6. August 2020

Stirbt der Wald, stirbt auch der Mensch

Der Böhlgrund im Steigerwald ist ein wertvolles Stück Natur. Alte Buchen sind hier zuhause, Erlen und Eschen und ein Viertel des künftigen Waldschutzgebietes war schon bislang als Naturwaldreservat der forstlichen Bewirtschaftung entrissen. Knapp 900 Hektar neuer Naturwald – das sind rein rechnerisch gerade mal drei auf drei Kilometer Land. Hier darf sich ein Stück Natur künftig frei entfalten – ebenso wie einzelne Auwaldsegmente an Donau und Isar, der Irtenberger Wald südwestlich von Würzburg und die Buchenwälder entlang der Altmühl in der südliche Frankenalb.

Insgesamt 5.000 Hektar Wald vornehmlich im nördlichen Bayern sollen zu Naturwäldern werden und sich laut CSU-Forstministerin Kaniber ungestört zu „Hotspots der biologischen Vielfalt“ entwickeln dürfen. Zum Vergleich: Deutschlands erster Nationalpark Bayerischer Wald ist mit gut 24.000 Hektar fast fünfmal so groß wie alle jetzt angekündigten Waldschutzgebiete zusammen. Er ist ein echter Regenerationsraum für Tiere und Pflanzen, Rückzugsgebiet für einst ausgerottete Luchse, Heimat und Durchgangsstation für neu eingewanderte Wölfe. Vor allem aber ist der Nationalpark ausreichend groß und zusammenhängend, so dass sich die Natur ohne menschliche Eingriffe entwickeln und dem sich verändernden Erdklima anpassen kann.

 

„Deutschlands erster Nationalpark Bayerischer Wald ist mit gut 24.000 Hektar fast fünfmal so groß wie alle jetzt angekündigten Waldschutzgebiete zusammen. Er ist ein echter Regenerationsraum für Tiere und Pflanzen.“

 

Wälder sind im wahrsten Wortsinn „grüne Lungen“, lebensnotwendiges und Sauerstoff produzierendes Erd-Organ – ihnen verdanken wir unsere Luft zum Atmen. Wälder kühlen. Sie speichern Wasser und verdunsten es an heißen Tagen und sind unsere Lebensversicherung für kommende Hitzesommer und Dürrejahre. Und Wälder sind CO2-Senken – im Holz der Bäume ist das klimaschädliche Kohlenstoffdioxid über Jahrzehnte, Jahrhunderte gebunden. Je ausgedehnter, naturbelassener der Wald, desto robuster entwickelt er sich und desto größer ist sein Nutzen für Pflanzen, Tiere und uns Menschen. Zukunft wird aus Mut gemacht. So lautete 2017 unser grüner Slogan zur Bundestagswahl. Naturschutz auch. Die jetzt ausgewiesenen, gut gemeinten Sprengsel aus mehreren Waldschutzgebieten sind eher Kleinmut. Das ist viel zu wenig, um Waldschutz, Waldregeneration und klimagerechten Waldumbau in Bayern wirklich voranzubringen. Die ideologische Hürde war für den bekennenden Nationalparkgegner Söder zu hoch, um Bayern den überfälligen dritten Nationalpark zu bescheren. Die Forstministerin wusste um die Vorbehalte des Ministerpräsidenten gegenüber ausgedehnten Waldschutzgebieten und hat wohl auch deshalb weitere schutzbedürftige Wälder im Ammergebirge, im Spessart und der Rhön, außen vorgelassen.

 

„Je ausgedehnter, naturbelassener der Wald, desto robuster entwickelt er sich und desto größer ist sein Nutzen für Pflanzen, Tiere und uns Menschen.“

 

Es ist das zweite Mal in der Amtszeit von Markus Söder, dass er den Wald für plakative Ankündigungspolitik beim Klima- und Naturschutz missbraucht. 2018 versprach er 30 Millionen Bäume in fünf Jahren neu zu pflanzen – nur fünf Millionen mehr als im selben Zeitraum routinemäßig durch die Bayerischen Staatsforsten gepflanzt würden und damit zu wenig, um dem dramatischen Aderlass an Bayerns Wäldern durch jährlich weit über 100 Hektar Rodungen entgegen zu pflanzen. Jetzt sollen kleine Naturwäldchen die Regenerationsarbeit eines großen Nationalparks verrichten. Es wird nicht gelingen.

Deshalb bleibt unsere zentrale grüne Forderung auf der Agenda: Wir kämpfen weiter für einen dritten Nationalpark in Bayern – gerne auch für einen vierten und fünften Nationalpark. Waldumbau und Waldbewahrung sind Schlüssel zum Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen für kommende Generationen, das habe ich aus meinem Freiwilligen Ökologischen Jahr beim Forstamt in Landsberg am Lech vor zwei Jahrzehnten mitgenommen. Stirbt der Wald, stirbt auch der Mensch.

 

Diesen Beitrag und weitere Artikel zum Thema Wald gibt es im Juli – Magazin der bayerischen Grünen!