8. Februar 2019

Volksbegehren Artenvielfalt: Damit Bayerns Artenvielfalt nicht den Bach runter geht

Gewässerrandstreifen als wichtige Puffer gegen Eintrag von Düngern, Pestiziden und Bodenmaterial

Gewässerrandstreifen sind in Deutschland gesetzlich gefordert – am weitestgehenden in Baden-Württemberg. Nur Bayern besteht auf einer Ausnahmeregelung und setzt in der Landwirtschaft auf Freiwilligkeit. Mit geringem Erfolg, wie eine Studie des LBV (Landesbunds für Vogelschutz) zeigt. Der Gesetzentwurf des „Volksbegehrens Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“ fordert eine fünf Meter breite Pufferzone an den Ufern. Sie bildet im Naturschutzkonzept des Volksbegehrens das Rückgrat eines künftigen Biotopverbunds in Bayern, stellt einen günstigen Beitrag zum Hochwasserschutz dar und sichert Wasserqualität und Artenvielfalt. Auch grundsätzliche Förderperspektiven für Landwirte bleiben erhalten.

Der Eisvogel benötigt einen Ansitz zur Jagd und klares Wasser, in dem er seine Beute ausmacht. Gewässer mit intakten Uferrandstreifen bieten dem kleinen Fischer beides. Weil solche Lebensräume selten geworden sind, ist der Eisvogel in Bayern bedroht. Uferrandstreifen bilden aber nicht nur ein natürliches Habitat für Fisch- und Kaulquappenjäger. Die wichtigste Aufgabe der fünf Meter breiten Streifen ist ihre Pufferfunktion. „Der Randstreifen soll verhindern, dass schädliche Einträge aus der Landwirtschaft wie Gülle und Pestizide in die Gewässer gelangen. Weniger Dünger und weniger eingeschwemmter Boden bedeutet mehr Lebensvielfalt – in Seen, Flüssen und letztlich auch in den Meeren“, so Agnes Becker, die Beauftragte des Volksbegehrens und stellvertretende Vorsitzende der ÖDP Bayern.

Das Gesetzesvorhaben des Volksbegehrens untersagt die ackerbauliche oder gartenbauliche Nutzung des Uferrandstreifens in einer Breite von fünf Metern zum Gewässerrand. Die positive Wirkung solcher Maßnahmen erkennt auch die bayerische Staatsregierung an. Sie fördert daher mit Steuergeld die freiwillige Selbstverpflichtung der Landwirte. Bislang mit wenig Erfolg. Im Rahmen des LBV-Projektes „Lebendige Bäche in Bayern“ wurden in verschiedenen Kommunen des Freistaats komplett alle Gewässer kartiert und dabei auch der Zustand der Gewässerstreifen. Laut dieser LBV-Studie aus dem Jahr 2017 zeigt das Prinzip der Freiwilligkeit für das Anlegen von Gewässerrandstreifen geringe Wirkung. Bei einer stichprobenartigen Erfassung von 80 Kilometern im Offenland kartierter Bachstrecke, wiesen nur etwas mehr als 14 Prozent einen beidseitigen Uferrandstreifen auf – nur ein Viertel davon einen einseitigen.

Dabei sind die finanziellen Anreize für die Anlage von Uferrandstreifen hoch. Für die Pufferzonen erhalten Landwirte und Anrainer einen finanziellen Ausgleich aus gleich mehreren Teilprogrammen des Kulturlandschaftsprogramms (KULAP). „Trotzdem stellen wir fest, dass die Freiwilligkeit nicht zum gewünschten Ziel führt. Da müssen wir gesetzlich nachjustieren“, erläutert Dr. Norbert Schäffer, und der LBV-Vorsitzende setzt fort: „Die bayernweite Anlage von Gewässerrandstreifen ist ökologisch zwingend geboten, wenn wir die Artenvielfalt und Wasserqualität in Bayern für zukünftige Generationen erhalten wollen.“

Dazu ist Bayern im Verzug bei wichtigen Maßgaben der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Bis spätestens 2015 waren der Richtlinie zufolge alle Oberflächengewässer im Freistaat in einen „guten ökologischen“ und „guten chemischen Zustand“ zu bringen. Verschlechterungen sind seither nicht mehr zugelassen. Bayern erfüllt diese Anforderungen nicht (Stand 2018). „Der Eintrag von Nitraten, Pestiziden und Schlamm in unseren Bächen und Flüssen muss gestoppt werden. Denn er schädigt die Artenvielfalt unter der Wasseroberfläche und führt auch zu wirtschaftlichen Schäden bei Fischern“, betont Richard Mergner, Vorsitzender des BUND Naturschutz in Bayern.

Das Naturschutzgesetz des Volksbegehrens erlaubt auch in Zukunft die Beweidung und Mahd von Gewässerrandstreifen. Von dem Gesetzentwurf unbetroffen bleiben auch Be- und Entwässerungsgräben. Gemeinden können die Uferrandstreifen ihrem Ökokonto zuschreiben und dadurch Bebauungsvorhaben flexibler gestalten. Landwirte können ihre Randstreifen in den vom Volksbegehren Artenvielfalt geplanten Biotop-Verbund einbringen und dadurch neue Fördermöglichkeiten erschließen. „Für einen erfolgreichen und nachhaltigen Naturschutz brauchen wir unsere Bäuerinnen und Bauern. Unser Gesetzesentwurf macht es ausdrücklich möglich, die Landwirtschaft als Partner beim Erhalt der Artenvielfalt mitzunehmen“, so Ludwig Hartmann, Fraktionsvorsitzender Bündnis 90/Die Grünen im Bayerischen Landtag.

Die Randstreifen vernetzen außerdem Biotope und bereichern das Landschaftsbild. Mit ihrem standorttypischen Bewuchs – etwa Weidengrünland, blühenden Hochstauden, Gehölzen oder Röhrichten – sind sie wichtige Lebens- und Rückzugsräume für viele heimische Pflanzen- und Tierarten wie eben dem Eisvogel, der Blauflügel-Prachtlibelle oder der Bachmuschel. Und im Vergleich zu Staumauern, Deichbauten oder Rückhaltebecken leisten sie auch noch einen kostengünstigen Beitrag zu einem naturnahen Hochwasserschutz, da sie den schnellen Wasserabfluss und die Erosion des Bodens verhindern.

Sauberes Wasser ist ein Grundbedürfnis des Menschen. Die Gewährleistung der Wasserqualität ist damit ein wichtiges Element der Daseinsvorsorge. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie schreibt aus diesem Grund seit dem Jahr 2000 konkrete Umweltziele für den gesamten Raum der Europäischen Union vor. Diese werden in Deutschland beinahe flächendeckend verfehlt. Wegen der hohen Dringlichkeit hat Baden-Württemberg als erstes Bundesland jetzt sogar sein Wassergesetz angepasst: Es schreibt seit dem 1. Januar 2019 Uferrandstreifen in der Breite vor wie sie auch vom Volksbegehren Artenvielfalt – Rettet die Bienen! für ein neues Naturschutzgesetz in Bayern gefordert werden.