Perspektivenplan für Bayern: Mit Umsicht, Nachvollziehbarkeit und Transparenz zurück zu einem Leben ohne Freiheits- und Grundrechtseinschränkungen
Antwort auf die Regierungserklärung des Ministerpräsidenten Markus Söder zu den aktuellen Corona-Beschlüssen der Ministerpräsidentenkonferenz:
Redebeitrag von Ludwig Hartmann am 12.0 Februar 2021 im Wortlaut:
Wir sind jetzt mitten im Winter und die Infektionszahlen gehen seit Wochen zurück. Die 7-Tages-Inzidenz ist in Bayern auf 63 gefallen und bewegt sich auf die 50 zu. In der bayerischen Millionen-Stadt München, in welcher der Inzidenzwert kurz vor Weihnachten noch bei 300 lag, liegt er heute dank der Corona-Schutzmaßnahmen bereits unter 50.
Die Einschränkungen, die wir auf uns genommen haben, haben ihre Wirkung nicht verfehlt! Das ist eine gute Nachricht! Darüber dürfen und sollen wir uns freuen. Denn die Freude über das, was wir gemeinsam erreicht haben, gibt uns die Kraft durchzuhalten und unseren Erfolg jetzt nicht leichtfertig zu verspielen.
Das Ziel ist klar: Wir wollen möglichst schnell zurück zu einem Leben ohne Freiheits- und Grundrechtseinschränkungen, ohne dem Schatten der Pandemie über uns.
Aber: Ein Ziel ohne Plan ist nur ein Wunsch. Von politischer Führung erwarten die Menschen zu Recht mehr.
„Das Ziel ist klar: Wir wollen möglichst schnell zurück zu einem Leben ohne Freiheits- und Grundrechtseinschränkungen, ohne dem Schatten der Pandemie über uns.“
– Ludwig Hartmann
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident,
Sie sagen es selbst: „Zumachen erfordert Mut, Öffnen erfordert Klugheit!“
Der Mut zuzumachen allein reicht aber nicht: Es braucht in einer Krise nicht nur Umsicht, es gehört auch Weitsicht dazu. Es gehört eine Strategie dazu, die sich nicht darauf beschränkt, unser Leben „schock zu frosten“.
Aber diese Strategie vermisse ich bei Ihnen seit Monaten. Und mit mir ein Großteil unserer Bürger*innen, die sich einen Perspektivenplan wünschen. Besonders die unter 30jährigen, die aktuell stark unter den Einschränkungen leiden und die sagen: Das würde sie motivieren. Das würde ihnen die nötige Kraft geben, sich an die Maßnahmen zu halten. Maßnahmen, die ihnen gerade Jahre ihrer Jugend nehmen, Erfahrungen nehmen, die sie nie nachholen können. Wir brauchen
– Einen Perspektivenplan, bei dem Lockerungen und Verschärfungen an Zahlen und Fakten geknüpft sind.
– Einen Plan, der motiviert, sich an die Regeln zu halten, weil die Öffnungsperspektiven klar und transparent sind.
– Einen Plan, der – wie es dem Wesen unserer Demokratie gerecht wird – klare, nachvollziehbare Kriterien und Regeln vorgibt, nach denen entschieden wird.
– Einen Plan, der vorab diskutiert und demokratisch verabschiedet wird. Denn all die Entscheidungen sind immer auch politische Entscheidungen. „Wer darf was zuerst? Wer muss die härtesten Einschränkungen hinnehmen?“ Das war nie eine reine Frage des Infektionsschutzes und ist es auch heute nicht.
Sie, Herr Söder, wehren sich jetzt schon wochenlang gegen einen solchen Stufenplan. Andere Bundesländer haben dagegen bereits Perspektiven erarbeitet und schon vor ein paar Wochen vorgelegt. Das zeigt doch nur eines: Sie und Ihre Regierung haben sich nicht darauf vorbereitet, wie Sie diese schwierige, aber auch zugleich hoffnungsvolle Phase für die Menschen angehen könnten. Sie wissen schlicht nicht, wie Sie diese Phase der sinkenden Infektionszahlen durch schrittweise Lockerungen der Einschränkungen meistern sollen.
– OHNE dass wir in paar Wochen in den nächsten Lockdown schlittern,
– OHNE dass Sie wieder nur auf diejenigen hören, die die größte Lobby haben oder von Natur aus am lautesten schreien – wie Ihr Vize Aiwanger.
Herr Ministerpräsident, Sie haben es nach der MPK gesagt: Schließen ist einfacher als Lockern. Da gebe ich Ihnen recht, aber das entlässt Sie nicht aus der Verantwortung einen Stufenplan vorzulegen. Das muss gute Politik leisten, erst recht nach 12 Monaten Pandemie. Das sind Sie schuldig geblieben. Sie pfuschen und stolpern munter weiter ohne Strategie. Das bringt uns kein Stück weiter!
Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ein Perspektivenplan heißt nicht: „so, jetzt machen wir alles ganz schnell auf“. Auch ein Perspektivenplan ist vom Prinzip der Verantwortung und Umsicht geleitet, aber eben auch vom Prinzip der Nachvollziehbarkeit und Transparenz. Und das ist der Unterschied zu Ihrer Politik, Herr Ministerpräsident. Ein solcher Plan zeigt mögliche Lockerungen transparent und nachvollziehbar auf. Er schützt vor unerfüllbaren Versprechen und sorgt dafür, dass die Menschen in Bayern eine Perspektive bekommen und nicht nur bang auf Ihre Verkündungen nach der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz warten dürfen.
Das sind Sie den Menschen schuldig! Und das bringt auch den Motivationsschub für die nächsten Wochen und Monate. Und nicht irgendwelche Karotten, die uns vor die Nase gehalten werden. Solo-Selbständige, Kulturschaffende, Alleinerziehende, Freiberufler*innen, Eltern, Lehrer*innen, Hotelbetreiber*innen, Jugendliche – sie alle warten nicht auf Belohnungen, sie erwarten ein Stück Planungssicherheit. Und das zu Recht.
„Ein Stufenplan schützt vor unerfüllbaren Versprechen und sorgt dafür, dass die Menschen in Bayern eine Perspektive bekommen und nicht nur bang auf Ihre Verkündungen nach der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz warten dürfen.“
– Ludwig Hartmann
Die Pandemie-Müdigkeit, die sich breit macht, hilft uns allen nicht weiter. Doch Sie, Herr Söder verbreiten diese Müdigkeit noch durch enttäuschte Erwartungen und gebrochene Versprechen. Wer im Herbst vorgaukelt, „Weihnachten wird Vieles möglich sein“, danach „im Januar wird’s besser“, und dann davon spricht, „vielleicht wird’s Ostern besser“, dem glauben die Menschen nicht mehr. Pandemie-Müdigkeit ist ebenso gefährlich wie der Virus selbst, denn sie führt dazu, dass die Schutzmaßnahmen nicht mehr eingehalten werden. Ein Perspektivenplan, wie wir ihn fordern, ist die Motivationsspritze, die wir alle jetzt dringend brauchen!
Ein Perspektivenplan, der neben landesweiten Inzidenzwerten auch Landkreisinzidenzwerte als Leitplanke hat. Da das Infektionsgeschehen sich regional stark unterscheiden kann, muss auch regional unterschiedlich darauf reagiert werden. Warum sollen Kinder in Eichstätt bei einem stabilen Inzidenzwert von unter 30 nicht in die Schule dürfen, weil Tirschenreuth ein Corona-Hotspot ist?
Gerade im Bereich Bildung und Kinderbetreuung sind Sie nun ja unseren Vorschlägen gefolgt. Gut, dass Sie nun zumindest im ersten Schritt unsere Forderungen zur Grundschulöffnung nach Landkreisinzidenzen aufgegriffen haben.
In der großen Linie, wo jetzt in welchem Maße Lockerungen möglich sind, da sind wir nicht weit auseinander. Aber beim Anspruch an die Umsetzung, da liegen Welten zwischen uns. Denn da fehlt Ihnen leider der Plan.
Da stellen Sie sich Herr Ministerpräsident allen Ernstes vor zwei Tagen hin und sagen: „Gerade um die Grundschulen muss man sich kümmern, aber das geht nicht so ruckzuck. Da braucht es ein Maskenkonzept, vernünftige Testkonzepte für Lehrkräfte.“ Natürlich braucht es das. Das bestreitet doch seit fast einem Jahr niemand mehr.
Da kann ich nur sagen: Ich weiß nicht, was Sie letzten Sommer getan haben?
Sie haben also heute immer noch kein funktionierendes Testkonzept für die Schüler und Lehrer erarbeitet? Es macht einen echt sprachlos, wie Sie und Ihre Regierung bei der Vorbereitung für die schrittweise Öffnung der Schulen so viel Zeit verschenkt haben.
Wir wollen nicht nur, dass die Kinder in den Kindergarten und in den Präsenzunterricht zurückkehren können, wir wollen, dass sie auch dortbleiben können! Dafür braucht es ein Konzept, das länger trägt.
Daher: Setzen Sie massiv Pool-Tests in den Kitas und Schulen ein, um das Infektionsgeschehen genau zu beobachten. Pool-Tests bieten sich bei Klassen und Kita-Gruppen perfekt an. Die ganze Klasse gibt einen Test ab. Wenn der Pool-Test positiv ist, erst dann werden alle Schülerproben einzeln getestet. Das spart Ressourcen, ist günstiger und geht schneller. Die PCR-Testkapazitäten sind aktuell nur zu 50 % ausgelastet. Das gibt uns die Möglichkeiten in Bayern eine verlässliche Teststrategie an unseren Kitas und Bildungseinrichtungen umzusetzen.
Also bitte tun Sie es – jetzt! Und bitte machen Sie es diesmal vernünftig und nicht so einen Pfusch wie bei den Testungen der Urlauber im Sommer. Und wenn Sie dazu die Faschingsferien brauchen, um das umzusetzen, dann nutzen Sie doch die Zeit und lassen Sie die Schüler*innen einmal durchschnaufen, die jetzt ohnehin doch nicht wie versprochen in die Schule dürfen.
„Wir wollen nicht nur, dass die Kinder in den Kindergarten und in den Präsenzunterricht zurückkehren können, wir wollen, dass sie auch dortbleiben können! Dafür braucht es ein Konzept, das länger trägt.“
– Ludwig Hartmann
Und was für die Schulen und die Kitas gilt, gilt natürlich auch für die Pflege- und Altenheime. Überall, wo Tests helfen, müssen sie kostenlos zur Verfügung stehen. Denn hier geht es um Leben und Tod. Insbesondere die Schnelltests werden bisher viel zu wenig genutzt. Ein 48 Stunden alter PCR-Test bringt wenig Sicherheit, wenn ein Besucher in der Zwischenzeit mehrere Kontakte hatte.
Und bitte, bringen Sie endlich Ihre die Gesundheitsämter auf Vordermann! Die Kontaktverfolgung muss besser werden, erst recht, wenn der Virus durch Mutationen noch ansteckender wird.
Weitsicht, Klugheit und Zuversicht. Damit meistern wir Krisen. Ihre Politik weist hier viele Lücken auf – Lücken, die Sie jetzt schließen müssen.
Wir haben alle zusammen das Infektionsgeschehen in den letzten Wochen durch massive persönliche Einschränkungen gedrückt. Ja, wir sind noch nicht da, wo wir hinmüssen. Aber die Infektionskurve bewegt sich deutlich in die richtige Richtung. Um zu erreichen, dass alle motiviert dabei bleiben, geht es jetzt darum, eine gemeinsame Perspektive, mit klaren, erreichbaren Zwischenzielen zu haben.
Also: Machen Sie jetzt Ihre Arbeit und drücken sich nicht weiter davor. Legen Sie uns und den bayerischen Bürger*innen vor der nächsten MPK hier im Landtag einen weitsichtigen und klugen Stufenplan vor, den wir hier diskutieren. Geben Sie allen damit die Zuversicht, die es braucht, um diese Krise weiter zu meistern!