29. Oktober 2010

Schwarz-Gelb gegen Kataster für Pumpspeicherkraftwerke

Vor ein paar Tagen haben wir als Grüne Landtagsfraktion einen Antrag auf Schaffung eines Katasters, in dem mögliche Standorte für Pumpspeicherkraftwerke in Bayern katalogisiert werden sollen, eingebracht. Der federführende Ausschuss für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie hat unseren Antrag in seiner 37. Sitzung am 28. Oktober 2010 beraten. Obwohl sich alle Fraktionen der Bedeutung des Ausbaus der Speichermöglichkeiten bewusst waren, fand der Antrag doch keine Mehrheit. Der CSU-Energiepolitiker Tobias Reiß argumentierte, dass es keine staatliche Aufgabe sei, so ein Kataster zu erstellen, und er die Energiewirtschaft in der Bringschuld sehen würde. Diese Haltung passt jedoch überhaupt nicht zur bisherigen Politik der Staatsregierung. Der Bau von Atomkraftwerken wurde mit einem eigenen Standortsicherungsplan der Staatsregierung abgesichert. Ja selbst für die erneuerbaren Energien gibt es mittlerweile den Wind- und Solaratlas. Die Position der CSU erscheint mir vor dem Hintergrund der nervösen Anschuldigungen der Regierungsfraktionen, wir Grüne hätten kein schlüssiges Energiekonzept, geradezu als fadenscheinig. In der Abstimmung verliefen dann auch die Fronten wieder klassisch zwischen Grünen, SPD und Freien Wählern auf der einen und der schwarz-gelben Regierungskoalition auf der anderen Seite.

Uns Grünen geht es beim Bau von Pumpspeicherkraftwerken um die Abwägung im Einzelfall: Für einen vernünftigen und nachhaltigen Energiemix in Bayern brauchen wir auch einen Zubau bei der Pumpspeichertechnologie. Wenn ein Kraftwerk jedoch nur durch unverhältnismäßige Eingriffe in die Natur zu errichten ist, dann ist es schlicht und einfach am falschen Platz geplant und somit abzulehnen. Um aber genau hier eine landesweite Einordnung und einen sinnvollen Vergleich zu ermöglichen, was „gut“ und was „verhältnismäßig“ ist und wo ein Pumpspeicherkraftwerk sinnvoll angesiedelt werden kann und wo nicht, brauchen wir verlässliches und wissenschaftlich belegbares Datenmaterial. Der Einwand der Regierungsfraktionen, dies sei Sache der Energiewirtschaft und des freien Marktes, zeugt von politischer Willenlosigkeit: Lieber die Verantwortung an die Wirtschaft weitergeben und im Zweifelsfall scheinheilig vor Ort über die Verschandlung und Umweltzerstörung lästern, als klare politische Zielsetzungen vorzugeben und dadurch wirtschaftliche Orientierung zu ermöglichen. Das ist die Politik der energiepolitischen Feiglinge von CSU und FDP und diese muss auch als solche benannt werden!

Pumpspeicherkraftwerke sind vor allem aus zwei Gründen sinnvoll:

Sie stellen Regelenergie zur Verfügung, um kurzfristige Schwankungen beim Stromverbrauch auszugleichen und sie werden vermehrt zur Stromspeicherung gebraucht, um Stromüberangebote abfedern zu können.

Dank des großen Erfolgs des unter Grüner Regierungsbeteiligung vorangetriebenen Ausbaus der erneuerbaren Energien ist Deutschland, und damit auch Bayern, längst zum Stromüberschussland geworden. Wir hatten 2008 in Deutschland einen neuen Rekord: Um 23,5 TWh (mehr als die Dreifache Produktion des AKW Isar 1) überstieg der Stromexport den Stromimport! Während es in 2009 aufgrund der weltweiten Wirtschaftskrise einen kleinen Rückgang gab, kam es in den ersten 6 Monaten des Jahres 2010 bereits wieder zu einem Überschuss von 11 TWh. Für Bayern liegen leider keine aktuellen Zahlen vor, aber im Jahr 2007 erreichte Bayern ebenfalls einen Stromüberschuss von etwa 4 TWh.

Nach dem angeblichen Willen aller Parteien soll der Ausbau der erneuerbaren Energien im Strombereich weitergehen. Nach dem Willen der aktuellen schwarz-gelben Bundesregierung sollen jedoch alte Atomkraftwerke noch durchschnittlich 12 Jahre am Netz bleiben. Insbesondere in Bayern soll in den kommenden 10 Jahren kein Atomkraftwerk vom Netz gehen, selbst der Schrottreaktor Isar I nicht! Die Stilllegung von größeren, konventionellen, fossilen Anlagen ist in Bayern von Seiten der Staatsregierung ebenfalls nicht geplant. In der Folge wird also das Stromüberangebot weiter zunehmen, jedoch zu Lasten der kommenden Generationen, denen wir dankend unser radioaktives Erbe hinterlassen.

Bei der Thematik des Stromüberangebots kommt hinzu, dass ein Teil des Zuwachses der erneuerbaren Energien aus sehr unstetigen Energiequellen kommt, also vor allem aus der Wind- und der Sonnenenergie. Dies führt dazu, dass das generelle Stromüberangebot zu bestimmten Zeiten besonders groß sein wird.

Um also am Ende nicht zu „Spitzenzeiten“ die Kapazitäten regenerativer Energieerzeugung drosseln zu müssen, da die erzeugte Energie nicht mehr weitergeleitet und gespeichert werden können, ist es dringend notwenig, dem Problem der Stromschwemme im dreifacher Hinsicht zu begegnen:

  1. Die Blockade des Stromnetzes mit atomar erzeugter und fossiler Energie muss durch die Abschaltung alter Kraftwerke aufgegeben und durch den Einsatz von flexiblen, regenerativen Kraftwerken kompensiert werden
  2. Wir brauchen einen verstärkten Stromleitungsbau um den Stromtransport steigern zu können
  3. Wir müssen zusätzliche Speicherkapazitäten schaffen.

Langfristig werden wir also am Ausbau der Speicherkapazitäten nicht vorbeikommen, wenn wir das Ziel „100 % erneuerbare Energie“ erreichen wollen. Das Problem wird jedoch umso dringender, je länger die Stromnetze durch „billigen“ Atom- und Kohlestrom verstopft sind und die notwendigen Stromleitungskapazitäten für die regenerativ erzeugte Energie nicht zur Verfügung stehen.

Erlauben Sie mir noch ein paar Worte zum benötigten Umfang des Zubaus:

In Deutschland sind derzeit Pumpspeicherkraftwerke in der Größenordnung von 6 700 MW installiert. Bei einer vollständigen Entleerung würden wir 0,04 TWh Strom erzeugen können.

Der Bedarf an Speicherkraftwerken lässt sich nicht eindeutig vorhersagen. Er hängt von verschiedenen Rahmenbedingungen ab:

Zum einen von der grundsätzlichen Energiekonzeption. Vertritt man die isolierte Position, wonach ein Großteil der Energieproduktion innerhalb Bayerns stattfinden muss, ergibt sich eine andere Ausgangssituation als wenn man das Konzept eines mitteleuropäisch-skandinavischen Verbundsystems präferiert. Zum andern hängt der Bedarf von den Ausbauperspektiven bei regelbaren Kraftwerken, beim Stromnetzausbau und bei den Möglichkeiten der Lastverschiebungen bei der Stromanwendung ab.

Unstrittig ist jedoch , dass die Speicherkapazitäten deutlich ausgebaut werden müssen.

Verschiedentlich werden auch technische Alternativen zur Pumpspeicherung diskutiert. Im Wesentlichen werden in der Fachliteratur zwei alternative Typen genannt:

a) Der Druckluftspeicher

Hier muss ehrlicherweise gesagt werden, dass es dazu bisher nur geringe großtechnische Erfahrungen gibt. Zur Zeit spielen Druckluftspeicher praktisch keine Rolle. Ihr Wirkungsgrad ist erheblich schlechter als bei Pumpspeicherkraftwerken.

b) Speicherung im Zusammenhang mit Elektromobilität

Dieses Potenzial wird erheblich überschätzt, weil oft irrtümlich davon ausgegangen wird, dass die Elektromobile zeitgleich zur Aufladung bzw. zur Entladung zur Verfügung stehen und deren Batterien jeweils passend gerade leer oder voll sind.

Ich möchte hier jedoch auch die möglichen Probleme, die mit einem Zubau an Pumpspeicherkraftwerken entstehen könnten, deutlich benennen:

Der Bau von Pumpspeicherkraftwerken wird häufig mit den Interessen der direkten Anwohner kollidieren, da die Bauarbeiten aufwändig sind und der Bau eine wesentliche Veränderung der direkten Umgebung zur Folge hat. Zudem sind häufig Interessenskonflikte mit dem Naturschutz zu erwarten, da die Gebiete mit dem entsprechenden Höhenunterschied häufig auch Naturräume mit vergleichsweise geringen zivilisatorischen Einflüssen sind. Genehmigungsverfahren und der Bau von Pumpspeicherkraftwerken sind daher zeitaufwändige Projekte, deren Realisierung leicht 10 Jahre überschreiten kann.

Die absehbaren Engstellen für die Erneuerbaren Energien werden weder das nutzbare Potenzial, noch die Kosten der Erzeugung, sondern der Netzausbau und die fehlenden Speichermöglichkeiten sein. Es ist jetzt an der Zeit diese Engstellen zügig zu beseitigen um nicht weiter auf die Kosten der zukünftigen Generationen zu leben.

Wenn die Staatsregierung gerade uns Grüne auf sachliche Vorschläge, die auf die jeweiligen Gegebenheiten vor Ort und den Willen der Bevölkerung Rücksicht nehmen, nur scheinheilige Vorwürfe entgegenbringt, zeugt dies von der energiepolitischen Ahnungslosigkeit und der machtpolitischen Nervosität der Regierungsfraktionen. Es wird Zeit, dass die bayerischen Bürgerinnen und Bürger dieses Schwarz-Gelbe Politchaos beenden, spätestens in drei Jahren.

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