27. September 2012

Handeln gegen Rechtsextremismus – Aktionsprogramm für Bayern 10: Rechtsextreme Aktivitäten in Bayern konsequent bekämpfen

Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, ihre bisherigen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus zur „Präventionsarbeit“, „Überwachungs- und Kontrolldruck auf die rechtsextreme Szene“, „Konsequente Strafverfolgung“ (in Teil B des Handlungskonzepts) sowie „Intensivierung der repressiven und präventiven Maßnahmen“ (Bericht der Staatsregierung vom 26.07.12 zur Umsetzung des „Bayerischen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus“, S. 22) im Hinblick auf deren Wirksamkeit zu überprüfen und als Teil eines Aktionsprogramms für Bayern „Handeln gegen Rechtsextremismus“ weiterzuentwickeln.

Als Ergebnis dieser Maßnahmen sollen
– die Fahndung nach „untergetauchten“ Rechtsextremisten intensiviert werden,
– der Kontrolldruck auf die rechtsextreme Szene gesteigert, also Treffpunkte, Veranstaltungen, Aktionen von Rechtsextremen konsequent kontrolliert werden, wann immer sich eine rechtliche Möglichkeit dazu bietet,
– rechtsextreme und menschenverachtende Aktivitäten im Internet (z.B. Hate Crime) noch intensiver verfolgt und unterbunden werden,
– der Ermittlungsdruck auf rechtsextremistische Straftäter massiv erhöht und alle einen Täter betreffenden Ermittlungen gebündelt werden,
– Kontaktverbote dank erhöhter Aufmerksamkeit der Si­cherheitskräfte konsequent durchgesetzt werden,
– alle mit rechtsextremen Veranstaltungen, Versammlungen oder sonstige Aktivitäten rechtsextremer Organisationen oder deren Mitglieder befassten Beamtinnen und Beamten ausreichend geschult werden, so dass sie in der Lage sind, im Fall eventueller Straftaten handelnde Personen, strafbare, also z.B. volksverhetzende Texte, Verstöße gegen Kontaktverbote etc. zu identifizieren, mit dem Ziel einer konsequenten Verfolgung möglicher Straftaten,
– die Aus- und Weiterbildung unserer Polizistinnen und Polizisten im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und dem Eintreten für Demokratie und Menschenrechte verstärkt werden;
– die Sensibilität von Polizistinnen und Polizisten im Erkennen rechtsextremer und rassistischer Gewalt und im Umgang mit Opfern rechtsradikaler und rassistischer Gewalt gestärkt werden; dazu bedarf es neben Schulungen vor allem auch klarer Normansagen durch die Polizeiführung (Demokratie, Menschenrechte, keine Akzeptanz von Rechtsextremen) und ihrer internen Durchsetzung;
– die Bereitschaft zur Kooperation mit zivilgesellschaftlichen Initiativen gefördert und die Beamtinnen und Beamten darin geschult werden, dass nur ein gemeinsames Vorgehen von Staat und Zivilgesellschaft im Kampf gegen Rechtsextremismus erfolgversprechend ist;
– die Aus- und Weiterbildung von Staatsanwaltschaft und Justiz im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und dem Eintreten für Demokratie und Menschenrechte verstärkt werden.

Begründung:

Auch die Staatsregierung räumt ein, dass sich bayerische Neonazis von der rechtsextremen Mordserie des sogenannten „NSU“ ermutigt fühlen und davon, dass die Mörder nie geschnappt wurden. Der Innenminister kündigt zwar an, dass der „Kontrolldruck“ er­höht werden soll, aber er ergreift keine zusätzlichen Maßnahmen. Die „konsequente Strafverfolgung“ wird u.E. nur behauptet, fehlt aber in Realität. Denn
– bekannte Neonazis können trotz Kontaktverbots ungeniert und unbehindert öffentlich auftreten und
– unter den Augen der Sicherheitsbehörden Straftaten begehen, etwa Journalisten mit Mord bedrohen;
– nach Angaben der Staatsregierung sind 37 bayerische Neonazis, die per Haftbefehl gesucht werden, untergetaucht (inzwischen wurde einer von der spanischen Polizei gefasst), von bundesweit 160 Neonazis, die per Haftbefehl gesucht werden, d.h. fast ein Viertel kommt aus Bayern;
– der Großteil rechtsextremer Straftaten kann nicht aufgeklärt, geschweige denn die Täter zur Rechenschaft gezogen werden: Der Innenminister kann nicht sagen, in welchen und wie vielen Fällen Täter ermittelt, angeklagt oder verurteilt wurden. Aber das Verhältnis von Strafverfahren zu Einstellungen bzw. Verurteilungen, das der Innenminister am 22.08.12 dem Untersuchungsausschuss „Rechtsterrorismus in Bayern – NSU“ vorgelegt hat, weist auf eine dürftige Bilanz hin. Zudem hat Justizministerin Merk Anfang März einräumen müssen, dass bei der Hälfte der Taten das Verfahren „mangels hinreichenden Tatverdachts“ eingestellt wird. Das wirkt auf die unbestraften Täter wie ein Ansporn, auf die Opfer bedrohlich; noch nicht mal die Vorfälle mit Morddrohungen und Anschlägen auf Personen, die sich den Nazis in den Weg gestellt haben, bzw. das Attentat auf den Polizeipräsidenten von Passau konnten aufgeklärt werden. Möglicherweise wäre es nicht zu den Anschlägen der letzten Wochen auf bekannte Neonazi-Gegner gekommen, wenn man 2009 energischer versucht hätte, die Urheber der Drohschreiben zu ermitteln.

Bei der Vorstellung der „Verfassungsschutzinformationen 1. Halb­jahr 2012“ am 17.08.12 lobte Innenminister Herrmann die „erneute Verurteilung des Rechtsterroristen Martin Wiese“, der „auf dem Nationalen Frankentag im August 2011 in einer Rede damit gedroht hat, anwesende Pressevertreter würden eines Nachts abgeholt und nach Verurteilung vor dem Volksgerichtshof standesrechtlich (sie!) erschossen werden”. Aber dieses Lob kann weder dem Innenministerium noch den bayerischen Sicherheitsbehörden gelten, denn diese haben nichts dazu beigetragen. Wiese wurde laut Pressemeldungen nicht wegen Zeugenaussagen aus Reihen der Polizei, sondern wegen Journalistenaussagen verurteilt. Bekannte Neonazis können auf ihren Veranstaltungen in Bayern immer wieder unbehelligt Hassreden halten, Hetzlieder singen und den Hitlergruß zeigen, obwohl Polizei da ist.

Die Staatsregierung kann sich beim umzusetzenden Aktionsprogramm für Bayern „Handeln gegen Rechtsextremismus“ am „Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus“ der nordrhein-west­fälischen Regierung orientieren. Das hat laut „Behörden Spiegel“ vom Januar 2012 u.a. zum Ziel: „Rechtsextremisten aus der Anonymität herausholen: … Deshalb beschaffen die Sicherheitsbehörden zukünftig mehr Informationen über gewaltbereite Personen, anstatt lediglich die Organisation im Blick zu haben. … Kontrolldruck auf die rechtsextremistische Szene steigern: Die Polizei wird Szene-Treffpunkte und Rechtsextremisten kontrollieren, wann immer sich eine rechtliche Möglichkeit dazu bietet. … Ermittlungsdruck auf rechtsextremistische Straftäter erhöhen: … Der Polizeiliche Staatsschutz wird alle Straftaten – also auch allgemeinkriminelle – von gewaltbereiten Rechtsextremisten tä­ter­bezogen bearbeiten. Zukünftig wird immer derselbe Ermittler für einen solchen Straftäter zuständig sein.“

Obwohl es immer noch Hinweise gibt, dass ein rechtsextremer Hintergrund oder Verbindungen bzw. die Strafbarkeit von Taten von den ermittelnden Beamten nicht erkannt werden, sind bisher keine intensiveren Schulungen vorgesehen. Nach Angaben des Innenministers (Anfrage des Abgeordneten Dürr „Rechtsextreme Aktivitäten in Bayern identifizieren“, vom 9. Januar 2012, S. 7) gibt es einen bzw. zwei (Staatsschutz, Kriminalpolizei) verpflichtende Grundkurse und eine freiwillige zweitägige Fortbildungsveranstaltung (S. 4 f.). Wenn Polizei und/oder Staatsanwaltschaft Taten als rechtsextrem einordnen, kann es immer noch passieren, dass Staatsanwälte (S. 7 f.) oder Gerichte diesen Zusammenhang wieder ausblenden (S. 14 f.). Obwohl sie also ebenfalls dringenden Schulungsbedarf haben, wird ihnen zur Fortbildung nur „Gelegenheit“ (S. 5 f.), statt Pflicht geboten. Dabei werden angehende Juristinnen und Juristen auch in der Ausbildung nicht sensibilisiert, selbst im Referendariat sind Informationen über Rechtsextremismus nicht verpflichtend, sie werden nicht mal angeboten.

Auch ihre Fortbildung ist unzureichend, nur zweimal in sieben Jahren gab es z.B. eine einschlägige Tagung für Jugendrichter. Hier sind zusätzliche Schulungen mit dem Ziel einer besseren Erkenntnis und folglich konsequenten Verfolgung möglicher Straftaten unerlässlich.

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Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Antrags im Bayerischen Landtag.

Wie sie den Unterlagen unter dem oben stehenden Link entnehmen können, wurde unser Antrag leider durch die Stimmen der Regierungsfraktionen von CSU und FDP abgelehnt.