Land. Jung. Queer. Fachgespräch im Bayerischen Landtag
Wer auf dem Land aufwächst und feststellt oder das Gefühl hat, anders zu sein, hat es in der Regel mehr als schwer, in der Umgebung Einrichtungen oder Ansprechpartner*innen zu finden, die beraten, aufklären und helfen. Beratung vor Ort? Oft Fehlanzeige. Queere Jugendgruppen in der Nähe? Gibt es meist nicht. Wer Anschluss und Beratung sucht, fährt mit dem Taschengeld in die nächste größere Stadt – manchmal auch heimlich, wenn die Eltern noch nichts wissen sollen.
Was konkret müsste verbessert werden für queere Jugendliche aus ländlichen Regionen und Kleinstädten, damit sie auch bei sich in der Nähe eine Anlaufstelle haben und Unterstützung finden? Was benötigen die bestehenden Einrichtungen und Vereine dafür? Darum ging’s in unserem Fachgespräch, zu dem Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender und queerpolitischer Sprecher Aktive der queeren Vereine in Bayern in den Landtag geladen hatte. Moderiert wurde die Veranstaltung von Beppo Brem.
Ludwig Hartmann sagte bei seiner Begrüßung, dass die queere Vernetzung außerhalb der Großstädte eines seiner wichtigsten queerpolitischen Anliegen für die anstehende Landtagswahl ist. Wir brauchen in Bayern ein niedrigschwelliges Beratungsangebot für junge Queers. Das haben wir bislang zwar in München, Nürnberg und ein paar anderen Großstädten in unterschiedlicher Qualität. Aber in kleineren Strukturen, im ländlichen Raum gibt es noch viel zu tun. Positiv ist, dass es bei der Lösung dieser Herausforderungen nicht unbedingt um große Geldsummen geht, sagt Ludwig Hartmann. Was es vielmehr braucht, ist der politische Wille.
In dem Fachgespräch sprachen Vertreter*innen von Queerbeet aus Augsburg, Resi e.V. in Regensburg und diversity München über die Arbeit ihrer Vereine und ihre jeweilige Situation. Während queere Einrichtungen in München relativ gut aufgestellt sind, sieht es bereits in anderen bayerischen (Groß-)Städten und erst recht im ländlichen Raum schlecht aus. Die Vereine werden extrem unterschiedlich gefördert. Die, die nicht in Nürnberg oder München sitzen, arbeiten finanziell am Limit mit einem Jahresbudget im unteren vierstellen Bereich, oder darunter.
Die Arbeit, die hier geleistet wird, ist aber gewaltig. Selbst kleinere Vereine bieten Beratung, Freizeitangebote, und auch Aufklärung im Peer-to-peer-Prinzip an. Neben der Aufklärung an den Schulen, bilden die Trans*/Inter*-Beratung sowie die queere Geflüchtetenberatung einige der Schwerpunkte. Gerade mit Blick auf die Arbeit in den Schulen wächst der Zulauf.
Gleichzeitig sind die Einzugsgebiete der Einrichtungen enorm groß. Zum Teil, wie in der Trans*Beratung, wenden sich überregional junge Queers oder deren Eltern an die Vereine. Bei der Beratung setzen neben den Schulen sogar die Erziehungsberatungsstellen der Kinder- und Jugendhilfe auf die Expertise dieser ehrenamtlich geführten Vereine. Geld bekommen diese vom Land aber nicht. Auf eine Anfrage von Ludwig Hartmann teilte die CSU-Regierung mit, dass eine gezielte finanzielle Förderung von Vereinen, Einrichtungen und Organisationen, die sich mit den Themen Beratung und Aufklärung von jugendlichen LGBTIQ*s und deren Angehörigen befassen, „nicht für erforderlich erachtet“ wird. Es gäbe schließlich 180 Erziehungsberatungsstellen in Bayern, an die Jugendliche und Familien sich wenden können. Wie eine von uns gemachte Stichprobe zeigt, halten aber viele dieser Erziehungsberatungsstellen keine speziellen Beratungsangebote für queere Jugendliche vor. Das gilt auch für die auf deren Webseiten verfügbaren Informationen, weshalb bei einer Online-Suche mit entsprechenden Schlagwörtern die Erziehungsberatungsstellen kaum durch die Jugendlichen gefunden werden. Die CSU lebt hier in ihrer eigenen Welt und verkennt die Wirklichkeit der Queer-Beratung in Bayern.
Außerdem haben wir mit den Gästen unseres Fachgesprächs diskutiert, was die Politik hier leisten kann. Für uns Grüne ist dabei klar, dass wir die ehrenamtliche Beratungsarbeit besser fördern und unterstützen wollen, um die notwendige Infrastruktur zu erhalten, bzw. auszubauen. Hierzu gibt es verschiedene Wege. Den Schulen und Berufsschulen sind ausreichend Mittel in die Hand zu geben, um sich Aufklärung ins Klassenzimmer zu holen. Wichtig ist auch, dass in Gegenden, wo sich keine Vereinsstrukturen aufbauen lassen, andere, qualifizierte Ansprechstellen auffindbar sind. Die Erziehungsberatungsstellen müssen hier besser werden. Das gilt auch mit Blick auf die Aus- und Weiterbildung von Lehrkräften und Pädagog*innen. Lehrer*innen, insbesondere Vertrauenslehrer*innen, müssen intensiv sensibilisiert werden, um z.B. bei Themen wie Selbstfindung, Coming-Out und Mobbing entsprechend agieren und reagieren zu können. Wir Grüne werden uns dafür einsetzen, dass ein selbstbestimmtes Leben für jede*n, insbesondere auch für junge queere Menschen, jederzeit und an jedem Ort und ohne Angst oder Scham möglich ist.
Die Grüne Anfrage von Ludwig Hartmann und die Antwort des CSU-Sozialministeriums finden Sie hier zum Download.