Bericht über den Stand und Weiterentwicklung der Familien- und Sexualerziehung in Bayern
Unser Antrag vom 29.01.2015
Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert dem Ausschuss für Bildung und Kultus schriftlich wie mündlich zu berichten:
─ Wie Sexualkunde bzw. Familien- und Sexualerziehung in den jeweiligen Schularten und Klassenstufen unterrichtet wird und welche Unterschiede es dabei zwischen den Schularten gibt. Dabei soll auf Aufgaben, Durchführung und Umfang eingegangen werden. Ebenso soll dargelegt werden, ob das Thema „sexuelle Vielfalt” im Schulunterricht zeitgemäß behandelt wird und welche Defizite es gibt.
─ Inwieweit die Richtlinien für Familien- und Sexualerziehung hinsichtlich der Themen sexuelle Orientierung und unterschiedliche Lebensformen weiterentwickelt wurden, wie im Februar 2014 so vom Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst berichtet, und inwiefern die Fortbildungsmaßnahmen entsprechend überarbeitet wurden.
─ Welches zielgruppenspezifische Informationsmaterial zum Thema sexuelle Vielfalt mittlerweile erarbeitet wurde, wie ebenfalls in der 8. Sitzung des Ausschusses für Bildung und Kultus berichtet, um in diesem Zuge auf die Themen wie Transsexualität, Intersexualität, Geschlechterrollen sowie hetero- und homosexuelle Partnerschaften einzugehen.
─ Wie Lehrkräfte innerhalb der Aus- und Fortbildung auf die Sexualerziehung vorbereitet werden und unter welchen Umständen Schulen auf externe Fachkräfte (Sexualpädagoginnen und -pädagogen) zurückgreifen können.
─ Welche neuen Anforderungen die Staatsregierung an die Sexualerziehung im digitalen Zeitalter sieht.
Begründung:
Die Bedeutung des Sexualkundeunterrichts ist ungebrochen. Eine Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung zeigt, dass noch immer rund dreiviertel der Jugendlichen ihre Kenntnisse über Sexualität aus dem Unterricht in ihrer Schule haben. Von besonderer Wichtigkeit zeigt sich die schulische Sexualaufklärung demnach bei Jungs aus Elternhäusern mit Migrationshintergrund. Dazu kommt, dass die sexuelle Entwicklung heute unter anderen Bedingungen und Möglichkeiten stattfindet, als noch vor einigen Jahren: Jugendliche sind selbst neugierig. Viele informieren sich bereits selbständig durch verschiedenste Quellen über Liebe & Sexualität, sei es in Zeitschriften, in Gesprächen mit Freunden, etc. Was im digitalen Zeitalter aber besonders beliebt ist: das Internet. Doch durch die erleichterte, kostenfreie und barrierefreie Verfügbarkeit von sexualisierten Netzinhalten besteht auch das Risiko, dass Kinder und Jugendliche ungewollten Einflüssen bzw. Situationen ausgesetzt werden, die auf sie verstörend und überfordernd wirken. Umso wichtiger ist es, dass sie einen vertrauensvollen und sicheren Umgang zu Liebe und Sexualität in der Schule erlernen.
Überall, wo Menschen aufeinandertreffen, ob in der Schule, im Betrieb, in Vereinen und Verbänden, in der Familie und in den Universitäten, dürfen Diskriminierungen, Ausgrenzung oder vorurteilsmotivierte Gewalt, ob in Form von Rassismus, Antisemitismus, Sexismus oder Homophobie wie auch Transphobie, nicht unbeantwortet bleiben. Die Akzeptanz kultureller und sexueller Vielfalt lässt sich nicht verordnen. Deshalb bedarf es eines engagierten Wirkens aller Teile der Gesellschaft. Der Freistaat Bayern muss sich zum Ziel setzen, die Gesellschaft in ihrem Engagement für sexuelle Vielfalt zu unterstützen, um ein couragiertes Verhalten bei Übergriffen und Diskriminierungen zu fördern.
Schule ist der Ort, an dem zentrale Prägungen der Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen stattfinden. Sie ist ein Lernort und die Vorbereitung auf das Leben. Deshalb ist die Schule auch in der Frage der Bekämpfung von Homophobie, Rassismus und sonstigen Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit ein wichtiges Instrument.
Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN setzt sich dafür ein, dass an Schulen ein Klima der Akzeptanz und Offenheit geschaffen wird. Diskriminierungen von Homosexuellen dürfen genauso wenig hingenommen werden wie rassistische Diskriminierungen oder Benachteiligungen anderer Minderheiten. In den Schulen sollte ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, wonach Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender, Transsexuelle und Intersexuelle (LSBTTI) nichts „Abnormales” sind. Die Schülerinnen und Schüler sollen im Unterricht über alle möglichen Formen des Lebens aufgeklärt werden, denn nur so können sie als freie Menschen mit eigener Meinung, offen und tolerant durch die globalisierte Welt gehen.
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Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Antrags im Bayerischen Landtag.
Diese werden laufend von der Landtagsverwaltung aktualisiert.
Wie Sie den Unterlagen unter dem oben stehenden Link entnehmen können, wurde unser Antrag in der Plenarsitzung am 22.04.2015 mit der Maßgabe, dass der erste Spiegelstrich folgende Fassung erhält, einstimmig angenommen:
Welche Inhalte in welchem Umfang bzgl. Sexualkunde bzw. Familien- und Sexualerziehung in den jeweiligen Lehrplänen der unterschiedlichen Schularten und Klassenstufen festgeschrieben sind, welche Unterschiede es dabei ggf. zwischen den Schularten gibt und wie das Thema „sexuelle Vielfalt“ nach den Vorgaben des Kultusministeriums behandelt werden soll.