2. Mai 2011

Kommerzielle Werbung an Schulen durch die BMW Group

Grundsätzlich besteht nach Art. 84 Abs. 1 Satz 1 BayEUG an Schulen in Bayern ein Werbeverbot. Die BMW Group als „starker Partner“ und „nationaler Förderer“ der Bewerbung Münchens um die olympischen Spiele nutzt unseres Ermessens nach  eine Informationsbroschüre bzw. eine schulische Handreichung mit Arbeitsaufgaben für den Unterricht der Sekundarstufe I zum Thema Olympiabewerbung als Transportmittel für Eigenwerbung.

Ich frage die Bayerische Staatsregierung: 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage enthält folgende Fragen: 

Auf diese Fragen antworte ich wie folgt:

1. Wie definiert die Staatsregierung die Kriterien für das Vorliegen kommerzieller und politischer Werbung i. S. des Art. 84 BayEUG?

zu 1.: 

Die Definition von kommerzieller und politischer Werbung ist im Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) geregelt. Weitere Regelungen zum Sponsoring enthalten die Schulordnungen. 

 Kommerzielles Werbeverbot

Gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 1 BayEUG (sog. „kommerzielles Werbeverbot“) ist der Vertrieb von Gegenständen aller Art, Ankündigungen und Werbung hierzu, das Sammeln von Bestellungen sowie der Abschluss sonstiger Geschäfte in der Schule grundsätzlich untersagt. Das Verbot bezieht sich auf die Schule, die hier als institutioneller Begriff verwendet wird. Unzulässig sind die angegebenen Tätigkeiten daher grundsätzlich bei allen schulischen Veranstaltungen innerhalb und außerhalb des Schulgebäudes. Dies gilt nur dann nicht, wenn Räume nicht vorwiegend für schulische Veranstaltungen, sondern nur gelegentlich dazu benutzt werden. Sinn und Zweck der Vorschrift ist insbesondere der Schutz der Schülerinnen und Schüler vor den übermächtigen Einflüssen der Werbung und damit die Sicherstellung eines geordneten Schulbetriebs. Die Schülerinnen und Schüler sind vor einem Übermaß an Werbeeinflüssen in der Schule zu schützen, da sie sich gerade an diesem Ort den Umwelteinflüssen schwer oder gar nicht entziehen können. Allerdings bilden die Schulen keine vom öffentlichen Leben isolierten Institutionen. Zu den gesetzlich verankerten Aufgaben der Schule zählt unter anderem, bei den Schülerinnen und Schülern die Fähigkeit zu entwickeln, ihre Rechte und Pflichten in Staat und Gesellschaft wahrzunehmen.

Der gesellschaftliche Alltag ist nicht zuletzt wirtschaftlich geprägt, weshalb junge Menschen auch die Fähigkeit zur selbstbewussten, kritischen Auseinandersetzung mit Aussagen der Wirtschaftswerbung erlangen müssen.
Ein realitätsfremdes Agieren der Schulen ist daher nicht gewollt.
Von dem Werbeverbot können die Schulordnungen gemäß Art. 84 Abs. 1 Satz 2 BayEUG Ausnahmen zulassen. Solche Ausnahmen sind jedoch nur zulässig, sofern sie im schulischen Interesse liegen. Dieses ist insbesonde
re zu bejahen, wenn die Ausnahme für den Unterricht erforderlich oder ihm zumindest in besonderem Maße dienlich ist, wenn ein pädagogisches Interesse bejaht werden kann oder wenn die Ausnahme der schulischen Fürsorgepflicht entspricht. Eine solche Ausnahme ist z.B. im „zulässigen Schulsponsoring“ zu sehen. Beispielhaft sei hier § 24 Abs. 3 Volksschulordnung (VSO) zitiert (die anderen Schulordnungen enthalten aber eine wortlautgleiche Vorschrift): „Wird durch erhebliche Zuwendungen Dritter die Schule bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützt oder die Herstellung oder Anschaffung für Erziehung und Unterricht förderlicher Gegenstände ermöglicht, kann auf Antrag der oder des Dritten hierauf in geeigneter Weise hingewiesen werden. Unzulässig ist eine über die Nennung der zuwendenden Person oder Einrichtung, der Art und des Umfangs der Zuwendung hinausgehende Produktwerbung. Die Entscheidung trifft die Schulleiterin oder der Schulleiter nach Anhörung des Schulforums, bei Grundschulen nach Anhörung des Elternbeirats.“

 Für das Schulsponsoring ergeben sich somit materielle Grenzen:

 a) Die Zuwendung muss von erheblichem Umfang sein. Es soll vermieden werden, dass ein Unternehmer bereits mit sehr geringfügigen Beträgen seine Öffentlichkeitsarbeit mit dem guten Ruf einer Schule bestreiten kann. Bei Zuwendung eines Bagatellbetrags kann der Förderer zwar genannt werden, die Nennung muss jedoch verhältnismäßig zurückhaltend ausfallen. Die Entscheidung, ob eine Zuwendung im Einzelfall erheblich ist, ist an der gesamten Situation der betroffenen Schule zu orientieren.

b) Die Zuwendung muss die Schule bei der Erfüllung ihrer Aufgaben unterstützen. Eine solche Unterstützung kann in der Herstellung oder Anschaffung von Gegenständen bestehen, die für die Erziehung und den Unterricht förderlich sind. Dabei ist die Grenze zwischen wirtschaftlicher Förderung und wirtschaftlicher Abhängigkeit zu wahren. 

c) Der Hinweis auf die Sponsorleistung sollte in einer sachlichen und im Vergleich zur sonstigen Wirtschaftswerbung erkennbar gemäßigten Form erfolgen.

 d) Sponsorleistungen aus bestimmten, für den Schulbereich besonders kritischen Wirtschaftsbranchen sind auszuschließen, z.B. der Tabakindustrie, von Produzenten alkoholischer Getränke. Problematisch sind die Fälle, in denen der Sponsor sowohl in einem der genannten Wirtschaftszweige als auch in einem anderen Bereich tätig ist, z.B. Brauereien, die auch ein erhebliches Sortiment an nichtalkoholischen Getränken führen. Entscheidend ist hier, ob der Eindruck, dass gerade ein solches Unternehmen sponsert, in den Augen der Schüler und der Öffentlichkeit zurücktritt.

Politisches Werbeverbot
Gemäß Art. 84 Abs. 2 BayEUG ist politische Werbung im Rahmen von Schulveranstaltungen oder auf dem Schulgelände nicht zulässig (sog. „poli
tisches Werbeverbot“). Unzulässige politische Werbung in diesem Sinne sind alle politischen Meinungsäußerungen in der Schule oder unter Benutzung der Schule als Informationsverteiler, die primär der gezielten politischen Meinungsbeeinflussung durch eine Partei oder eine sonstige einem bestimmten politischen Ziel verpflichtete Gruppe dienen. Mit der Vorschrift, bei der es sich um eine verfassungsmäßige Einschränkung der Freiheit der Meinungsäußerung der Schülerinnen und Schüler handelt, soll vermieden werden, die Schule zu einer Stätte des politischen Kampfes zu machen. Zudem sorgt die Vorschrift dafür, dass eine parteipolitische Beeinflussung der Schülerinnen und Schüler durch die Schule nicht erfolgen kann.

 2. Wie beurteilt die Staatsregierung vor diesem Hintergrund die Informationsbroschüre „Lernen von den Spielen“, die von der BMW AG der Bewerbungsgesellschaft München 2018 GmbH und der Deutschen Olympischen Akademie Willi Daume e. V. herausgegeben wird?

zu 2.:
Die Informationsbroschüre „Lernen von den Spielen“ bietet Lehrerinnen und Lehrern Hintergrundinformationen zur Geschichte der Olympischen Spiele, ihren Teilnehmern und Organisatoren sowie Aufgabenvorschläge zu The
men wie Doping, Umwelt und der Bewerbung der Stadt München. Durch das Themenheft werden Werte wie Leistungsbereitschaft, Fairness, Respekt, Teamgeist und Freundschaft vermittelt, deren allgemeine gesellschaftliche Bedeutung anerkannt ist und die auch entsprechend Eingang in die Lehrpläne der bayerischen Schulen gefunden haben.
Vor Kontaktaufnahme mit den Schulen hatten sich die Herausgeber des Heftes an das Kultusministerium gewandt und ihre Absicht angekündigt, das Themenheft den Schulen zur Verfügung zu stellen. Dabei hatten sie betont, dass die Materialien Möglichkeiten für Lehrkräfte aufzeigen sollen, wie olympische Themen in verschiedenen Unterrichtsfächern eingebunden werden können. Es hieß, dass es sich dabei um „beispielhafte Aufgaben
stellungen für Lehrkräfte zur pädagogischen Herangehensweise in diesen Themenfeldern“ handele. Nach Information der Staatsregierung waren die Themenhefte daher lediglich für die Lehrkräfte bestimmt. Eine Verpflichtung zur Verwendung der Hefte im Unterricht bestand (und besteht) nicht. Als Handreichung für die Lehrkräfte sah das Kultusministerium die Themenhefte von vornherein nicht nur als rechtlich unproblematisch an. Art. 84 Bay-EUG ist hier nicht anwendbar.

Die Frage der Vereinbarkeit mit dem Werbeverbot stellt sich also vorliegend erst dann, wenn die Themenhefte von der Schulleitung oder den Lehrkräften an die Schülerinnen und Schüler verteilt werden. Ob dies (ganz oder auszugsweise) geschehen ist, entzieht sich der Kenntnis der Staatsregierung, da die Entscheidung hierüber jede Schulleitung in eigener Verantwortung trifft (s. o. Antwort zu Frage 1).

Aber selbst wenn die Themenhefte von den Lehrkräften in der Weise im Unterricht verwendet worden sein sollten, dass sie (ganz oder auszugsweise) an die Schülerinnen und Schüler ausgeteilt wurden, liegt kein Verstoß gegen das Werbeverbot vor. Wie bereits in der Antwort zu Frage 1 erläutert, können die Schulordnungen Ausnahmen im schulischen Interesse vorsehen. So entscheidet die Schulleiterin oder der Schulleiter beispielsweise in eigener Verantwortung über die Verbreitung von Drucksachen (vgl. z.B. Art. 4 Abs. 2 VSO). Es obliegt dabei jeder Schulleitung selbst, das schulische Interesse bzw. den pädagogischen Wert von externen Materialien zu bewerten. Dies entspricht auch dem Grundsatz der eigenverantwortlichen Schule, der immer mehr gestärkt werden soll. 

Hinzu kommt, dass es sich bei der Informationsbroschüre um zulässiges Schulsponsoring handelt. Da der Inhalt des Heftes die durch die Schulen zu gewährleistende Werteerziehung unterstützt und zur Herstellung der Hefte nicht unerhebliche Kosten angefallen sind, ist der unter Frage 1 erläuterte Sponsoringtatbestand (vgl. § 24 Abs. 3 VSO) erfüllt. Die in dem Heft enthaltenen Hinweise auf die BMW Group stellen einen im Sinne dieser Vorschrift und im Verhältnis zum gesamten Umfang des Heftes zulässigen Hinweis auf den Sponsor dar. Reine Produktwerbung enthält das Heft nicht. Ob und in welcher Weise diese Sponsorleistung im Unterricht verwendet wird, obliegt auch nach dieser Vorschrift der Schulleitung in eigener Verantwortung.

Ein Verstoß gegen das politische Werbeverbot liegt schon deshalb nicht vor, weil der Inhalt der Broschüre nicht primär auf eine gezielte politische Meinungsbeeinflussung der Schülerinnen und Schüler abzielt, sondern vielmehr lediglich Hintergrundinformationen zum Thema „Olympia“ enthält.

3. Hält die Staatsregierung es mit dem Werbeverbot an Schulen für vereinbar, dass der Sponsor BMW in dieser Broschüre fortgesetzt in Wort und Bild dargestellt wird und insbesondere Kapitel 4.4 der Broschüre den Titel „Ein Förderer im Fokus“ trägt?

 zu 3.: 

Die Staatsregierung hält die angesprochene Darstellung des Sponsors BMW Group mit dem Werbeverbot an Schulen aus den genannten Gründen für vereinbar bzw. dieses nicht für anwendbar (vgl. Ausführungen zu den Fragen 1 und 2).

4. Wird die Informationsbroschüre „Lernen von den Spielen“ derzeit an Schulen in Bayern verteilt?

zu 4.: 

Die Informationsbroschüre wurde zu keinem Zeitpunkt durch die Staatsregierung verteilt. Von der Bewerbungsgesellschaft vorgesehen war eine Verteilung von je zwei Themenheften an ca. 3.100 Gymnasien und ca. 1.000 Gesamtschulen im gesamten Bundesgebiet. Daneben konnten bei einer Versandstelle der Bewerbungsgesellschaft Broschüren bestellt oder als Datei heruntergeladen werden.

5. Wenn die Staatsregierung die Auffassung teilt, dass mit der Broschüre „Lernen von den Spielen“ gegen das Werbeverbot an Schulen verstoßen wird, welche Maßnahmen unternimmt sie, um den Verstoß zu unterbinden?

zu 5.:

Da die Staatsregierung die Auffassung nicht teilt, dass mit der Broschüre „Lernen von den Spielen“ gegen das Werbeverbot verstoßen wird, erübrigen sich Maßnahmen zur Unterbindung.

6. Wer trägt die Informationspflicht und -verantwortung bei Kenntnis über den Versuch von politischer und kommerzieller Werbung an Schulen?

zu 6.:

Die Verantwortung obliegt den Schulleiterinnen und Schulleitern im Rahmen ihrer pädagogischen, organisatorischen und rechtlichen Gesamtverantwortung für die Schule.

Mit vorzüglicher Hochachtung 

Dr. Ludwig Spaenle
Staatsminister 

Anbei habe ich Ihnen unsere Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt. 

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