Behördenverlagerung und Verwaltungsreform in Bayern
Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 16.11.2011, mit den Antworten des Leiters der Staatskanzlei, Thomas Kreuzer, vom 20.01.2012 (kursiv dargestellt)
Die Staatsregierung sieht in Behördenverlagerungen ein wirksames Mittel zur Strukturförderung. Vor diesem Hintergrund frage ich die Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Ludwig Hartmann vom 16. November 2011 beantworte ich im Einvernehmen mit allen Ressorts wie folgt:
Vorbemerkung
Zum Teil gleichlautende oder ähnliche parlamentarische Anfragen bezüglich Behördenverlagerungen wurden in jüngster Zeit bereits mehrfach beantwortet. Insoweit wird zur Beantwortung der vorliegenden Anfrage insbesondere auf die Antwort des Staatsministeriums der Finanzen auf die Schriftliche Anfrage vom 30.03.2010 betreffend „Verlagerungen von Behörden und ministerialen
Aufgabenbereichen in Bayern“ (LT-Drs. 16/5008 vom 29.06.2010), die Antwort der Staatskanzlei auf die Schriftliche Anfrage betreffend „Behördenverlagerung in Bayern“ vom 21. September 2011, PI/G-4253-2/1198 (noch nicht als Drucksache veröffentlicht) und auf die Antwort des Staatsministeriums des Innern betreffend Verlagerungen von staatlichen Einrichtungen aus Ballungsräumen in strukturschwache Regionen (LT-Drs. 14/10137 vom 30.09.2002) verwiesen.
Die Fragen nach Behördenverlagerungen für die weiter in der Vergangenheit liegenden Jahre 1996 bis einschließlich 1999 berühren bis zu fünfzehn Jahre und somit drei Legislaturperioden zurückliegende Sachverhalte. Die Detail- und Nacherhebung aller vom Antragsteller aufgeworfenen Fragestellungen hätte einen unvertretbaren Verwaltungsaufwand erfordert. Deshalb beschränken sich die Antworten auch vor dem Hintergrund der eher pauschalen Fragestellungen auf eine Auflistung der in den fraglichen Jahren vorgenommenen Behördenverlagerungen.
1. Welche staatlichen Behörden bzw. Arbeitsbereiche staatlicher Behörden wurden in den letzten 15 Jahren in Bayern von wo nach wo verlagert bzw. wo fanden Zusammenlegungen statt? Wo konnten welche Synergieeffekte erzielt werden?
2. Wie viele Arbeitsplätze waren davon betroffen? Wie verteilen sich diese auf ArbeiterInnen, Angestellte und BeamtInnen? Bei welchem Prozentanteil dieser verlagerten Stellen fand auch eine Verlegung des Lebensmittelpunktes der Beschäftigten in die entsprechende Region statt.
3. Welche Kosten haben die Verlagerungen verursacht (bitte aufgelistet nach Behörde, Jahren und den Kostenblöcken: Gebäudekosten, Umzugskosten, erhöhte Aufwendungen)? Wo konnten z.B. aufgrund niedrigerer Mietkosten Einsparungen erzielt werden?
4. Wie hoch waren die Einnahmen, die der Freistaat durch den Verkauf der freigeworden Gebäude erlöst hat? Welche Kosten stehen diesen Einnahmen für Ankauf und Umbaumaßnahmen an den neuen Standorten gegenüber? Konnten alle freigewordenen Immobilien zum anvisierten Verkaufspreis veräußert werden?
zu den Fragen 1. bis 4.: Die Beantwortung der Fragen 1 bis 3 hinsichtlich der Behördenverlagerungen ab dem Jahr 2000 ist in der Anlage 1, die Beantwortung der Frage 4 in der Anlage 2 tabellarisch zusammengefasst. Sofern in den Tabellenspalten keine Ausführungen angegeben sind, ist eine Beantwortung nicht möglich oder wäre mit einem nicht vertretbaren Aufwand verbunden.
Für die Jahre 1995 bis 1999 wird unter Hinweis auf die Vorbemerkungen
ergänzend mitgeteilt:
Staatsministerium des Innern
1. Errichtung einer Außenstelle des Bayer. Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung (LfStaD) in Schweinfurt (1998)
31.03.1992: MR-Beschluss zur Errichtung einer Außenstelle des LfStaD in Schweinfurt.
20.11.1996: Grundsteinlegung für Neubau (Grunderwerbskosten 1.696.586 €? Baukosten 18.927.800 €).
01.02.1998: Abschluss der Verlagerung. Im Endausbau wurden ca. 200 Arbeitsplätze in Schweinfurt geschaffen.
2. Präsidium der Bayer. Bereitschaftspolizei (BPP)
2.1. Verlagerung von München nach Bamberg (1998)
31.03.1992 Ministerratsbeschluss zur Behördenverlagerung.
1998 Umzug des BPP von der Königinstraße in München in die Pödeldorfer Straße in Bamberg.
Kosten: Für den Grunderwerb 1.891.780 €, für den Bau 9.911.300 €.
Personal: Nach den vorhandenen Unterlagen wurden im Jahr 1998 137 Beschäftigtenstellen (Beamte- und Tarifbeschäftigte) von München nach Bamberg verlagert.
Personalstand zum 01.01.2011: 185 Mitarbeiter (129 Sollstärke Beamte und 56 Tarifbeschäftigte).
2.2. Teilverlagerung im Bereich der BPP – Verlagerung eines Ausbildungsseminars von München nach Nabburg (1999 / 2000)
Ab 01.01.1999 Nutzung der Liegenschaft vom damaligen Bundesgrenzschutz, der offizielle Ankauf erfolgte zum 21.12.2000.
Kosten: Für den Grunderwerb 2.656.547 €, für den Bau (noch nicht beendet) rd. 19 Mio. €.
01.09.2000 Verlagerung des 3. Ausbildungsseminars von der I. Bereitschaftspolizeiabteilung (BPA) München nach Nabburg mit einem Soll von 22 Beamtenstellen, 1 Tarifstelle, 120 Beamtinnen / Beamte in Ausbildung. Staatsministerium für Unterricht und Kultus
Auf der Grundlage der „Organisationsuntersuchung im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus – Untersuchung der Bayerischen Schulverwaltung“ der Fa. Roland Berger & Partner (1998/1999) wurden die medienpädagogischen Aufgaben der beiden Staatlichen Landesbildstellen (Bayreuth und München) und der Zentralstelle für Computer im Unterricht (Augsburg) auf das ISB in München (für konzeptionelle Aufgaben) und die ALP in Dillingen (für Beratung und Fortbildung) übertragen, um Synergieeffekte im medienpädagogischen Bereich zu erzielen. Die nach Auflösung der drei kleineren Behörden frei gewordenen 66 Stellen wurden zu ca. zwei Drittel auf das ISB und einem Drittel auf die ALP aufgeteilt.
Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie
Folgende Umstrukturierungen der Bayerischen Bergbehörden seit 1. Januar 1995 sind zu nennen:
Auflösung des Bayerischen Oberbergamtes in München;
Eingliederung des Bergamtes München in die Regierung von Oberbayern als Bergamt Südbayern. Das Bergamt Südbayern ist zuständig für die Regierungsbezirke Schwaben, Oberbayern und Niederbayern.
Eingliederung der beiden Bergämter Bayreuth und Amberg in die Regierung von Oberfranken als Bergamt Nordbayern. Das Bergamt Nordbayern ist zuständig für die Regierungsbezirke Oberfranken, Mittelfranken und Unterfranken sowie die Oberpfalz.
Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Forstverwaltung
Aufgrund des Ministerratsbeschlusses vom 11. Juli 1995 über ein Gesamtkonzept zur Reform der Staatsforstverwaltung wurden in der Zeit von 1996 bis 1999 neunzehn Forstämter sowie das Staatliche Sägewerk Spiegelau aufgelöst. Die Waldarbeitsschule Goldberg wurde mit der Waldbauernschule Scheyern zur Waldbauernschule am Goldberg bei Kelheim zusammengelegt. Ferner wurde das Forstamt Zwiesel mit dem Nationalpark Bayerischer Wald verschmolzen.
5. Welche positiven Effekte sind an den neuen Standorten bzgl. Schaffung qualitativ hochwertiger, sicherer Arbeitsplätze in den betroffenen Regionen, bzgl. BIP, bzgl. Kaufkraft, bzgl. Sogwirkung für die Ansiedlung anderer Unternehmen zu verzeichnen?
6. Hatten die Verlagerungen wirklich strukturpolitisch positive Effekte? Fanden jeweils Evaluationen statt, wenn ja, an welchen Standorten und wer hat diese erarbeitet?
Zu den Fragen Nrn. 5 und 6:
Die Staatsregierung bekennt sich zur Stärkung der Regionen durch gezielte strukturpolitische Maßnahmen, um vor Ort neue Arbeitsplätze und zusätzliche Wirtschaftskraft zu schaffen. Behördenverlagerungen können zu einem Kaufkraftgewinn und einer Nachfrageerhöhung der lokalen Wirtschaft und auf dem Wohnungsmarkt führen. Die Verlagerung von Behörden ist daher ein bewährtes Instrument staatlicher Strukturpolitik, ein wichtiger Anreiz auch für die Wirtschaft, in strukturschwächere Gebiete zu investieren und ein nicht zu unterschätzendes positives Signal an die Menschen vor Ort. Es liegt dabei auf der Hand, dass eine Kausalität zwischen Behördenverlagerungen und wirtschaftlicher Entwicklung vor Ort zahlenmäßig nicht dargestellt werden kann.
7. Welche Behördenverlagerungen sind zurzeit noch nicht abgeschlossen? Welche sind in Planung?
Zu Frage Nr. 7:
Folgende weitere Aufgabenverlagerungen / Behördenverlagerungen sind in Umsetzung bzw. geplant:
Staatsministerium des Innern
Verlagerung des Bayerischen Landesamts für Statistik und Datenverarbeitung von München nach Fürth.
Staatsministerium der Finanzen
Steuerverwaltung
Grundsätzlich ist eine Verlagerung der Bewertungsstelle und weitere Teile der Allgemeinen Veranlagungs- und Rechtsbehelfsstelle des Finanzamtes München geplant. Konkrete Aussagen zur Realisierung dieser Verlagerungen sind allerdings noch nicht möglich. Unter dem Motto „Die Arbeit zu den Menschen bringen“ wurden in den letzten Jahren bereits über 640 Arbeitsplätze der Steuerverwaltung aus München verlagert.
Staatsfinanzverwaltung
Die Konzentration der Familienkasse an der Dienststelle Bayreuth für die restlichen Bereiche (Beamte und Versorgungsempfänger) wird schrittweise in den folgenden Jahren umgesetzt.
Die Verlagerung der Beihilfestelle der Dienststelle München des Landesamts für Finanzen an die Dienststelle Ansbach wird bis voraussichtlich 2014 abgeschlossen werden können. Hiervon betroffen sind weitere 18 Vollzeitarbeitsplätze.
Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Verlagerung des Amtes für Ländliche Entwicklung (ALE) Oberpfalz mit 135 Stellen von Regensburg nach Tirschenreuth. Zum Zeitpunkt des Verlagerungsbeschlusses im Jahr 2005 umfasste das ALE 219 Personen. Durch natürliche Fluktuation und durch außerplanmäßige Fluktuation reduzierte sich die Zahl der Mitarbeiter im aktiven Dienst seither auf 138 Personen. In Tirschenreuth ist die Errichtung eines Neubaus vorgesehen, der voraussichtlich im Jahr 2013 bezugsfertig sein wird.
Staatsministerium für Umwelt und Gesundheit
Im Bereich der Wasserwirtschaftsämter (WWA) sind noch nicht alle Verlagerungen komplett abgeschlossen, so existieren an ehemaligen WWA – Standorten (z. B. Krumbach, Würzburg) aus Gründen der sozialverträglichen Umsetzung noch übergangsweise sogenannte Servicestellen.
Im Bereich des Landesamts für Umwelt (LfU) sind die Verlagerungen von München nach Augsburg auch noch nicht komplett abgeschlossen. Weitere Arbeitsplatzverlagerungen werden erst im Jahr 2012 mit Abschluss der Baumaßnahmen am Hauptstandort in Augsburg möglich.
Geplant ist für den Bereich des Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) eine Teilverlagerung der Akademie für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (AGL) und die Verlagerung der LGL – Stabsstelle „Zentrales Qualitätsmanagement/ Landesbeauftragter für das Qualitätsma-
nagement“ von München bzw. von Erlangen nach Schwabach.
Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst:
Die Verlagerung der Dienststelle Ingolstadt sowie eines Teils des Personals der Zentrale in München an die Dienststelle Thierhaupten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege wird bis voraussichtlich 2013 abgeschlossen werden können.
Ausgleich der strukturellen Auswirkungen der Bundeswehrreform
Die Staatsregierung prüft derzeit, ob in Einzelfällen in den durch die Bundeswehrreform besonders betroffenen (ländlichen) Regionen auch durch die Verlagerung staatlicher Einrichtungen zusätzliche strukturpolitische Anreize gesetzt werden können. Vor den entsprechenden Entscheidungen sind jedoch noch längere intensive Erörterungen notwendig, die insbesondere die Interessen der von möglichen Verlagerungen betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die Aufrechterhaltung der Effektivität der Verwaltung und die Situation in den von der Strukturreform betroffenen Regionen in einen Ausgleich bringen und zu einem schlüssigen Gesamtkonzept führen.
Um Beantwortung gemäß Geschäftsordnung und Drucklegung wird gebeten.
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Die benannten Anlagen finden Sie als pdf-Dateien am Ende dieser Seite.
Die Beantwortung von Schriftlichen Anfragen kann bis zu fünf Wochen dauern und ggf. von Seiten der Staatsregierung durch Fristverlängerung verlängert werden. Von dieser Option wurde in diesem Falle Gebrauch gemacht und die Frist zur Beantwortung wurde bis zum 19.01.2012 verlängert.
Anbei habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.