25. Oktober 2011

Temelin-Ausbau nicht kampflos hinnehmen – faire Beteiligung bayerischer Bürgerinnen und Bürger ermöglichen

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die Pläne der tschechischen Regierung zum Ausbau der Atomkraft sorgen in Bayern mehr als zu Recht für Ängste und Unmut. Aus dem Rückblick auf die letzten Jahre ist hinreichend bekannt, dass es in Temelin in den Blöcken 1 und 2 zu einer ganzen Serie von Pannen gekommen ist. Jetzt treibt die tschechische Regierung die Ausbaupläne für die Blöcke 3 und 4 voran. In den letzten Wochen – das ist sicherlich bei einigen angekommen – hat die tschechische Regierung ihr Energiekonzept vorgestellt, welches man kurz so zusammenfassen kann:
Tschechien soll zum mitteleuropäischen Atomstromzentrum ausgebaut werden.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich glaube, wir alle in diesem Hohen Haus sind uns darin einig, dass wir bei der Energiewende in Bayern keinen Atomstrom aus Tschechien brauchen. Zumindest waren wir uns darin gestern in der Energiekommission fraktionsübergreifend einig.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Atomstromimport der letzten zehn Jahre aus Tschechien ist Gott sei Dank immer weiter zurückgegangen. Das hat vor allem damit zu tun, dass wir in Bayern, aber auch im gesamten Bundesgebiet die erneuerbaren Energien massiv ausgebaut haben und dass diese weiterhin Vorrang genießen. Der Atomstromimport aus Tschechien ist also rückläufig. Wenn wir ihn für die Zukunft so weit wie möglich ausschließen wollen, müssten wir etwas dafür tun, dass die tschechische Regierung nicht mehr massiv auf Atomstrom setzt.
Unser aktuell vorliegender Antrag betrifft das Genehmigungsverfahren für die Blöcke 3 und 4. Dabei geht es um das Verfahren zur Umweltverträglichkeitsprüfung – UVP. Vor und nach den Sommerferien letzten Jahres wurden die Unterlagen ausgelegt. Sie haben es sicher auch den Medien entnommen. Über 3.000 Bürgerinnen und Bürger aus Bayern haben sich mit dem Thema befasst und Einwände erhoben. Jetzt sollte zumindest für diese Einwender ein Erörterungstermin in Bayern stattfinden und in deutscher Sprache abgehalten werden. Den Bürgerinnen und Bürgern muss es ermöglicht werden, an diesem Verfahren teilzunehmen. Nach jetzt vorliegenden Informationen sollen an einem bis heute noch nicht feststehenden Termin in Budweis die Einwände begründet werden. Dies würde bedeuten, dass die Bürgerinnen und Bürger aus Bayern einen Tag vorher nach Budweis anreisen und dort übernachten müssen, dann einen Tag dort sein werden und am nächsten Tag wieder zurückfahren müssen. So kann es nicht sein. Bei über 3.000 Einwendern kann man zumindest erwarten, dass dieser Termin in Bayern stattfindet.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Dass wir mit unseren Vermutungen nicht ganz so verkehrt liegen, beweisen zumindest die Äußerungen von Umweltminister Söder gegenüber den Medien. Er hat gegenüber den Medien immer wieder geäußert, dass er sich für einen Termin in Bayern einsetzen möchte. Minister Söder ist gerade leider nicht anwesend. So stark war sein Einsatz wohl doch nicht, denn bis jetzt war er auf alle Fälle erfolglos. Wir möchten mit unserem Antrag dem Einsatz des Ministers und den Forderungen seitens der Staatsregierung massiv Nachdruck verleihen.
Ein weiterer Punkt, den wir auch nicht ausklammern sollten: Das UVP-Verfahren wird nach einem UVP-Gesetz durchgeführt, welches der Europäische Gerichtshof längst für rechtswidrig erklärt hat. Nach dem neuen, EU-konformen UVP-Recht möchte die tschechische Regierung das Verfahren nicht durchführen, sondern beim alten Recht bleiben. Wir sollten aber bei einem solchen Verfahren auf die Einhaltung internationaler Standards drängen. Das muss die Staatsregierung dieser Tage tun. Zum Abschluss möchte ich ganz kurz einen energiepolitischen Aspekt zur Sprache bringen. Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass der Atomstromausbau für die tschechische Regierung eines Tages in einem finanziellen Desaster enden wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir in diesem Haus sind uns darin einig, dass wir eine Energiewende ohne Atomstrom möchten. Wir alle kennen die Problematik; wir brauchen flexible Kraftwerke, um Schwankungen ausgleichen zu können. Das werden sicher keine tschechischen Atomkraftwerke sein, die nur Grundlaststrom anbieten werden. Wenn Tschechien den Atomstrom massiv auf den europäischen Markt drücken möchte, muss es seine Kernkraftwerke im Lastfolgebetrieb fahren lassen.
Uns ist aber hinreichend bekannt, dass der Lastfolgebetrieb öfter zu Problemen und Störfällen bei Atomkraftwerken geführt hat. Die Politik Tschechiens macht die Kernkraftwerke noch unsicherer, als sie es jetzt schon sind. Auch dagegen sollten wir uns heute aussprechen, und deshalb bitte ich um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(…)

Meine Zwischenbemerkung auf die Äußerungen von Herrn Kollegen Thalhammer (FDP):

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Ich möchte auf folgende Punkte eingehen: Sie haben, wenn ich Sie richtig verstanden habe, zum einen die Angst vor deutschen Ausstieg angesprochen, davor, dass es sozusagen zu einem Strommangel kommen kann. Ich möchte Sie daran erinnern, dass Deutschland im ersten Halbjahr 2011, als acht Kernkraftwerke vom Netz gegangen sind und mehrere Kernkraftwerke wegen des Wechsels von Brennelementen nicht am Netz waren, insgesamt vier Terawattstunden mehr Strom ins Ausland verkauft hat, als es vom Ausland bezogen hat. Was den europäischen Stromhandel angeht, wollen Sie uns doch nicht auffordern, EU-Recht zu brechen. Den europäischen Stromhandel können wir in der Form nicht einschränken. Sie reden von einer guten Partnerschaft mit Tschechien, die wünschenswert ist. Wir können aber einen guten Partner beraten, den gleichen Weg zu gehen wie wir. Eine Staatsregierung, die bis vor ein paar Monaten massiv auf die Kernkraft gesetzt, dann aber die Erleuchtung bekommen hat, umzudenken, kann diesen Partner beraten, den falschen Weg nicht weiterzugehen und auch die Wende einzuleiten. Dieses Begehren wird mit unserem Antrag unterstrichen, der ein bestimmtes Verfahren fordert. Ich verstehe Ihre Aussagen und die Ablehnung unseres Antrags nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(…)

Meine Zwischenfrage an Frau Staatssekretärin Hummel:

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Es ist sehr schön, dass Sie das selber entscheiden und nicht Ihre Fraktion entscheiden lassen. Können Sie mir folgende kurze Frage beantworten, da Minister Söder so lange am Thema dran und in die Geschichte so tief involviert ist:
Nach Medienberichten aus Tschechien wird die nächste Auslegungsfrist beim UVP-Verfahren, die in den nächsten Wochen ansteht, von sechs auf nur noch drei Wochen verkürzt. Was ist an diesen Berichten dran? Wird die Staatsregierung sogar eine Verkürzung akzeptieren? Oder setzt die Staatsregierung in Gesprächen durch, auch wenn rechtlich keine Möglichkeit besteht, dass die Auslegungsfrist im zweiten Schritt mindestens genauso lang ist wie vor einem Jahr? Denn es wäre ein Rückschritt, wenn man vor einem Jahr ein Zeitfenster von sechs Wochen hatte, künftig aber nur noch drei Wochen hätte. Das kann es nicht sein.

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Anbei finden Sie Links zu Videomitschnitten meiner Rede, unseren Antrag im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags und Sie können in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen.

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Unser Antrag wurde in namentlicher Abstimmung, deren Erbegnis Sie ebenfalls im hinterlegten Protokollauszug nachlesen können, mit 58:79 Stimmen abgelehnt.

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