14. Oktober 2020

Bäume auf Äckern, Wiesen und Weiden: Agroforstsysteme als Zukunftsperspektive in der Klimakrise

Äcker und Wälder stehen unter enormen Klimastress. Abhilfe können sogenannte Agroforstsysteme (AFS) schaffen. Bei der Agroforstwirtschaft werden Gehölze entweder mit landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Kulturen auf einer Bewirtschaftungsfläche angebaut und genutzt oder mit Tierhaltung kombiniert. AFS binden und speichern Kohlendioxid, tragen zu Erosions-, Gewässer- und Windschutz bei, fördern den Humusaufbau und die Biotopvernetzung, fördern die Artenvielfalt, erhöhen die Klimaresilienz von Agrarflächen und vieles mehr.

Für Landwirt*innen stellt die Agroforstwirtschaft eine ökonomische und nachhaltige Form der Klimaanpassung dar. Sie erweitert die landwirtschaftliche Produktpalette um stark nachgefragte holzartigen Bioenergieträgern auf landwirtschaftlichen Flächen, sie schützt die Ackerkulturen gegen Witterungsunbilden, verteilt die Arbeitsspitzen besser auf die Saison und reduziert den flächenbezogenen Düngemittel- und Pflanzenschutzmittelverbrauch. Sie bietet Diversifizierungsmöglichkeiten bei der Produktion und folglich bei der Einkommenserwirtschaftung, das unternehmerische Risiko kann gemindert werden, Synergien zwischen Bäumen und Kulturpflanzen können zu einer gesteigerten Gesamtproduktivität beitragen. Agroforstwirtschaft stellt damit eine äußerst vielversprechende Form der Landbewirtschaftung dar, die den Schutz der natürlichen Ressourcen mit der Erzeugung von Nahrungsmitteln verbindet und Bäuerinnen und Bauern eine Zukunftsperspektive in der Klimakrise bietet.

Auch für Kommunen hat die Agroforstwirtschaft Vorteile: Sie verbessert die Grundwasserqualität, stärkt ländliche Regionen durch die Förderung regionaler Stoffkreisläufe und eine regionale Wertschöpfung, sie schafft regionale Märkte für Agroforst-Produkte und -verarbeitung und bereichert das Landschaftsbild mit positiven Auswirkungen auf Tourismus und Lebensqualität.

Bis heute wird die moderne AFS jedoch trotz ihres hohen ökologischen Werts und multifunktionellen Potenzials für die Landwirtschaft in Bayern unterschätzt. Gerade in Trockengebieten wie in weiten Teilen Frankens in den letzten Jahren können Bäume auf landwirtschaftlichen Nutzflächen den Ertrag trotz Flächeninanspruchnahme insgesamt steigern. Damit Agroforstwirtschaft in Bayern Fuß fasst, braucht es eine gezielte Förderung.

 

Foto: Klaus Listl

 

Die Grüne Fraktion im Bayerischen Landtag möchte die Agroforstwirtschaft im Freistaat aus der Taufe heben, sie muss als konkurrenzfähiges Bewirtschaftungssystem in der bayerischen Landwirtschaft verankert werden. Dazu braucht es gezielte Maßnahmen, die im Antragspaket „Bäume auf Äcker, Wiesen und Weiden“ zusammengefasst sind:

 

Antrag I: Förderung von Agroforstsystemen ins bayerische Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) aufnehmen
Um Agroforstsysteme für die Landwirt*innen attraktiv zu machen, müssen sie in Bayern im Rahmen des KULAP gefördert werden. Bäuerinnen und Bauern brauchen eindeutige förderrechtliche Rahmenbedingungen. Im europäischen Agrarförderrecht gilt die Ersteinrichtung bereits seit 2007 als förderfähig – jetzt liegt es an der Staatsregierung, die Förderung in Bayern endlich zu aktivieren.

Antrag II: Finanzierungsspielräume besser nutzen
Bayern muss sich im Bund dafür einsetzen, dass die Förderung von Agroforstsystemen in den Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) aufgenommen wird. Nur so ist eine Co-Finanzierung möglich. EU-Mittel für Agroforstsysteme werden bei uns bis heute nicht abgerufen, deshalb sind wir im europäischen Vergleich eines der Schlusslichter bei der Etablierung der Agroforstwirtschaft. Das muss sich ändern.

Antrag III: Anbau aller heimischen stockausschlagfähigen Baumarten in AFS
ermöglichen
Der Anbau aller stockausschlagfähigen heimischen Baumarten unter Beibehaltung der Basisprämie muss möglich werden. Die Liste der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung, die die förderfähigen Baumarten für Agroforstsysteme als Energieholzstreifen begrenzt, muss ersatzlos gestrichen werden. So wird der Weg frei für Agroforstsysteme, die auch der Wertholzgewinnung dienen oder naturschutzfachlich geprägt sein können.

Antrag IV: Forschung zur Agroforstwirtschaft in Bayern intensivieren
Der Freistaat muss Forschungsprojekte der Landesanstalten zur Agroforstwirtschaft unterstützen. Insbesondere standortspezifische Studien hinsichtlich der Umweltleistungen und der Vorteilswirkungen für die Landwirtschaft in den verschiedenen Regionen Bayerns müssen gezielt gefördert werden. Es liegt am Bayerischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, die Agroforstwirtschaft in seine langfristigen Planungen aufzunehmen und ihre weitere Erforschung und Etablierung proaktiv voranzutreiben.

Antrag V: Wissenstransferkampagne starten, Beratungsangebot verbessern, Anpassungsstrategien anbieten
Landwirt*innen müssen gezielt über die Chancen der Agroforstwirtschaft in ihrer Region informiert werden. Die Landesanstalten und berufsvertretenden Verbände sind in die Wissenstransferkampagne einzubinden. Das Beratungsangebot an den Agrar- und Umweltverwaltungen muss ausgebaut werden. Anpassungsstrategien an den Klimawandel stoßen gerade bei Bäuerinnen und Bauern in den trockenen Regionen Bayerns auf großes Interesse, gezielte Information und Beratung hinsichtlich der Chancen der Agroforstwirtschaft fehlen aber noch immer.

Antrag VI: Bildungsoffensive Agroforst
Wer durch Aus- und Weiterbildung mit einer Sache vertraut ist, setzt sie eher um, als jemand, der noch nie davon gehört hat, das gilt auch für Agroforstwirtschaft. Daher ist die Einführung in die Agroforstwirtschaft als Baustein in der Berufsausbildung von Landwirt*innen und Fachkräften im Agrarservice anzustreben, sie muss Bestandteil aller „grünen“ Studiengänge werden und auch in allgemeinbildenden Schulen thematisiert werden. Eine Bildungsoffensive Agroforst ist von der Staatsregierung zu initiieren.

Antrag VII: Nutztierhaltung auf Freiland und Weiden mit Agroforst kombinieren
Es braucht die Förderung von Freiland- und Weidehaltung in Kombination mit Agroforstsystemen, da diese Tierhaltungsform Tierwohl und Tiergesundheit enorm verbessern kann. Best-Practice-Beispiele sowie die Freiland- und Weidehaltung mit Agroforstsystemen sollen an den Versuchs- und Bildungszentren mit Tierhaltung etabliert werden. Den staatlichen Versuchs- und Bildungszentren mit Tierhaltung obliegt es zu forschen und praktikable Lösungen zu veranschaulichen, um die Verbreitung von Agroforstsystemen in Kombination mit Tierhaltung in der Praxis zu befördern.

Das vollständige Antragspaket gibt es hier: Antragspaket „Bäume auf Äcker, Wiesen und Weiden I-VII“