Positionspapier Wald der Zukunft: „Unser Wald – Erhalten, was uns erhält“
Er gehört zu unseren wichtigsten Verbündeten im Kampf gegen die Klimakrise und den Verlust der Artenvielfalt: der Wald. Neben Meeren, Mooren und Grasland zählt er zu den größten Kohlenstoffspeichern der Erde. Gesund und intakt sind unsere Wälder Lebensraum für unzählige Tiere und Pflanzen, schützen unser Wasser und unseren Boden. Wälder liefern uns den nachhaltigen Rohstoff Holz, sie sind Arbeitsplatz für viele und Erholungsort für fast alle von uns. Doch weltweit stellen wir fest: Der Wald ist eines der größten Opfer der Klimakrise. Hier bei uns in Bayern bedrohen Extremwetterereignisse unsere Wirtschafts-, Natur- und Schutzwälder, Hitze- und Trockenperioden verbunden mit geringen Niederschlagsmengen schwächen die Wälder und machen sie anfällig für Schadinsekten. Zunehmende heftige Stürme, Böen und Regenwal-zen hinterlassen Schneisen der Verwüstung mit entwurzelten und umgeknickten Bäumen. Die bayerischen Wälder kämpfen heute mehr denn je mit den Folgen einer falschen Klimapolitik der vergangenen Jahrzehnte.
Deshalb stehen wir als Gesellschaft, insbesondere aber Waldbesitzer*innen, Förster*innen und Jäger*innen, vor einer Aufgabe, die uns einiges abverlangt: Die Wälder in Bayern zügig zu Mischwäldern umzubauen, gesund, struktur- und artenreich, damit sie der Klimaerwärmung möglichst gut standhalten. Wir können und müssen dafür sorgen, dass unsere Wälder von Leidtragenden der Klimakrise zu starken Verbündeten gegen die Klimakrise werden.
Für Privatwaldbesitzer*innen sind dies besonders herausfordernde Zeiten, gerade auch aus wirtschaftlicher Sicht. Sie brauchen unsere Unterstützung. Wir wollen diese passgenau leisten und betrachten deshalb die verschiedenen Regionen und die verschiedenen Waldbesitzarten in Bayern differenziert. Auf diese Weise können wir regional zugeschnittene Bewirtschaftungskonzepte entwickeln. Dabei müssen wir das Gleichgewicht finden zwischen dem ökologisch unverzichtbaren Ziel einer flächigen und vielfältigen Biotop- und Totholzanreicherung unddem wirtschaftlichen Aspekt der Holznutzung. Nur wenn wir diese Balance finden, erreichen wir langfristig ökologische und ökonomische Stabilität. Unsere Wälder erhalten, umbauen und nachhaltig nutzen, das steht für uns an erster Stelle.
Dafür braucht es zweierlei: gemäß den Zielen der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ zum einen Nutzungsverzicht auf mindestens fünf Prozent der bayerischen Waldfläche durch neue Großschutzgebiete und Nationalparke und zum anderen, auf den restlichen 95 Prozent, die konsequente Ökologisierung der Waldbewirtschaftung, u.a. durch den Ausbau des Vertragsnaturschutzprogramms Wald.
Wir stehen für:
Ökologische Waldbewirtschaftung auf ganzer Fläche
Ihre natürliche Dynamik muss der Bewirtschaftung unserer Wälder zugrunde liegen. Sofern mit den prognostizierten Klimaveränderungen vereinbar, sollte sich die Zielbestockung an die natürlichen Waldgesellschaften annähern. Der Wald muss sich natürlich verjüngen können, das heißt Naturverjüngung ist Pflanzungen vorzuziehen. Eine Ausnahme hierbei ist der Waldumbau. Auch seltene Baumarten wie Feldahorn, Flatterulme und Elsbeere sollten verstärkt beigemischt werden. Fremdländische Arten sollten ergänzend einzelbaum- oder gruppenweise eingebracht werden. Auch wollen wir mehr Alt- und Totholz in unseren Wäldern, mindestens zehn Festmeterpro Hektar. Das gilt auch im Privatwald. Wir wollen höchstens so viel Holz ernten wie nachwächst. Den Einsatz von Pestiziden im Wald lehnen wir ab.
Wir stehen für:
Die Priorisierung von Waldschutz, Walderhalt und Waldumbau
Dass vorhandene Waldflächen bestehen bleiben und neue Waldflächen aufwachsen können, muss eines der Kernanliegen der Landespolitik werden. Für Privatwaldbesitzer*innen und Kommunen bauen wir deshalb das Vertragsnaturschutzprogramm Wald aus. Wir brauchen eine Waldumbauinitiative, die zügig und flächig greift. Dazu gehört, dass natürlich nachwachsende und klimatolerante Mischbaumarten ungestört aufkommen können. Es braucht aber auch mehr Naturwälder, in denen sich der Wald von morgen ohne Bewirtschaftung entwickeln kann, sowie weitere Großschutzgebiete. Der Wald von morgen ist ein Mischwald, strukturreich und natur-gemäß. Es geht aber in unseren Wäldern nicht nur darum, der Klimakrise zu trotzen, sie sind auch wertvoller Gradmesser für die Artenvielfalt. Wir möchten in unseren Wäldern die Grund-lagen für mehr Artenvielfalt schaffen. Im Staatswald muss auf mindestens 10 % der Fläche auf Nutzung verzichtet werden. Besonders wichtig ist es, dass wir Lebensraumbrücken durch ein flächiges Naturwaldverbundsystem entwickeln.
Wir stehen für:
Den öffentlichen Wald als Vorbild und Vorreiter
Für öffentliche Wälder muss gelten, sie sind nach den Prinzipien der naturgemäßen Waldwirt-schaft zu bewirtschaften. Der Erhalt und der Aufbau klimatoleranter und artenreicher Wälder steht dort ganz besonders im Vordergrund. Gewinnerzielungsabsichten treten in den Hintergrund. Fast 32 % der bayerischen Wälder gehören dem Staat, rund zwölf Prozent Städten und Gemeinden sowie kommunalen Stiftungen. Besitzer*innen öffentlicher Wälder nehmen eine Vorreiterrolle ein. Sie müssen diese deshalb vorbildlich bewirtschaften, ihren Beitrag zur Um-setzung der „Nationalen Strategie zur biologischen Vielfalt“ leisten und die Maßnahmen, die aus dem Volksbegehren Artenschutz resultieren, zeitnah umsetzen. Für den Kommunalwald wollen wir neue Fördermöglichkeiten schaffen etwa was das Melden geeigneter Flächen für das Waldbiotopverbundsystem betrifft. Die Bayerischen Staatsforsten (BaySF) sollen sich zum Vorbild und Standardgeber für naturgemäße Waldbewirtschaftung für ganz Europa entwickeln. Im Staatswald ist außerhalb der Prozessschutzgebiete ökologische Waldbewirtschaftung zu betrei-ben, das Trittsteinkonzept zur Verbesserung der Artenvielfalt in den Staatswäldern ist auszubauen. Zudem muss im Staatswald die Gewinnerwartung dauerhaft auf null gesetzt werden.
Wir stehen für:
Die Stärkung der Privatwaldbesitzer*innen
Wir wollen private Waldbesitzer*innen beim Waldumbau begleiten und diesen in der Fläche durch Standortanalysen, durch Beratung mit Fachpersonal und finanzielle Mittel fördern. Der bereits eingeleitete Waldumbau hin zu stabilen Mischwäldern und naturgemäßen Dauerwäldern stellt Klein- und Kleinstprivatwaldbesitzer*innen vor eine sehr große Aufgabe. Mit finanzieller Förderung allein, beispielsweise für Laubholzpflanzungen, ist es deshalb nicht getan. Dazu gehört es auch, den Stellenabbau in der Forstverwaltung zu stoppen und freiwillige Zusammenschlüsse von Waldbesitzer*innen zu stärken, auch indem die Zusammenarbeit mit der Forstverwaltung ausgebaut wird. Auf diese Weise können wir die strukturellen Nachteile im Kleinprivatwald ausgleichen. Außerdem brauchen wir praxisnahe, digital gestützte Lösungen zur Borkenkäferbekämpfung und müssen die Infrastruktur zur Nasslagerung von Käferholz ausbauen, um Qualitätsminderung und Preisverfall am Holzmarkt so gering wie möglich zu halten.
Wir stehen für:
Gesunde Waldböden – Waldschutz ist Wasserschutz
Wir müssen die Wasserspeicherfähigkeit unserer Waldböden erhalten. Der Waldboden spielt eine besondere Rolle im Wasserkreislauf, er verlangsamt den oberflächlichen Abfluss bei Starkregen und sorgt für besonders gute Trinkwasserqualität. Wo Mischwälder reich an Laubholz wachsen, beobachten wir eine bessere Wasserspeicherfähigkeit und Grundwasserspende. Sind Maschinen im Wald zugange, muss es Ziel sein, die negativen Auswirkungen auf den Waldboden auf ein minimales Maß zu beschränken. Auf Bodenbeschaffenheit und Witterungsverhältnisse muss unbedingt Rücksicht genommen werden. Auf die Nutzung von bereits totem, nicht mehr fängischem Borkenkäferholz sollte verzichtet werden, es stellt wertvolle Biomasse im Wald dar.
Wir stehen für:
Zeitgemäßes Wildtiermanagement statt traditioneller Jagdorganisation
Unsere Jagdpolitik richtet sich streng an den Kriterien der Ökologie und des Tierschutzes aus. Wir werden ein Wildtiermanagementgesetz einführen, das in der Jagdausübung ein flexibles Reagieren auf Veränderungen zulässt und die geänderte Lebensraumsituation der Wildtiere miteinbezieht. Damit wollen wir dem Ökosystem Wald, Lebensraum für viele Wildtiere, gerecht werden. Wir wollen, dass die natürliche Verjüngung aller heimischer Baumarten ohne Schutzmaßnahmen auf ganzer Fläche gelingt. Auf wenige Monate konzentrierte, revierübergreifende Drückjagden mit überjagenden Hunden sind Baustein eines gelungenen Jagdmanagements. Ein Selbstverständnis sollte sein, dass bei der Jagd ausschließlich bleifreie Munition verwendetwerden darf. Das forstliche Gutachten bauen wir ebenso weiter aus wie die revierweisen Aussagen, die wir als eines der wichtigsten Instrumente zur Beteiligung der Waldbesitzer*innen und Jäger*innen sehen. Pilotprojekte zur Professionalisierung der Jagd müssen durch das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten gefördert werden.
Wir stehen für:
Mehr Holzbau – für Klimaschutz und regionale Wertschöpfung
Holzbau speichert Kohlenstoff langfristig und sicher Arbeitsplätzen im ländlichen Raum. Diese Chance wollen wir nutzen. Dazu stärken wir den Holzbausektor und bauen ihn weiter aus, indem wir den in der Region wachsenden Rohstoff Holz verstärkt regionalen Wirtschaftskreisläufen zuführen. Unser Ziel ist es, diesen heimischen und nachwachsenden Rohstoff so nachhaltig und naturverträglich wie möglich bereitzustellen und ihn so intelligent und effizient wie möglich zu nutzen. Holz im öffentlichen Bauwesen zu verwenden, etwa im Gebäudebau, bei Lärmschutzwänden, Brücken und Ähnlichem, muss die Regel werden. Die Landesbauordnung wollen wir anpassen, so dass sie mehr Holznutzung im Gebäudebau ermöglicht. In ländlichen Regionen steigern wir die Wertschöpfung, indem wir die Wertschöpfungskette Stamm/Sägewerk/Architektur/Holzbau fördern.
Wir stehen für:
Mehr Personal – Unser Wald braucht seine Förster*innen
Wir beenden den Stellenabbau bei Revierförster*innen und Waldarbeiter*innen. Wo es notwendigist, schaffen wir Arbeitsplätze. Damit die steigenden Anforderungen bei der Waldbewirtschaftung und die zusätzlichen Aufgaben, die der Klimawandel mit sich bringt, erfüllt werden können, ist es dringend notwendig, den Personalkürzungen im Bereich Forst ein Ende zu bereiten. Nur mit genügend und gut ausgebildeten Fachkräften und ausreichend Personal in allen ländlichen Regionen Bayerns können die Bayerischen Staatsforsten ihrer Vorbildrolle gerecht werden, kann die bayerische Forstverwaltung ihre Aufgaben erfüllen. Wir wollen deshalb 47 Förster*innenstellen pro Jahr in der Forstverwaltung schaffen. Bei den Staatsforsten ist u.a. die Übernahmequote bei den Auszubildenden Forstwirt*innen zu erhöhen und der hohen Fluktuation von jungen Forstwirt*innen (2019 34 % Quelle: BaySF bzw. IG Bau) durch entsprechende interne Entwicklungsangebote (Facharbeiter etc.) entgegenzuwirken. Eine weitere Reduzierung der Reviere lehnen wir ab.
Wir stehen für:
Mehr Forschung für den Wald der Zukunft
Wir intensivieren die Forschung zur Anpassungsfähigkeit von Baumarten und zur Widerstands-fähigkeit unserer Wälder. In den staatlichen Forstbetrieben brauchen wir mehr Ressourcen und Freiräume, damit Forschung zu einer zentralen Aufgabe wird. Wir müssen innovative Ansätze entwickeln bei der Frage, wie wir unsere zukünftig laubholzreicheren Bestände waldbaulich behandeln und im Holzbaubereich langfristig einsetzen können, beim Waldschutz zur Bekämpfung forstschädlicher Insekten (v.a. Borkenkäfer), beim Wildtiermanagement wie auch bei der energetischen Nutzung von Holz im Rahmen der Kaskadennutzung. All das muss in differenzierte Handlungsempfehlungen münden, zugeschnitten auf Waldbesitzart und Flächengröße. Dafür wollen wir ein Forschungsnetzwerk Wald aufbauen und die bayerischen Hochschulen gezielt stärken.