11. August 2014

Rehabilitierung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilten

Unser Antrag vom 11.08.2014

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich auf Bundesebene für Maßnahmen zur Rehabilitierung der nach 1945 in beiden deutschen Staaten wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilten einzusetzen.

Begründung:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die Bestrafung einvernehmlicher homosexueller Handlungen unter Erwachsenen als Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention eingestuft, ebenso die Festlegung unterschiedlicher strafrechtlicher Schutzaltersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen.
§ 175 RStGB, nach dem in Deutschland seit 1871 „widernatürliche Unzucht“ zwischen Männern mit Gefängnis zu bestrafen war, wurde am 28. August 1935 von den Nationalsozialisten verschärft. Durch Streichung des Wortes „widernatürlich“ konnten nicht mehr nur so genannte beischlafähnliche, sondern sämtliche sexuellen Handlungen zwischen Männern verfolgt werden. Der Tatbestand der Unzucht setzte nicht einmal eine Berührung voraus.
In der Bundesrepublik Deutschland galt die nationalsozialistische Gesetzgebung gegen Homosexuelle bis zum 31. August 1969 unverändert fort (§§ 175, 175a des Strafgesetzbuchs – StGB). Sämtliche sexuellen Handlungen zwischen Männern waren strafbar. Von 1969 bis 31. Mai 1994 galten unterschiedliche Schutzaltersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen.
Die DDR war 1950 zur vornazistischen Fassung des § 175 zurückgekehrt, hat aber Homosexualität zwischen Erwachsenen bis 1968 nicht vollständig entkriminalisiert. Sie hielt auch bis dahin am nationalsozialistischen § 175a fest. Von 1968 bis 30. Mai 1989 galten mit § 151 StGB-DDR unterschiedliche Schutzaltersgrenzen für homo- und heterosexuelle Handlungen.
Sowohl in der Bundesrepublik Deutschland als auch in der DDR ging die strafrechtliche Verfolgung einher mit einer gesellschaftlichen Ächtung von Homosexualität. In einem Klima der Angst und der Einschüchterung fiel es zudem schwer, die von den Nazis zerstörte homosexuelle Infrastruktur nach dem Krieg wieder aufzubauen. Manche Homosexuelle, die den Naziterror im Gefängnis oder im KZ überlebt hatten, waren im Nachkriegsdeutschland erneut mit Strafverfolgung konfrontiert.
Der Deutsche Bundestag bekräftigt seine bereits am 7. Dezember 2000 einstimmig getroffene Bewertung „dass durch die nach 1945 weiter bestehende Strafdrohung homosexuelle Bürger in ihrer Menschenwürde verletzt worden sind.“ (Plenarprotokoll 14/140, BT-Drs. 14/4894). Es handelt sich um Menschenrechtsverletzungen im großen Ausmaß. Die im Nationalsozialismus ergangenen Urteile nach den §§ 175 und 175a des Reichsstrafgesetzbuches (RStGB) wurden 2002 mit dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege aufgehoben, die Verurteilten damit rehabilitiert. Für die nach dem 8. Mai 1945 wegen einvernehmlicher homosexueller Handlungen Verurteilte steht eine Rehabilitierung noch aus.

++++++++++++++

Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Antrags im Bayerischen Landtag.
Diese werden laufend von der Landtagsverwaltung aktualisiert.

Wie Sie den Unterlagen unter dem oben stehenden Link entnehmen können, wurde unser Antrag in der Plenarsitzung am 03.02.2015 leider durch die Stimmen der CSU und der Freien Wähler abgelehnt.