31. März 2016

Aktuelle Zahlen zu Abschiebungen und Anerkennungsquoten in Bayern

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 05.02.2016 mit den Antworten des Staatsekretärs des Innern, für Bau und Verkehr, Gerhard Eck, vom 31.03.2016 (kursiv gestellt)  

Der bayerischen Ministerpräsident Horst Seehofer sprach in der Plenarsitzung vom 20.10.2015 davon, dass es in Bayern 14.000 und im Bundesgebiet 70.000 Menschen gäbe, die durch Abschiebung oder freiwillige Rückreise „zurückgeführt“ werden müssten. Laut der Antwort auf meine Anfrage zum Plenum vom 28.10.2015 basierten diese Zahlen auf Prognosen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Weitere Informationen über die Zusammensetzung dieser Gruppe, wie Aufenthaltsdauer und vorheriger Aufenthaltsstatus, müssten durch das Bundesamt für Migration ausgewertet werden. In einer Antwort auf eine mündliche Anfrage der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke (laut Bundestagsplenarprotokoll 18/126) führt das Bundesinnenministerium aus, dass „ausweislich des Ausländerzentralregisters“ zum Stichtag 31. August 2015 52.508 Personen als Ausreisepflichtige erfasst sind, die keine Duldung besaßen.
Nach einer Pressemitteilung des Bayerischen Innenministeriums vom 21.10.2015, einen Tag nach der Wortmeldung des Ministerpräsidenten im Plenum, musste der Bayerische Innenminister Joachim Herrmann die Anzahl der ausreisepflichtigen Menschen bei den bayerischen Kommunen erfragen (PM387/2015)
http://www.stmi.bayern.de/med/pressemitteilungen/pressearchiv/2015/387/index.php
Dies sollte mittlerweile abgeschlossen sein.
In den Antworten auf die Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Christine Kamm vom 05.11.2013 auf Drucksache 17/352 konnten detaillierte Ausführungen zu Einreisejahr, welches in Einzelfällen bis ins Jahr 1943 zurückreicht, Staatsangehörigkeit und Altersgruppe gemacht werden.
Staatsminister Dr. Markus Söder äußerte sich in einem Interview mit der „Bild“ am 24.10.2015 wörtlich: „Denn es kann nicht sein, dass bei einer Asylanerkennungsquote von nur ein bis zwei Prozent trotzdem fast alle in Deutschland bleiben.“
Laut Zahlen des Bundesamts für Migration liegt die Anerkennungsquote im Jahr 2015 bei 48,5%. Die „Gesamtschutzquote” mit subsidiärem und Abschiebungsschutz bei 49,8% (vgl. Asylgeschäftsstatistik für den Monat Dezember 2015, Hrsg.: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Nürnberg, 07.01.2016).

Vor diesem Hintergrund frage ich die Bayerische Staatsregierung:

Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat sowie dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt:
zu 1.:
 Wie erklären sich die zahlenmäßigen Unterschiede zwischen den Äußerungen des Ministerpräsidenten und der Antwort des Bundesinnenministeriums? Liegen der Bayerischen Staatsregierung weitere Daten vor, auf denen die vom Ministerpräsidenten genannten Zahlen basieren? Falls ja, wie lauten diese?
Die Wortmeldung von Ministerpräsident Seehofer in der Plenarsitzung vom 20.10.2015 und die Antwort der Bundesregierung auf die mündliche Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke vom 30.09.2015 (Plenarprotokolle 2015, 18/126
 S. 12264) betreffen unterschiedliche Sachverhalte. Während sich die Antwort der Bundesregierung auf die zum Stichtag 31.08.2015 im Ausländerzentralregister verzeichnete Zahl der bundesweit Ausreisepflichtigen bezog, lagen der Wortmeldung des Ministerpräsidenten Angaben des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) über zu erwartende ablehnende Asylentscheidungen zugrunde. Im Übrigen wird auf die Antwort des Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr auf die Anfrage zum Plenum des Fragestellers vom 26.10.2015 verwiesen (LT-Drs. 17/8730, Seite 6).
zu 2.:
 Weshalb musste der Bayerische Innenminister, einen Tag nach den obigen Äußerungen des Ministerpräsidenten, bei den bayerischen Kommunen die Anzahl der ausreisepflichtigen Menschen erfragen?
Mit Schreiben vom 21.10.2015 wurden die Landräte und die Oberbürgermeister der kreisfreien Städte gebeten, über die regelmäßig mitzuteilenden Personen, die zur Rückführung in die Westbalkanstaaten anstehen, hinaus auch eine Liste aller übrigen vollziehbar ausreisepflichtigen und abschiebbaren Ausländer zu melden. Denn aus den im Ausländerzentralregister (AZR) erfassten Daten ist nicht ermittelbar, ob ein ausreisepflichtiger Ausländer aktuell auch tatsächlich abschiebbar ist. Eine gegenwärtige bzw. vorübergehende Nichtvollziehbarkeit der Abschiebung kann sich beispielsweise aufgrund laufender Maßnahmen zur Beschaffung von Passersatzpapieren, der Abklärung vorgetragener Reiseunfähigkeitsgründe oder einem anhängigen verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzverfahren ergeben.
zu 3.:
 Wie viele Asylbewerber*innen (nur Zugänge aus dem Jahr 2015) befinden sich aktuell in Zuständigkeit des Landes Bayern? Wie setzt sich diese Personengruppe nach Staatszugehörigkeit, Alter und Geschlecht zusammen? Welche Anerkennungsquote entfällt auf die einzelnen Staatsangehörigkeiten?
Zum Stand 29.02.2016 waren insgesamt 155.944 Personen in Bayern in Erstaufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften, durch Kreisverwaltungsbehörden und in Wohnungen untergebracht. Zum jeweiligen Jahr, in dem der Zugang der einzelnen Asylbewerber erfolgte, liegen der Unterbringungsverwaltung keine statistischen Daten vor. Gleiches gilt für Staatszugehörigkeit, Alter und Geschlecht der Asylbewerber.
Nach der im Internetangebot des BAMF frei zugänglichen Asylgeschäftsstatistik für das Jahr 2015 entfielen auf die bundesweit fünf zuzugsstärksten Herkunftsländer folgende Gesamtschutzquoten:

160601 SchA Abschiebung- und Anerkennungszahlen 3

zu 4.:
 Wie viele ausreisepflichtige Menschen halten sich derzeit in Bayern auf? Wie setzt sich diese Personengruppe nach Staatszugehörigkeit, Alter, Geschlecht, Dauer des Asylverfahrens und Einreisejahr zusammen?
Auf die nachfolgenden Auswertungen des BAMF aus dem AZR zu aufhältigen ausreisepflichtigen Ausländern in Bayern zum Stichtag 31.01.2016 wird verwiesen. Statistische Daten zur Dauer des Asylverfahrens derjenigen Ausländer, die aufgrund Ablehnung ihres Asylantrages ausreisepflichtig wurden, liegen nicht vor.

160601 SchA Abschiebung- und Anerkennungszahlen 4-1160601 SchA Abschiebung- und Anerkennungszahlen 4-2160601 SchA Abschiebung- und Anerkennungszahlen 4-3160601 SchA Abschiebung- und Anerkennungszahlen 4-4160601 SchA Abschiebung- und Anerkennungszahlen 4-5160601 SchA Abschiebung- und Anerkennungszahlen 4-6160601 SchA Abschiebung- und Anerkennungszahlen 4-7
zu 5.:
 Wie viele Personen wurden 2014 und 2015 aus Bayern abgeschoben? Wie viele Personen sind im gleichen Zeitraum freiwillig ausgereist? Wie hoch war die jeweilige durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Bayern?
Zu den im Jahr 2014 aus Bayern abgeschobenen Ausländern wird auf die Antwort zu Frage 1.1 der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Kamm vom 09.01.2015 betreffend „Abschiebungen in Bayern 2014“ verwiesen (LT-Drs. 17/5946). Zu den im Jahr 2014 freiwillig aus Bayern ausgereisten Ausländern wird auf die Antwort zu Frage 1 der Schriftlichen Anfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Fahn vom 23.01.2015 betreffend „Rückkehrhilfen für Flüchtlinge – Abschiebungen“ verwiesen (LT-Drs. 17/6572).
Zu den im Jahr 2015 aus Bayern abgeschobenen Ausländern wird auf die Antwort zu Frage 1.1 der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Kamm vom 07.12.2015 betreffend „Abschiebungen in Bayern 2015“ verwiesen. Zu den im Jahr 2015 freiwillig aus Bayern ausgereisten Ausländern wird auf die Antwort zu Frage 1.1 der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Kamm vom 21.01.2016 betreffend „Freiwillige Rückkehr aus Bayern 2015“ verwiesen.
Die jeweilige durchschnittliche Aufenthaltsdauer in Bayern vor der Abschiebung bzw. freiwilligen Ausreise wird statistisch nicht gesondert erfasst und könnte nur mit nicht vertretbarem Verwaltungsaufwand ermittelt werden.
zu 6.: 
Wie viel Prozent der ausreisepflichtigen Menschen waren zum Zeitpunkt des Weg- falls ihres Aufenthaltsrechts berufstätig? Wie viele Prozent haben ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Transferleistungen bestritten? Wie viele nach dem AsylbLG leistungsberechtigte Personen halten sich aktuell in Bayern auf?
Daten zum Anteil derjenigen Ausreisepflichtigen, die zum Zeitpunkt des Wegfalls ihres Aufenthaltsrechts berufstätig waren, liegen nicht vor, weil statistisch nicht erfasst wird, ob ein Ausländer nach Erteilung einer Beschäftigungserlaubnis durch die Ausländerbehörde auch tatsächlich eine Beschäftigung aufnimmt oder wie lange er eine solche tatsächlich ausübt. Gleiches gilt für den Anteil derjenigen Ausreisepflichtigen, die ihren Lebensunterhalt ohne staatliche Transferleistungen bestritten, weil auch insoweit statistische Daten nicht vorliegen.
Zum Stand 29.02.2016 waren insgesamt 142.890 Personen leistungsberechtigt nach dem Asylbewerberleistungsgesetz.
zu 7.:
 Wie viele abgeschobene Personen wurden 2014 und 2015 aus Bayern in die EU- Staaten abgeschoben, in denen sie zuerst europäischen Boden betreten hatten, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Einreisejahr, Alter, Nationalität und Zielland der Abschiebung? Wie viele abgeschobene Personen wurden in den Jahren 2014 und 2015 aus Bayern in ihre Heimatländer abgeschoben, aufgeschlüsselt nach Geschlecht, Einreisejahr, Alter und Nationalität?
Zu den im Jahr 2014 aus Bayern in andere EU-Staaten Abgeschobenen wird auf die Antworten zu den Fragen 2.1 und 1.1 der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Kamm vom 09.01.2015 betreffend „Abschiebungen in Bayern 2014“ verwiesen (LT-Drs. 17/5946).
Zu den im Jahr 2015 aus Bayern in andere EU-Staaten Abgeschobenen wird auf die Antworten zu den Fragen 2.1 und 1.1 der Schriftlichen Anfrage der Frau Abgeordneten Kamm vom 07.12.2015 betreffend „Abschiebungen in Bayern 2015“ verwiesen. Ob sie im Zielstaat der Abschiebung zuerst europäischen Boden betreten hatten, ist nicht bekannt. Daten zum jeweiligen Einreisejahr werden bei Abschiebungen statistisch nicht erfasst und könnten nur mit nicht vertretbarem Verwaltungsaufwand ermittelt werden.
Im Übrigen wird auf die Antwort zu Frage 5 verwiesen.
zu 8.: 
Wie erklärt die Staatsregierung die deutliche Differenz zwischen den laut Bundes- amt für Migration veröffentlichten Anerkennungsquoten und den durch ein Mitglied der Staatsregierung genannten Anerkennungsquoten?
Die Asylgeschäftsstatistik des BAMF unterscheidet zwischen folgenden stattgebenden Entscheidungen: Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG), Anerkennung als Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention, Gewährung von subsidiärem Schutz und Feststellung eines Abschiebungsverbots. Der Anteil dieser stattgebenden Entscheidungen an der Gesamtzahl aller Entscheidungen ergibt die Gesamtschutzquote. Sie betrug 49,8 Prozent im Jahr 2015. Demgegenüber bezog sich die zitierte Äußerung von Staatsminister Dr. Söder auf den Anteil der Asylanerkennungen nach Art. 16a GG. Dieser schwankte in den vergangenen Jahren zwischen ein und zwei Prozent und betrug 2014 1,8 Prozent, 2015 0,7 Prozent.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.