheitsentziehender Maßnahmen in der Jugendhilfe?
zu 8. a): Die Evaluation der Hilfeverläufe wird über die Träger der Einrichtungen getätigt und erfolgt für den jeweiligen Einzelfall im Rahmen der Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII in Verantwortung des fallzuständigen Jugendamtes. Eine wissenschaftliche Studie zu freiheitsentziehenden Maßnahmen in Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie erfolgte im Jahr 2006 durch das Deutsche Jugendinstitut (Hoops, Permien: „Mildere Maßnahmen sind nicht möglich!“, DJI 2006).

8. b) Wie erklärt sich die Staatsregierung die Tatsache, dass in 40 Prozent der Fälle, in denen das Jugendamt eine geschlossene Unterbringung befürwortet hat, die jugendpsychiatrischen Gutachter zu einer gegenteiligen Auffassung kamen?
zu 8. b): Eine der Voraussetzungen für eine familienrichterliche Genehmigung der Unterbringungsmaßnahme gemäß § 1631 b BGB ist das Vorliegen eines Sachverständigengutachtens zur Notwendigkeit einer freiheitsentziehenden Unterbringung insbesondere unter den Gesichtspunkten einer akuten Selbst- und/oder Fremdgefährdung. Eine zahlenmäßige Erfassung, in welchem Umfang der Fälle das Jugendamt vor Erstellung des Gutachtens eine akute Selbst- und/oder Fremdgefährdung vermutete und in welchem Umfang diese dann tatsächlich durch Sachverständigengutachten bestätigt wurde, liegt nicht vor. Daher kann die Angabe „40 Prozent“ nicht bestätigt werden.

8. c) Welche Auswirkungen haben die aufgeführten Differenzen zwischen Jugendämtern und Jugendpsychiatern auf die Entscheidung über eine geschlossene Unterbringung?
zu 8. c): Wie in Frage 8 b) dargelegt, ist Grundlage der Entscheidung über eine geschlossene Unterbringung die familienrichterliche Genehmigung gemäß § 1631 b BGB.

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Anbei habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.