13. März 2019

Neuausweisung des Wasserschutzgebiets Thalham-Reisach-Gotzing

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ludwig Hartmann, Benjamin Adjei, Christian Hierneis, Hans Urban, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, vom 12.02.2019, mit den Antworten des Staatsministers für Umwelt und Verbraucherschutz, Thorsten Glauber, vom 13.03.2019 (kursiv dargestellt)

Hiermit fragen wir die Bayerische Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich wie folgt:

1. a.) Wie viele Wasserschutzgebiete in Oberbayern haben Verordnungen, die nicht den aktuellen allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen (Fehlen von Schutzzonen etc.)?
zu 1. a): Die Anzahl der Wasserschutzgebiete in Oberbayern mit Verordnungen, die nicht in jeder Hinsicht den aktuellen allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen, beträgt nach Auskunft der Regierung von Oberbayern rund 320. Davon sind bereits kleinste fachliche Abweichungen erfasst.

1. b.) Wie viele davon sind derzeit im Verfahren einer Neuausweisung?
zu 1. b): Derzeit befinden sich 70 Wasserschutzgebiete im Verfahren einer Neuausweisung.

1. c.) Bis wann will die Staatsregierung Wasserschutzgebiete mit unzureichenden Verordnungen durch aktuelle Verordnungen ersetzen?
zu 1. c): Die Anpassung von Wasserschutzgebieten durch die zuständigen Behörden vor Ort an die allgemein anerkannten Regeln der Technik ist in ganz Bayern ein fortlaufender Prozess. Im Vorfeld eines Verfahrens zur Anpassung oder Neuausweisung von Wasserschutzgebieten müssen oft sehr umfangreiche Untersuchungen zur Ermittlung der Schutzgebietsgeometrie sowie der richtigen Unterteilung in die Zonen I, II und III durchgeführt werden. Hierzu sind im Einzelfall auch neue Grundwassermessstellen mit einem längeren Messintervall erforderlich. Zur Verifizierung der hydrogeologischen Modellansätze werden ergänzend in der Regel auch mathematische Rechenmodelle durch die beauftragten Fachbüros erstellt. Die einzuhaltenden rechtlichen Vorgaben und möglicherweise anschließende Gerichtsverfahren können zu entsprechend langen Verfahrenszeiträumen führen. Mit höchster Priorität werden Verordnungen angepasst, in die ein Beweidungs- und Wirtschaftsdüngerverbot in der engeren Schutzzone aufzunehmen ist. Regelmäßig werden die Verordnungen dann überprüft und bei Bedarf angepasst, wenn die wasserrechtliche Gestattung zur Trinkwasserentnahme neu erteilt werden muss.

2. a.) Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass die bestehenden Wasserschutzgebiete (Verordnung vom 20.03.1964 i.d.V. vom 10.10.1966) in ihrem fachlichen Umfang (Geometrie, Zonierung und Ge- und Verbote) nicht mehr den aktuellen, allgemein anerkannten Regeln der Technik entsprechen?
zu 2. a): Das derzeit gültige Wasserschutzgebiet wurde aufgrund der wissenschaftlichen Kenntnisse und Methoden der sechziger Jahre ermittelt. Festgesetzt wurde 1964 Zone I und II. Sowohl die Geometrie und Zonierung als auch die Ge- und Verbote sind im Hinblick auf die aktuellen, allgemein anerkannten Regeln der Technik durch das zuständige Landratsamt im derzeitigen Verfahren zu prüfen.

2. b.) Ist die Staatsregierung der Auffassung, dass eine Schutzgebietsanpassung an die aktuellen, allgemein anerkannten Regeln der Technik erforderlich ist, um den vorsorgenden Trinkwasserschutz dauerhaft auch für die Zukunft sicherzustellen?
zu 2. b): Im aktuell laufenden Rechtsverfahren wird das durch die zuständige Behörde geprüft. Das Verfahren ist noch nicht abgeschlossen.

3. a.) Handelt es sich beim Verfahren um die Neuausweisung des Wasserschutzgebiets Thalham-Reisach-Gotzing um ein staatliches Verfahren?
zu 3. a): Das Festsetzungsverfahren wird gemäß § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Wasserhaushaltsgesetz (WHG) von Amts wegen durch das Landratsamt Miesbach durchgeführt. Bei derartigen Festsetzungsverfahren handelt das Landratsamt als staatliche Behörde. Hierfür ist kein Antrag durch die „begünstigte Person“ (Stadtwerke München GmbH) notwendig.

3. b.) Wann wurde das Verfahren zur Neuausweisung des Wasserschutzgebietes eingeleitet?
zu 3. b): Das derzeit laufende Verfahren wurde durch das Landratsamt Miesbach im Dezember 2017 mit Versand der Auslegungsunterlagen an die betroffenen Gemeinden eingeleitet.

3. c.) Durch wen wurde das Verfahren zur Neuausweisung des Wasserschutzgebietes eingeleitet?
zu 3. c): Das Verfahren wurde von Amts wegen vom Landratsamt Miesbach eingeleitet.

4. a.) Handelt das Landratsamt Miesbach bei der Neuausweisung des Wasserschutzgebiets Thalham-Reisach-Gotzing in der Funktion als Untere Staatsbehörde bzw. Untere Wasserbehörde?
zu 4. a): Ja.

4. b.) Tritt Landrat Wolfgang Rzehak in dem Verfahren als Leiter der Unteren Wasser-behörde und nicht als politischer Vertreter des Landkreises in Erscheinung?
zu 4. b): Ja.

4. c.) Ist der Freistaat Bayern Träger der Unteren Wasserbehörde und nicht der Landkreis Miesbach?
zu 4. c): Ja.

5. Sieht die Staatsregierung die Gefahr, dass durch die Neuausweisung des Wasserschutzgebiets jegliche Entwicklungsmöglichkeit der landwirtschaftlichen Betriebe im Umgriff des geplanten Wasserschutzgebiets zerstört würden?
zu 5.: Eine Entwicklung der landwirtschaftlichen Betriebe ist auch unter Beachtung der geplanten Schutzgebietsverordnung grundsätzlich möglich. Sollten darüber hinaus Befreiungen von der Schutzgebietsverordnung erforderlich sein, müsste dies im Einzelfall von der zuständigen Behörde, in diesem Fall durch das Landratsamt Miesbach, geprüft werden.
Bei Beschränkungen der ordnungsgemäßen land- und forstwirtschaftlichen Flächennutzung sind die Wasserversorgungsunternehmen gesetzlich zu Ausgleichsleistungen verpflichtet (§ 52 Abs. 5 WHG) in Verbindung mit Art. 32 Satz 1 Nr. 1 des Bayerischen Wassergesetzes (BayWG)). Schutzgebietsbedingte Mehraufwendungen für den Bau und Betrieb land- und forstwirtschaftlicher Betriebsanlagen werden den Betroffenen auf Grundlage des Art. 32 Satz 1 Nr. 1 BayWG erstattet.
Über diese gesetzliche Verpflichtung hinaus bestehen für die Wasserversorger im Einzelfall zudem Möglichkeiten, mit Land- und Forstwirten freiwillige Kooperationsvereinbarungen abzuschließen. Dabei handelt es sich um privatrechtliche Vereinbarungen, die Maßnahmen bei der Land- und Forstbewirtschaftung sowie Ausgleichsleistungen des Wasserversorgers festlegen.

6. a.) Welche Einschränkungen bestünden hinsichtlich der Freilandtierhaltung durch die Neuausweisung des Wasserschutzgebiets?
zu 6. a): Derartige Regelungen ergäben sich aus § 3 Ziffer 6.7 des Entwurfes der Schutzgebietsverordnung: Die Beweidung, Freiland-, Koppel- und Pferchtierhaltung wäre in der engeren Schutzzone IIA verboten, in der engeren Schutzzone IIB dagegen wie auch in der weiteren Schutzzone III zulässig auf Grünland ohne flächige Verletzung der Grasnarbe oder für bestehende Nutzungen, die unmittelbar an vorhandene Stallungen gebunden sind.

6. b.) Wie viele Landwirte wären von dem geplanten Verbot der Freilandtierhaltung der-zeit betroffen oder hinsichtlich einer etwaig geplanten künftigen Freilandtierhaltung betroffen?
c.) In welchem Umfang wären die jeweiligen landwirtschaftlichen Flächen betroffen?
zu 6. b) und c): Die Fragen 6. b) und c) werden gemeinsam beantwortet.
Im Rahmen des Rechtsverfahrens wurden hinsichtlich des Verbotes der Freilandtierhaltung von drei Betrieben Einwendungen vorgebracht. Der Umfang der betroffenen Flächen beträgt insgesamt ca. 37 ha.

7. a.) Werden seitens des Wasserversorgers (SWM) hierfür Ersatz-, bzw. Tauschflächen angeboten?
zu 7. a): Ja.

7. b.) Sieht der Verordnungsentwurf Befreiungsmöglichkeiten für etwaige Verbote, bzw. Beschränkungen, z.B. für die Errichtung baulicher Anlagen, vor?
zu 7. b): § 4 des Entwurfes der Schutzgebietsverordnung sieht grundsätzlich Befreiungsmöglichkeiten vor. Etwaige Anträge zur Befreiung müssen im Einzelfall von dem zuständigen Landratsamt Miesbach geprüft und entschieden werden.
Darüber hinaus sind bei den in der engeren Schutzzone gelegenen Weilern und landwirtschaftlichen Anwesen (Gotzing, Wies, Herrnmühle) aus Gründen des Bestandsschutzes (inkl. Weiterentwicklung) Befreiungen für die Errichtung baulicher Anlagen unter den Maßgaben der weiteren Schutzzone und ggf. weiteren Bedingungen und Auflagen möglich.

7. c.) Sind Befreiungen von den Verboten der Schutzgebietsverordnung bei landwirtschaftlich wichtigen Bauvorhaben denkbar?
zu 7. c): Befreiungen sind grundsätzlich denkbar. Sie müssen im Einzelfall beantragt und seitens des Landratsamts Miesbach geprüft werden. Auf Antwort zu 7. b) wird verwiesen.

8. a.) Ist es richtig, dass das Bayerische Umweltministerium unter Dr. Marcel Huber in einem Schreiben vom 5. Juli 2012 an das Landratsamt Miesbach folgende Rechtsauskunft zur Auslegung bundesrechtlicher Vorschriften erteilt hat: „Soweit es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, Gewässer im Interesse der derzeit bestehen-den oder künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen, können (…) von der örtlichen Kreisverwaltungsbehörde Wasserschutzgebiete durch Rechtsverordnung festgesetzt werden. (…) Unter Beachtung dieser dar-gestellten Grundsätze entspricht vorliegend nur der Erlass einer Schutzgebietsverordnung pflichtgemäßem Ermessen.“?
zu 8. a): Ja.

8. b.) Ist es richtig, dass die Regierung von Oberbayern Landrat Rezhak in einem Schreiben vom 14. April 2014 folgende Weisung erteilt hat: „Auf Bitten des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt und Verbraucherschutz weise ich daher das Landratsamt Miesbach als Staatsbehörde an, das o. g. Ausweisungsverfahren pflichtgemäß, d. h. gemäß den rechtlich vorgesehenen Verfahrensabläufen zügig durch- bzw. weiterzuführen.“?
zu 8. b): Ja.

8. c.) Hält die Staatsregierung und insbesondere der jetzige Umweltminister Thorsten Glauber die Erweiterung des Wasserschutzgebietes nach wie vor für erforderlich?
zu 8. c): Gemäß der Verwaltungsvorschrift zum Vollzug des Wasserrechts (VVWas) sind für alle der öffentlichen Wasserversorgung dienenden Wasserfassungen von Gewinnungsanlagen regelmäßig nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG und Art. 31 Abs. 2 BayWG Wasserschutzgebiete festzusetzen und die erforderlichen Schutzanordnungen zu erlassen. Gleichzeitig sollen gem. § 51 Abs. 2 WHG Trinkwasserschutzgebiete nach Maßgabe der allgemeinen anerkannten Regeln der Technik in Zonen mit verschiedenen Schutzbestimmungen unterteilt werden. Die einschlägigen Regeln der Technik sind das DVGW-Arbeitsblatt W 101 und das in Bayern eingeführte LfU-Merkblatt Nr. 1.2/7. Es ist jetzt die gesetzlich vorgegebene Aufgabe des Landratsamts im Rahmen eines ordentlichen Rechtsverfahrens zu prüfen, in welchem Umfang eine Anpassung notwendig ist.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.