Kindern und Jugendlichen in der Pandemie jetzt Vorrang geben, Gesundheit und Wohlergehen sichern!
Dringlichkeitsantrag der Landtags-Grünen am 05. März 2021:
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie treffen Kinder und Jugendliche ganz besonders hart. Bei der anstehenden Öffnungsdebatte müssen ihre Belange konsequent und kontinuierlich an erster Stelle stehen. Das bedeutet auch, dass andere Bereiche, die schwerpunktmäßig die Lebenswelt von Erwachsenen betreffen, nachrangig zu behandeln sind, solange die Infektionslage eine Reduzierung von Kontakten notwendig macht.
Der Landtag wolle beschließen:
Der Landtag stellt fest:
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie treffen Kinder und Jugendliche ganz besonders hart. Bei der anstehenden Öffnungsdebatte müssen ihre Belange konsequent und kontinuierlich an erster Stelle stehen. Das bedeutet auch, dass andere Bereiche, die schwerpunktmäßig die Lebenswelt von Erwachsenen betreffen, nachrangig zu behandeln sind, solange die Infektionslage eine Reduzierung von Kontakten notwendig macht.
Die Staatsregierung wird aufgefordert, dies durch folgende Maßnahmen konkret umzusetzen:
1. Gezielt öffnen: Sport, Freizeit und Freunde für Kinder, Jugendliche und ihre Familien priorisieren!
Folgende Bereiche sind zum Wohl von Kindern, Jugendlichen und ihren Familien unter Einhaltung der Abstands- und Hygieneregeln regional zuerst zu öffnen, sobald eine stabile oder sinkende 7-Tage-Inzidenz von unter 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnerinnen und Einwohnern erreicht ist:
─ Angebote der Jugendarbeit und -hilfe; dort, wo es möglich ist, werden Gruppenaktivitäten nach außen oder in andere geeignete, größere Räumlichkeiten (z. B. Museen) verlagert.
─ Zoos, botanische Gärten, Gedenk- und Freizeitstätten und andere Einrichtungen bzw. Angebote, die Familien und ihren Kindern ein Freizeit- und Kulturangebot in Außenbereichen bieten.
─ Bildungsangebote der Kultureinrichtungen, Museen, Musik- und Kunstschulen für Kinder und Jugendliche; insbesondere für Kinder und Jugendliche aus Kita- oder Klassengemeinschaften ist der gemeinsame Besuch von Kultureinrichtungen (Museen, Theater, etc.) ggf. nach Anmeldung wieder zu ermöglichen.
─ Kontaktfreier Sport im Außenbereich ist in ganz Bayern für alle Sportarten und Teamgrößen zu ermöglichen – darunter fällt auch Vereinssport. Kontaktfreier Sport im Innenbereich ist für Gruppen, die ohnehin in denselben Konstellationen im Klassenverbund oder in der Kita zusammenkommen sowie für feste Trai-ningsgruppen der Vereine, zu ermöglichen.
2. Schnell impfen: Beschäftigte in Kita, Schule und Kinder- und Jugendhilfe priorisieren!
─ Die Höhergruppierung von Stufe 3 auf 2 der Impfverordnung für Lehrkräfte der Grund- und Förderschulen ist nach dem Vorbild Baden-Württembergs auf Lehrkräfte und anderes Schulpersonal aller Schulformen auszuweiten.
─ Es ist zu prüfen, ob die aktuellen Impfkapazitäten ausreichen, um zeitnah auch Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe (z. B. Jugendamt, Jugendsozialarbeit, Jugendwohnheime, Jugendzentren etc.) in der gleichen Priorität wie Lehrkräfte etc. impfen zu können.
3. Besser Testen: Reihentestungen, Selbsttests in Kita, Schule und Kinder- und Jugendhilfe durchführen!
─ Regelmäßige Reihentestungen für alle Einrichtungen der Bildung und der Kinder- und Jugendhilfe – Schulen, Kitas, Jugendämter, Jugendwohnheime etc. – sind für alle dort tätigen Erwachsenen und für alle Kinder und Jugendlichen ein-zuführen. Das Testangebot wird den Erwachsenen mindestens einmal wöchent-lich unterbreitet. Die Testungen werden durch mobile Testteams, von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten oder Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Testzentren durchgeführt. Die hierfür entstehenden Kosten werden vollumfänglich übernommen.
─ Selbsttests sind neben Kindertageseinrichtungen und Schulen auch prioritär an Träger und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe (z. B. für Frühe Hilfen, Jugendsozialarbeit, Kinder- und Jugendschutz) kostenfrei und in ausreichender Menge zu verteilen. Sie ergänzen das Angebot an Reihentestungen und erhöhen die Sicherheit für alle Beteiligten.
─ Kontaktpersonen 1. Grades können nach zehn Tagen aus der Quarantäne ent-lassen werden, wenn sie zwei negative PCR-Testergebnisse vorweisen können. Dies verringert die Dauer der Isolation bei gleichzeitiger Wahrung des Infektionsschutzes. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen verhindert dies den Ausschluss ganzer Klassen für zwei Wochen vom Präsenzunterricht und trägt zur Bildungsgerechtigkeit bei.
4. Besser unterstützen: Psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen stärken
─ Informationen und Kontakte zu kostenfreien Beratungs- und Unterstützungsangeboten für Kinder und Jugendliche (z. B. „Nummer gegen Kummer“, Krisenchat etc.) werden in Bayern regelmäßig niedrigschwellig und kindgerecht über alle Kindertageseinrichtungen und Schulen vermittelt.
─ Pädagogische Qualitätsbegleitung an Kindertageseinrichtungen sowie Schulpsychologie, Schul- und Jugendsozialarbeit an Schulen sind auszuweiten. Aufsuchende Sozialarbeit ist grundsätzlich während der Pandemie aufrechtzuerhalten und auszubauen.
Begründung:
Die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie treffen Kinder und Jugendliche ganz besonders hart. Konkrete Auswirkungen des Lockdowns – wie beispielsweise Fernunterricht, weniger soziale Kontakte zu Gleichaltrigen oder wichtigen Bezugspersonen wie Lehrkräften oder Erziehenden – sowie die fehlenden Perspektiven bezüglich der Dauer der Einschränkungen verschärfen zunehmend die psychischen Belastungen, vergrößern Lernrückstände und Benachteiligungen unserer Kinder und Jugendlichen. Hinzu kommt Bewegungsmangel, lange Bildschirmzeiten, Einschränkungen des sozialen Miteinanders, eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten, kaum Planungssicherheit, keine außerschulischen Kultur- und Bildungsoptionen. Dies belegen inzwischen auch einige Studien: So zeigte die internationale Studie COVID-Kids, dass während der Pandemie nur noch 50 Prozent der befragten Kinder und Jugendlichen mit ihrem Leben zufrieden oder sehr zufrieden seien. Vor der Pandemie lag der Wert bei 90 Prozent. 53 Prozent der befragten Grundschulkinder in Deutschland haben laut Studie fast nie Kontakt zu ihren Lehrpersonen gehabt. Forscherinnen und Forscher beobachten zudem über alle Altersgruppen hinweg einen deutlichen Anstieg von Angststörungen, Depressionen und Schlafstörungen. Auch Essstörungen, Substanzmissbrauch und missbräuchliche Medien- und Internetnutzung nehmen zu. Laut BARMER-Arztreport 2021 stieg die Anzahl von Kindern und Jugendlichen mit psychotherapeutischem Hilfebedarf von 2009 bis 2019 um 104 Prozent. Die Coronapandemie und der Lockdown verschärfen diese Situation – allein in 2020 stiegt die Anzahl der Akutbehandlung sowie der Erstanträge für eine Therapie bei Kindern und Jugendlichen um sechs Prozent. In einem offenen Brief wandten sich vor diesem Hintergrund im Februar 2021 Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten sowie Psychiaterinnen und Psychiater für Kinder und Jugendliche an die Bundesregierung, um auf die massiven Auswirkungen des Lockdowns auf Kinder und Jugendliche aufmerksam zu machen. Auch der Freistaat ist gefordert, alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um das Leben in der Pandemie kind- und jugendgerecht zu gestalten. Dementsprechend sind Kindern und Jugendlichen bei politischen Entscheidungen hinsichtlich Impfungen, Testungen und Öffnungen höchste Priorität einzuräumen und bestmögliche Angebote und Unterstützung während der Pandemie für Freizeit, Freunde und die psychische Gesundheit dieser jungen Generation zu machen und ihnen eine Perspektive aufzuzeigen.
Hier gibt es den Antrag „Kindern und Jugendlichen in der Pandemie jetzt Vorrang geben, Gesundheit und Wohlergehen sichern!“ als pdf.