22. April 2014

Stromintensive Produktionsstätten der Industrie in Bayern

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann vom 26.03.2014 „Stromintensive Produktionsstätten der Industrie in Bayern“, mit den Antworten des Staatssekretärs für Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, Franz Josef Pschierer vom 22.04.2014 (kursiv dargestellt)

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich wie folgt:

 

Frage: Welche bereits erfolgten oder angekündigten Verlagerungen von stromintensiven Produktionsstätten der Industrie, infolge angeblich zu hoher Strompreise in Deutschland, von Bayern ins Ausland, v.a. in die USA, sind der Staatsregierung bekannt? Ich bitte um Auflistung der Unternehmen, der betroffenen Standorte und der Zahl der Arbeitsplätze.

 

Hierzu liegen der Bayerischen Staatsregierung keine offiziellen Daten vor.
Bedeutsamer als Verlagerungen dürften nach Einschätzung der Bayerischen Staatsregierung allerdings ausbleibende Investitionen in die längerfristige Zukunftsfähigkeit der bestehenden bayerischen Unternehmensstandorte sein. Nach einer Erhebung des IW-Zukunftspanels 2013 (vgl. Industriebericht Bayern 2013, S. 105) zeigen steigende Energiepreise bei den Unternehmen der energieintensiven Branchen in Bayern bereits direkte Effekte in Form einer schwachen Nettoinvestition. Diese lag in den Jahren 2000 bis 2010 bei 85 % der Abschreibungen, verglichen mit 99 % bei den weniger energieintensiven Unternehmen. Bei den energieintensiven Unternehmen ist folglich bereits ein schleichender Deinvestitionsprozess zu beobachten, der sich bei weiter steigenden Energiekosten noch verstärken kann. Eine aktuelle Untersuchung des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (vgl. IW policy paper 3/2014 – „Erhöhung der EEG-Kosten als Investitionshemmnis für stromintensive Unternehmen“, S. 10) unterstreicht dies. Demnach korrespondiert die Investitionsschwäche in Deutschland mit einem überdurchschnittlichen Anstieg der deutschen Direktinvestitionen im Ausland in den energieintensiven Industrien.

Diese Entwicklungen führen mittelfristig zu Kaskadeneffekten mit negativen Folgewirkungen auf die Wertschöpfungsketten des gesamten Verarbeiten- den Gewerbes.
Einzelne konkrete Beispiele konnten in der Vergangenheit der Presse entnommen werden:

  • Die Wacker Chemie AG investiert zwar weiterhin auch in Bayern, errichtet derzeit aber für etwa 1 Mrd. € ein neues Werk zur Herstellung von Polysilizium in Tennessee (USA). Als Grund für die Standortentscheidung werden neben der Reduzierung von Wechselkursrisiken vor allem auch die hohen Energiepreise in Deutschland genannt.
  • SGL Carbon hat zusammen mit BMW in Moses Lake (Washington State, USA) eine Fabrik zur Großproduktion von Karbonfasern errichtet, die im September 2011 ihre Produktion aufgenommen hat. Hierfür wurde eine Investition von rund 100 Mio. € getätigt. Als Grund für die Standortentscheidung wurde genannt, dass die Herstellung von Karbonfasern äußerst energieintensiv sei und am gewählten Standort Ökostrom (Wasserkraft) zu sehr niedrigen Preisen verfügbar sei. Die Karbonfasern werden für den Bau der Elektroautos i3 und i8 verwendet, bei deren Produktion BMW hohen Wert auf eine nachhaltige Produktion durch regenerative Energien legt.

Des Weiteren gaben 29 % der im Rahmen des IW-Zukunftspanels 2013 (vgl. Industriebericht Bayern 2013, S. 107) befragten bayerischen Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes, welche steigende Energiekosten erwarten, an, dass sie ihre Bestrebungen zur Verlagerung von Betriebsstätten aufgrund der steigenden Energiekosten erhöhen würden. 38 % der Unternehmen gaben zudem an, dass sie ihre Bestrebungen, einzelne Produktionsprozesse einzustellen, erhöhen müssten.
Auch die Ergebnisse einer von der Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern im Februar 2014 durchgeführten Umfrage bei ihren Mitgliedsunternehmen bestärken diese Tendenzen. Demnach würden sich 31 % der 55 oberbayerischen Unternehmen, die bisher von der besonderen Ausgleichsregelung für energieintensive Betriebe beim EEG profitieren, bei einem Wegfall der Rabatte in ihrer Existenz bedroht sehen. 22 % müssten ihre Investitionen reduzieren, 16 % würden nach den Ergebnissen der IHK-Umfrage über eine Standortverlagerung nachdenken. Die 55 betroffenen Unternehmen beschäftigen in Oberbayern 21.000 Menschen.

 

Dass zu hohe Energiekosten tatsächlich zu Unternehmensstilllegungen beitragen können, zeigt das Beispiel der Hof Garn GmbH, einem Unternehmen der Textilgruppe Hof. Diese hat im Jahr 2012 den Betrieb ihrer Spinnerei in Hof eingestellt, wodurch 75 Arbeitsplätze verloren gingen. Nach eigenen Angaben konnte das Unternehmen u.a. aufgrund der hohen und zudem weiter steigenden Energiekosten mit den globalen Wettbewerbern nicht mehr konkurrieren.
Für den Wirtschaftsstandort Bayern ist eine verlässliche und bezahlbare Stromversorgung unverzichtbar. Die Beispiele zeigen, dass wegen steigender Strompreise und Zweifeln an der Versorgungssicherheit Investitionen der Unternehmen in ihre deutschen Produktionsstandorte unterbleiben. Neue Produktionskapazitäten werden vielmehr zunehmend im Ausland aufgebaut. Das ist für die weitere wirtschaftliche Entwicklung und die damit verbundenen Arbeitsplätze alarmierend. Zentrales Anliegen der bayerischen Energiepolitik ist es daher, den Umbau unserer Energieversorgung hin zu erneuerbaren Energien weiter voranzutreiben, dabei jedoch die Aspekte Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit wieder in das Zentrum der Diskussion zu rücken. Absolut vordringlich sind dabei die grundlegende an wettbewerblichen Gesichtspunkten orientierte Reform des EEG, um die Kostendynamik der Förderung Erneuerbarer Energien zu durchbrechen, der Erhalt der Besonderen Ausgleichsregelung für die energieintensive Industrie, die schnelle Ausschreibung von Reservekraftwerken und die Einführung neuer Regeln für den gesamten Strommarkt.

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Anbei habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.