5. Juli 2017

Homo- und transfeindliche Straftaten in Bayern

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 24.05.2017 mit den Antworten des Staatssekretärs im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, Gerhard Eck, vom 05.07.2017 (kursiv dargestellt)

Immer wieder kommt es in Bayern zu Straftaten, die aufgrund der sexuellen Orientierung des Opfers verübt werden. Erst kürzlich ereignete sich ein solcher Übergriff im München, bei dem ein Mann schwer verletzt wurde. Laut Auskünften der Bundesregierung stieg die Anzahl der Straftaten gegen Lesben und Schwule 2016 deutlich an. In den ersten drei Quartalen 2016 habe es demnach 205 Straftaten im Bereich „Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung“ gegeben. 113 dieser Straftaten, und damit über die Hälfte, sind allein in Berlin erfasst worden. Laut Expertenkreisen deutet diese extreme Überproportionalität darauf hin, dass in anderen Bundesländern keine angemessene statistische Erfassung homo- und transfeindlicher Straftaten erfolgt. Diese Interpretation wird durch Zahlen aus Baden-Württemberg gestützt. Dort sind für 2015 insgesamt 51 Straftaten mit trans- bzw. homofeindlichem Hintergrund erfasst.

In diesem Kontext frage ich die Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Staatsministerium der Justiz und dem Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wie folgt:
Vorbemerkung:
Zur Beantwortung der Schriftlichen Anfrage erfolgten beim Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) entsprechende Auswertungen, die sich auf Straftaten im Sinne des bundesweit gültigen Definitionssystems „Politisch Motivierte Kriminalität“ fokussierten.
„Straftaten mit homophoben Hintergrund“ werden hierbei über den Themenfeld-Oberbegriff „Hasskriminalität“ und das Unterthema „sexuelle Orientierung“ abgebildet. Sie stehen im entsprechenden Sachzusammenhang zum jeweiligen Ereignis. Zudem müssen in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Straftaten wegen ihrer „sexuellen Orientierung“ gegen eine Person/gegen Personen gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.
Die Rechercheergebnisse basieren auf den KTA-PMK-Meldungen (Kriminaltaktische Anfrage in Fällen Politisch Motivierter Kriminalität) der örtlich zuständigen Staatsschutzdienststellen der Bayerischen Polizei, die im Wege des Kriminalpolizeilichen Meldedienstes in Fällen Politisch Motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) dem BLKA übermittelt worden sind.

1. a) Wie viele Anzeigen im Bereich “Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung“ gingen bei der bayerischen Polizei in den letzten 10 Jahren pro Jahr ein?
zu 1. a): Eine Auswertung der Fallzahlendatenbanken beim BLKA mit den Kriterien „Hasskriminalität/sexuelle Orientierung“ erbrachte für die letzten 10 Jahre folgende Ergebnisse:
2007:  4 politisch motivierte Straftaten
2008:  3 politisch motivierte Straftaten
2009:  15 politisch motivierte Straftaten
2010:  13 politisch motivierte Straftaten
2011:  13 politisch motivierte Straftaten
2012:  13 politisch motivierte Straftaten
2013:  23 politisch motivierte Straftaten
2014:  49 politisch motivierte Straftaten
2015:  32 politisch motivierte Straftaten
2016:  21 politisch motivierte Straftaten

1. b) Um welche mutmaßlichen Straftaten handelte es sich dabei (bitte unter Angabe einer jeweils kurzen, anonymisierten Sachverhaltsdarstellung und unter Aufschlüsselung der jeweiligen Straftatbestände)?
c) In welchen Regierungsbezirken bzw. Zuständigkeitsbereichen welcher Polizeipräsidien waren die Anzeigen jeweils verortet?
zu 1. b) und c): Die Fragen 1.b und 1.c werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Aufgrund der Anzahl der Straftaten wurde die Auflistung als Anlage 1 beigefügt. In dieser Auflistung sind die jeweils zuständigen Polizeipräsidien (PP) mit ausgewiesen.
Anonymisierte Sachverhalte werden in der Fallzahlendatenbank nur bei Gewaltdelikten vorgehalten, insofern können hierzu nur bei den acht nachfolgend dargestellten Straftaten mit dieser Deliktsqualität Aussagen getroffen werden.
PP München, am 01.05.2009, § 223 StGB Körperverletzung (Anlage 1, Nr. 10): Das der homosexuellen Szene zugehörige Opfer fragte den Täter, ob er ihn nach Hause begleitet.
Daraufhin verletzte der Täter das Opfer durch einen Faustschlag auf die Stirn.
PP Mittelfranken, am 20.06.2010, § 224 StGB Gefährliche Körperverletzung (Anlage 1, Nr. 30):
Das Opfer wurde aufgrund seiner sexuellen Orientierung beleidigt. Anschließend schlug der Täter mit seiner Krücke auf das Opfer ein und verletzte es körperlich.
PP Oberbayern Nord, am 18.01.2011, § 224 StGB Gefährliche Körperverletzung (Anlage 1, Nr. 36):
Der Täter beleidigte die Opfer, versuchte mehrfach zuzuschlagen und bedrohte sie mit einem Messer.
PP München, am 15.11.2014, § 224 StGB Gefährliche Körperverletzung (Anlage 1, Nr. 119):
Der Täter bedrohte die Opfer aufgrund ihrer sexuellen Orientierung mit einer Schreckschusswaffe und schoss damit in den Boden. Die Opfer wurden durch aufsteigende Gase körperlich verletzt.
PP München, am 09.05.2015, § 224 StGB Gefährliche Körperverletzung (Anlage 1, Nr. 140):

Der Täter beleidigte die Opfer aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und verletzte sie körperlich.
PP München, am 11.07.2015, § 223 StGB Körperverletzung (Anlage 1, Nr. 148): Der Täter verletzte das Opfer aufgrund seiner sexuellen Orientierung körperlich.
PP München, am 11.07.2015, § 224 StGB Gefährliche Körperverletzung (Anlage 1, Nr. 150):
Der Täter warf im Rahmen des „Christopher-Street-Day“ Gegenstände auf einen teilnehmenden Umzugswagen.
PP Schwaben Süd/West, am 16.01.2016, § 223 StGB Körperverletzung (Anlage 1, Nr. 171):
Die Täterinnen verletzten das Opfer aus fremdenfeindlicher Motivation und wegen ihrer sexuellen Orientierung körperlich und beleidigten es.

2. a) In welchen der in Frage 1 abgefragten Fälle wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und wie war bzw. ist jeweils der Stand des Verfahrens (aufgeschlüsselt nach: Einstellung des Verfahrens unter Angabe des jeweiligen Einstellungsgrundes, Anklageerhebung, Verurteilung, andauernde Ermittlungen)?
b) Wie viele Straftäter wurden wegen dieser Taten zu welchen Strafen verurteilt?
zu 2. a) und b): Die Fragen 2.a und 2.b werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Durch das BLKA wurden zu Frage 1.a insgesamt 186 Fälle recherchiert. Um hier- zu Auskunft über den jeweiligen Ausgang des Ermittlungs- oder Strafverfahrens erteilen sowie – zur ergänzenden Beantwortung der Frage 1.b – anonymisierte Sachverhaltsdarstellungen abfassen zu können, bedürfte es der Ermittlung der korrespondierenden staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichen, der jeweiligen händischen Aktenbeiziehung und der anschließenden Aktenauswertung, da die mit der vorliegenden Schriftlichen Anfrage erbetenen Auskünfte von den betroffenen Staatsanwaltschaften nicht im Rahmen einer bloßen Datenrecherche im jeweiligen Datenbestand abgefragt werden können. Dies ist mit einem vertretbaren Aufwand für die jeweils von der Schriftlichen Anfrage betroffenen Staatsanwaltschaften nicht darstellbar. Darüber hinaus würde dies den jeweiligen Geschäftsbetrieb dieser Staatsanwaltschaften, deren originäre Aufgabe die Strafverfolgung ist, in einem nicht mehr zumutbaren Maße beeinträchtigen.
Zwar gewährt Art. 13 Absatz 2 Satz 1 der Bayerischen Verfassung jedem Abgeordneten das subjektive Recht, sich mit Fragen an die Exekutive zu wenden, nachdem dieses Recht dazu dient, den Mitgliedern des Parlaments die Informationen zu verschaffen, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben, insbesondere zur Mitwirkung an der Gesetzgebung sowie zu einer wirksamen Kontrolle der Regierung und Verwaltung, benötigen (vgl. BayVerfGHE 59, 144 ff. – zitiert nach juris.de – dort Rn. 413-417; BayVerfGH NVwZ-RR 2015, 81 [Rn 34]). Andererseits ist anerkannt, dass der Informationsanspruch von Abgeordneten nicht grenzenlos besteht, sondern begrenzt wird durch das Gewaltenteilungsprinzip, die allen Verfassungsorganen und ihren Gliederungen obliegende Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme, das Staatswohl und Grundrechte Dritter (vgl. BVerfG 2014, 1652ff. – zitiert nach juris.de – dort Rn. 134ff.; VerfGH-NRW, NVwZ-RR 2009, 41 [43], Harks JuS 2014, 979 [981]). Gerade die Verpflichtung zur gegenseitigen Rücksichtnahme, welche letztlich nur Ausfluss des Gewaltenteilungsprinzips ist, führt dazu, dass die – dem Grundsatz nach auf eine umfassende Beantwortung ausgerichtete – Antwortpflicht auf solche Informationen beschränkt ist, die der Staatsregierung vorliegen oder innerhalb der Antwortfrist mit zumutbaren Aufwand beschafft werden können (BayVerfGH 59, 144ff. [Rn. 440]; BayVerfGH BayVBl. 2014, 464ff. [Rn. 76 m.w.N.]).

3. a) Wie viele Personen wurden in den letzten 10 Jahren Opfer von homo- bzw. transfeindlich motivierten Gewalttaten (bitte aufgeschlüsselt nach Jahren angeben)?
b) In welchen Regierungsbezirken bzw. Zuständigkeitsbereichen welcher Polizeipräsidien waren die Gewaltdelikte jeweils verortet?
zu 3. a) und b): Die Fragen 3.a und 3.b werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
In den letzten 10 Jahren sind insgesamt 16 Opfer in den Fallzahlen verzeichnet.
2009:  1 Opfer, Polizeipräsidium München
2010:  1 Opfer, Polizeipräsidium Mittelfranken
2011:  5 Opfer, Polizeipräsidium Oberbayern
2014:  3 Opfer, Polizeipräsidium München
2015:  5 Opfer, Polizeipräsidium München
2016:  1 Opfer, Polizeipräsidium Schwaben Süd/West
Die Anzahl der Opfer wird in den Fallzahlendatenbanken des BLKA nur für den Bereich der Gewaltdelikte ausgewiesen. Die Divergenz zu den unter der Frage 1.b genannten acht Gewaltdelikten erklärt sich dadurch, dass zu einem Delikt mehrere Personen Opfer sein können. Darüber hinaus kann die Anzahl der Opfer nicht mit der Anzahl der Verletzten gleichgesetzt werden, da beispielsweise ein versuchtes Gewaltdelikt beim Opfer nicht zwingend Verletzungen verursacht.

4. a) Wie hoch ist die Aufklärungsquote bei Straftaten im Bereich „Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung“ (insbesondere bei Gewaltdelikten)?
zu 4. a): Die Aufklärungsquote liegt bei diesen Straftaten bei 52,2 %, bei den Gewaltdelikten dieser Straftaten bei 75 %.

4. b) Seit wann setzt die bayerische Polizei die „Richtlinien zum Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Fällen politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK)“ um?
zu 4. b): Am 10.05.2001 hatte die „Ständige Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder“ (IMK) im Rahmen ihrer 167. Sitzung (TOP 10.1) der Einführung eines „Definitionssystems Politisch motivierte Kriminalität (PMK)“ sowie eines darauf basierenden Kriminalpolizeilichen Meldedienstes zugestimmt. Sie hatte angesichts des gemeinsamen Interesses an einer wirksamen und bundesweit abgestimmten Bekämpfung politisch motivierter und insbesondere extremistischer Straftaten die Schaffung bundesweit einheitlicher Kriterien für die Erfassung politisch motivierter Straftaten begrüßt. Die Erfassung nach dem Definitionssystem PMK erfolgte rückwirkend zum 01.01.2001. Der entsprechende Kriminalpolizeiliche Meldedienst in Fällen Politisch motivierter Kriminalität (KPMD-PMK) hat den bis dahin gültigen Kriminalpolizeilichen Meldedienst in Staatsschutzsachen (KPMD-S) abgelöst.
Mit Einführung des Definitionssystems PMK im Jahr 2001 galt es, das tatauslösende politische Element (politische Motivation des Täters/der Täter) in den Mittelpunkt zu stellen und insbesondere die Begriffe – Politisch motivierte Kriminalität (PMK) – Politisch motivierte Gewaltkriminalität – Terrorismus präzise, trennscharf und verbindlich zu definieren.
Das auf der Definition PMK aufbauende System von Begrifflichkeiten ermöglicht seither, das Aufgabengebiet des Polizeilichen Staatsschutzes realistisch und umfassend abzubilden. Dabei können auch Einzelphänomene in ihrer Gesamtheit erfasst werden, ohne jede Straftat und jeden Täter mit dem unterstellten Motiv der Systemüberwindung (Extremismus) belegen zu müssen. Dies ermöglicht eine differenziertere Betrachtung der PMK.
Im Rahmen einer Sonderdienstbesprechung „Kriminalpolizeilicher Staatsschutz“ am 07.02.2001 wurde das Definitionssystem „Politisch motivierte Kriminalität“ von Seiten des BLKA vorgestellt und durch das StMI für Bayern umgesetzt.
In den Jahren 2001 bis 2015 wurde das Definitionssystem PMK durch die von der Kommission Staatsschutz ( KST) beauftragte Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) „Qualitätskontrolle PMK“ fortlaufend modifiziert, den aktuellen Gegebenheiten/Erfordernissen angepasst, im Gremienweg abgestimmt und in Bayern allen Mitarbeitern des Polizeilichen Staatsschutzes entsprechend bekannt gegeben.
Im Zuge der Aufarbeitung der Straftaten der als rechtsterroristisch eingeschätzten Gruppierung „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) hat der durch den Deutschen Bundestag während seiner 17. Wahlperiode eingesetzte 2. Untersuchungsausschuss (NSU-Untersuchungsausschuss – PUA NSU) in seinem Abschlussbericht vom 22.08.2013 u. a. empfohlen, den „Themenfeldkatalog PMK“ unter Hinzuziehung von Expertenwissen aus der Wissenschaft und Zivilgesellschaft grundlegend zu überarbeiten.
Im Nachgang zur weiteren Befassung in verschiedensten Arbeitsgruppen richtete die Kommission Staatsschutz (KST) die Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Kriminalpolizeilicher Meldedienst – Politisch motivierte Kriminalität“ (BLAG KPMD-PMK) ein. Diese befasste sich in der Folgezeit nicht nur mit dem vorstehend genannten Themenfeldkatalog PMK, sondern überprüfte auch das aktuell vorliegende Definitionssystem PMK und dessen Anlagen. Die Auftragserledigung erfolgte unter Berücksichtigung von Expertenwissen aus dem Bereich der Wissenschaft und Zivilgesellschaft, den Erfahrungen und Bedarfslagen der Verfassungsschutzbehörden, den Anregungen des BMI, sowie kriminalpolizeilichen Bewertungen.
Die in Rede stehenden Unterlagen zum KPMD-PMK wurden durch IMK-Beschluss anlässlich ihrer 204. Tagung (TOP 21) abgenommen. Als Umsetzungstermin wurde bundesweit der 01.01.2017 vereinbart.

5. a) Durch welches Vorgehen ermittelt die jeweils zuständige Polizeidienststelle bei Beleidigungs- oder Gewaltdelikten etc., ob es sich um eine Straftat im Bereich „Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung“ handelt?
b) Nach welchen Kriterien entscheidet die jeweils zuständige Polizeidienststelle, ob es sich bei einer Anzeige bzw. Straftat um eine trans- bzw. homophob motivierte Straftat/„Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung” handelt?
c) Wie geht die zuständige Polizeidienststelle bei Verdachtsmomenten in Bezug auf „Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung“ vor?
zu 5. a) bis c): Die Fragen 5.a, 5.b und 5.c werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Durch konsequente Aus- und Fortbildungsmaßnahmen ist sichergestellt, dass die Erstzugriffsbeamten entsprechende Kenntnisse über die Phänomenbereiche der „Politisch Motivierte Kriminalität“ besitzen und diesbezügliche Straftaten entsprechend zuordnen können.
Der Entscheidung, ob es sich bei einer Straftat um eine politisch motivierte Tat aus dem Bereich der „Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung“ handelt, geht in jedem Einzelfall eine Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters voraus. Insbesondere wird geprüft, ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Straftat wegen ihrer „sexuellen Orientierung“ gegen eine Person/gegen Personen gerichtet ist und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht bzw. sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet.
Für den Fall, dass eine Straftat von den Erstzugriffsbeamten der Politisch Motivierten Kriminalität zugeordnet wird, erfolgt die Weiterleitung an die örtlich zuständige Kriminalpolizeidienststelle zur abschließenden Sachbearbeitung.
Somit ist durch die Hinzuziehung kriminalpolizeilichen Fachwissens im Rahmen der Ermittlungen, z. B. durch Beamte des kriminalpolizeilichen Staatsschutzes, eine adäquate Sachbehandlung der von der Fragestellung betroffenen Straftaten gewährleistet.

6. a) Inwiefern werden die bayerischen Polizist*innen im Umgang mit homo- und transfeindlich motivierten Straftaten bzw. „Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung“ explizit geschult?
zu 6. a): Der Themenkreis „homo- und transfeindlich motivierten Straftaten bzw. Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung“ ist allgemein in den Aus- und Fortbildungsplänen der Bayerischen Polizei enthalten. Eine spezielle Schwerpunktsetzung würde jedoch den Blick auf das gesamte Spektrum polizeilicher Aufgaben verengen. Wir verfolgen daher einen ganzheitlichen Ansatz und keine Fokussierung auf einzelne Gewaltphänomene. Gleichwohl konnten im Rahmen der Ausbildung für Polizeivollzugsbeamten der 2. Qualifikationsebene als Referenten zum Themenkreis Angehörige des „Vereins lesbischer und homosexueller Polizeibediensteter in Bayern e. V. (VelsPol)“ gewonnen werden, die anhand eigener Erfahrungen authentisch über das Thema informieren und die Anwärter/innen für die Bedeutung des Themas im polizeilichen Alltag sensibilisieren.
Grundsätzlich gilt, dass sowohl in der Ausbildung der 2. Qualifikationsebene, im Studium der 3. und 4. Qualifikationsebene als auch in der Fortbildung den Beamtinnen und Beamten der Bayerischen Polizei, ausgehend von den Verfassungsgrundsätzen und Grundrechten, der Stellenwert von Achtung und Schutz der Menschenwürde und die Bedeutung der freiheitlich demokratischen Grundordnung vermittelt werden. Dies umfasst neben der rechtlichen Schulung den diskriminierungsfreien Umgang mit Minderheiten und den Schutz Schwächerer in der Gesellschaft. Ziel sind sozial kompetente Polizeibeamte, die den diskriminierenden Charakter von Äußerungen oder Handlungen bereits im unterschwelligen Bereich wahrnehmen und darauf vorurteilsfrei und der Situation angemessen kompetent reagieren können.

6. b) Wie hoch schätzt die bayerische Polizei bzw. die Staatsregierung die generelle Dunkelziffer bei Straftaten mit homo- bzw. transfeindlicher Motivation?
c) Wie hoch ist nach Einschätzungen der bayerischen Polizei bzw. der Staatsregierung die Dunkelziffer bei Straftaten mit homo- bzw. transfeindlicher Motivation, die zwar als Straftaten, aber nicht als „Hasskriminalität aufgrund sexueller Orientierung“ identifiziert werden?
zu 6. b) und c): Hierzu sind weder beim BLKA noch beim Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr belastbare Erkenntnisse vorhanden.

7. a) Welche Maßnahmen unternimmt die Staatsregierung derzeit, um den weiteren Anstieg von Straftaten zu verhindern, die aufgrund der vom Täter vermuteten sexuellen Orientierung des Opfers verübt werden?
b) Sind darüber hinaus seitens der Staatsregierung weitere Schritte geplant?
zu 7. a) und b): Die Fragen 7.a und 7.b werden wegen ihres Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet.
Zur Vorbeugung und Bekämpfung von Jugendgewalt bietet die Aktion Jugendschutz Bayern Fachkräften Beratung, Präventionskonzepte, Materialien und Fortbildungen an.
Die Jugendsozialarbeit an Schulen (JaS) ist Ansprechpartner, wenn Kinder und Jugendliche von Gewalt betroffen sind. JaS leistet insbesondere kontinuierliche Beziehungs- und Unterstützungsarbeit für die jungen Menschen, denen es an Unterstützung und positiver Förderung durch Eltern und Umfeld mangelt.
Zudem fördert der Freistaat mit der Richtlinie zur „Förderung von Maßnahmen der Erziehungshilfe gegen Straffälligkeit und Gewalt“ seit 1996 insbesondere Anti-Aggressionstrainings, Täter-Opfer-Ausgleich und Streetwork.
Der Bayerische Jugendring K.d.ö.R. (BJR), der vom Freistaat mit der Wahrnehmung der Aufgaben des überörtlichen Trägers der öffentlichen Jugendhilfe für den Bereich der Jugendarbeit beauftragt wurde, unterstützt zudem die geschlechter- sensible Jugendarbeit im Rahmen der vorhandenen Ressourcen durch Fachberatungen, Fortbildungen und Vernetzung der relevanten Akteure, vgl. § 85 Abs. 2 SGB VIII, und trägt so mittelbar dazu bei, dass Straftaten, die aufgrund der vom Täter vermuteten sexuellen Orientierung des Opfers verübt werden, möglichst verhindert werden.

7. c) Warum verabschiedet die Staatsregierung – wie vielfach aus Expertenkreisen gefordert – keinen Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit?
zu 7. c): Es bestehen keine Pläne, einen Aktionsplan gegen Homo- und Transfeindlichkeit einzuführen.
Die Bayerische Staatsregierung arbeitet bereits auf allen fachlichen Ebenen Homo- und Transfeindlichkeit entgegen und kümmert sich um die Akzeptanz von Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen. Eine Diskriminierung dieser Bürgerinnen und Bürger ist nicht hinnehmbar. Die Bayerische Staatsregierung setzt sich dafür ein, dass alle Menschen die Möglichkeit haben, ihr Leben selbstbestimmt und unabhängig von vorhandenen Rollenbildern und Erwartungen der Gesellschaft entsprechend ihren individuellen Wünschen zu gestalten.
Die Leitstelle für die Gleichstellung von Frauen und Männern im StMAS ist zuständig für allgemeine Anfragen aus dem Bereich LSBTI (Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle). Sie tritt dafür ein, dass Rollenstereotype und genderspezifische Vorurteile aufgelöst werden. Sie ist auch als Ansprechpartnerin bei der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS) genannt. Die ADS berät auch im Bereich LSBTI und Fragen bei Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung. Sie unterstützt bundesweit auf unabhängige Weise Personen, die Benachteiligungen erfahren haben, die aufgrund ihrer sexuellen Identität erfolgt sind. In Fällen, in denen eine Beratungsstelle in Wohnortnähe gewünscht wird, hat die ADS eine Umkreissuche eingerichtet, anhand derer Betroffene schnell und unbürokratisch Kontakt zu der gewünschten Stelle aufnehmen können. Für Bayern wird auf sieben Beratungsstellen verwiesen:
¥ Koordinierungsstelle für gleichgeschlechtliche Lebensweisen, Landeshauptstadt München
¥ Sub – Schwules Kommunikations- und Kulturzentrum München e. V.
¥ LeTRa Beratungsstelle des Vereins Lesbentelefon e. V.
¥ LSVD Landesverband Bayern e. V.
¥ Der Beauftragte für Diskriminierungsfragen beim Menschenrechtsbüro der
Stadt Nürnberg
¥ Toleranz Fabrik e. V.
¥ VelsPol Bayern e. V.
Im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe kommen die Träger der Jugendhilfe in Bayern ohne Ansehen sexueller Wertvorstellungen oder geschlechtlicher Erscheinungsform dem Förderanspruch infolge des gesetzlichen Grundsatzes, wonach jeder junge Mensch ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung und auf Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit hat (§ 1 Abs. 1 SGB VIII), nach.

8. a) Wie bewertet die Staatsregierung die Ansprechstellen für Opfer homophober Gewalt bei Polizei und/oder Staatsanwaltschaften, die in anderen Bundesländern (z.B. bei der Staatsanwaltschaft in Berlin) zu finden sind?
zu 8. a): Im Hinblick auf die Strukturen zur Opferberatung in anderen Bundesländern kann durch das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr keine Aussage getroffen werden.

8. b) Ist die Einrichtung solcher Ansprechstellen auch für Bayern geplant?
zu 8. b): Die Präventionsansätze und Maßnahmenkonzepte bei der Bayerischen Polizei umfassen alle Bereiche der Gewaltanwendung und dienen sowohl der Prävention von Gewalt als auch der Beratung sowie Unterstützung von entsprechenden Opfern.
Besteht der Verdacht einer Straftat, führt die Polizei unabhängig von Herkunft, Geschlecht und sexueller Neigung der beteiligten Personen die erforderlichen Maßnahmen zur Aufklärung des Sachverhalts durch. Des Weiteren werden nach Prüfung des Einzelfalles alle zum Schutz des Opfers erforderlichen Maßnahmen eingeleitet.
Gleichzeitig stehen bei allen Polizeipräsidien in Bayern die sog. „Beauftragten der Polizei für Kriminalitätsopfer“ (BPfK) als Ansprechpartnerinnen für (potentielle) Gewaltopfer und damit auch allen transsexuell/homosexuell orientierten Personen zur Verfügung. Eine wesentliche Aufgabe der BPfK ist insbesondere, unter Beachtung des Legalitätsprinzips, die Information und Unterstützung von Opfern nach sexueller, körperlicher, aber auch seelischer Gewalt und damit die weitere Verhinderung von (Gewalt-)Straftaten.
Sowohl in der Ausbildung zur 2., 3. und 4. Qualifikationsebene als auch in der Fortbildung werden den Polizeibeamtinnen und -beamten ausgehend von den Verfassungsgrundsätzen und Grundrechten, der Stellenwert von Achtung und Schutz der Menschenwürde und die Bedeutung der freiheitlich demokratischen Grundordnung vermittelt. Dies umfasst selbstverständlich auch den diskriminierungsfreien Umgang mit Minderheiten und den Schutz Schwächerer in der Gesellschaft. Ziel ist es, jede Polizeibeamtin und jeden Polizeibeamten hierfür zu sensibilisieren.
Vor diesem Hintergrund sowie zur Vermeidung einer Stigmatisierung einer bestimmten Personengruppe ist die Einrichtung einer speziellen Ansprechstelle für Opfer homophober Gewalt bei der Bayerischen Polizei nicht vorgesehen.

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Anbei habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.