28. November 2013

Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge – Fragwürdige Methoden der Altersfeststellung unterbinden!

Unser Antrag vom 28.11.2013

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, die wissenschaftlich umstrittene und ethisch fragwürdige radiologische Methode zur „Altersfeststellung“ minderjähriger Flüchtlinge in Zukunft generell zu untersagen.
Die Staatsregierung wird beauftragt, ein alternatives Verfahren zur Altersbegutachtung unbegleiteter jugendlicher Flüchtlinge in Bayern zu entwickeln, welches den aktuellen medizinischen Standards entspricht und ohne Zwangsuntersuchungen auskommt. Die Abschätzung des Alters und Hilfebedarfs sollte dabei zunächst standardmäßig in den Clearingstellen der Jugendhilfe für minderjährige Flüchtlinge erfolgen. Bei nicht ausräumbaren, erheblichen Zweifeln an den Altersangaben der Betroffenen wird von den Trägern der Jugendhilfe ein familienrechtliches Verfahren zur Klärung der Altersfeststellung eingeleitet.

Begründung:
In strittigen Fällen wird in Bayern immer noch regelmäßig auf die Methode der Handwurzelröntgenuntersuchung zur Altersfeststellung minderjähriger Asylsuchender zurückgegriffen. Die jugendlichen Flüchtlinge werden dabei häufig einer Zwangsuntersuchung unterworfen. Eine wissenschaftlich exakte Altersfeststellung ist durch die röntgenologische Untersuchung laut Auskunft des Instituts für Rechtsmedizin der LMU München nicht möglich. Beim festgestellten Alter sind Abweichungen von mehr als einem Jahr denkbar. Die Röntgenuntersuchung entspricht nicht den gängigen medizinischen Standards für eine Altersbestimmung. Gelegentlich werden weitere Verfahren mit noch deutlich höherer Strahlenbelastung eingesetzt (Panoramaaufnahme des Gebisses, Computertomografie der Schlüsselbeine).
Das Zwangsröntgen setzt Minderjährige einer unnötigen Strahlenbelastung aus, verstößt gegen die ärztliche Ethik und die Röntgenverordnung sowie die UN-Kinderrechtskonvention. Da das Ergebnis der Untersuchung aufgrund der hohen biologischen Schwankungsbreite sehr ungenau ist, für die Betroffenen aber weitreichende rechtliche Konsequenzen hat, sollte zukünftig ganz auf diese umstrittene Methode verzichtet werden.
Zukünftig sollte die Altersbegutachtung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zunächst in den Clearingstellen der Jugendhilfe erfolgen. Fehlen geeignete Dokumente, wird die Abschätzung des Alters von pädagogischen Fachkräften in Gesprächen mit den jugendlichen Flüchtlingen im Rahmen des mehrwöchigen Clearingverfahrens vorgenommen. Im Zweifel sollte möglichst zugunsten des betroffenen Flüchtlings entschieden werden.
Sollten sich erhebliche Zweifel an den Altersangaben des mutmaßlichen Jugendlichen trotzdem nicht ausräumen lassen, wird von den Trägern der Jugendhilfe zur Klärung der Altersfeststellung ein familienrechtliches Verfahren gemäß § 50 SGB VIII eingeleitet. Dem Gericht obliegt dann die Entscheidungsfindung unter Hinzuziehung unabhängiger Experten und Expertinnen. Eine lediglich polizeiliche Anordnung zur Altersfeststellung ist zukünftig nicht mehr zulässig. Notwendige Untersuchungen im Rahmen der Altersfeststellung sollten wissenschaftlich fundiert sein, altersgerecht ablaufen und die Würde des betroffenen Menschen achten. Ein Risiko für die körperliche und seelische Unversehrtheit des Betroffenen muss dabei ausgeschlossen sein. Auf radiologische Verfahren darf ohne medizinische Indikation generell nicht zurückgegriffen werden.
Das Landgericht Traustein hat in seinem Beschluss vom 17. Oktober 2013 auch grundsätzliche rechtliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Röntgenmethode zur Altersfeststellung formuliert. Nach Auffassung des Gerichts ist es grundsätzlich zweifelhaft, ob die Röntgenuntersuchung zu den zulässigen Maßnahmen der Identitätsfeststellung nach § 49 Abs. 3 und 6 Aufenthaltsgesetz gehört. Ist eine präzise Feststellung des Alters nicht möglich, muss im Zweifel zugunsten des Betroffenen entschieden werden.
Eine stichprobenartige Untersuchung der Inneren Mission in München hat ergeben, dass von 100 neu angekommenen jungen Flüchtlingen 29 entgegen ihrer eigenen Angaben für volljährig erklärt wurden. Nach Einschätzung der Experten der Inneren Mission waren in 20 Fällen die Angaben der Betroffenen eindeutig richtig. In den anderen Fällen waren sie zumindest plausibel bis möglich. In keinem Fall wurden die Altersangaben der Betroffenen als eindeutig falsch eingestuft. Auch nach ärztlicher Einschätzung waren alle Betroffenen minderjährig.

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Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Antrags im Bayerischen Landtag.

Wie Sie den Unterlagen unter dem oben stehenden Link entnehmen können, wurde unser Antrag in der Plenarsitzung am 26.03.2014 leider durch die Stimmen der CSU und der Freien Wähler abgelehnt.