Keine Verschlechterung durch die EEG-Novellierung
Dringlichkeitsantrag Bündnis 90/Die Grünen mit Behandlung im Landtagsplenum vom 09.06.2011
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Die Regierungsfraktionen Union und FDP haben in den letzten Wochen auf Landes- und Bundesebene einen Politikwechsel im Hinblick auf die Energiepolitik vollzogen. Einem großen Interview des Kollegen Max Straubinger der CSU-Landesgruppe in Berlin konnte man entnehmen, dass Sie mit dem Wechsel in der Energiepolitik innerlich noch ringen und dieser nicht so einfach wird. Sie hadern noch mit der Umsetzung.
Am vergangenen Montag hat das Bundeskabinett im Zuge des Atomausstiegs und der Energiewende eine Reihe von Gesetzentwürfen auf den Weg gebracht. Das Rumoren innerhalb der Fraktionen ist noch nicht vorbei; es geht weiter. Das liegt daran, dass die Menschen in diesem Land Ihnen den Wechsel nicht abnehmen, weil keiner von Ihnen den Mut hat, den Fehler vom letzten Herbst, die Laufzeitverlängerung, einzugestehen. Die Laufzeitverlängerung war ein gewaltiger Fehler in diesem Land. Das gestehen Sie sich nicht ein. Sie stehen nicht dazu, dass diese Entscheidung falsch war.
(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN)
Deshalb nehmen Ihnen die Menschen diesen Wandel auch nicht ab.
Dass bei Ihnen immer noch der alte Geist weht, wird vor allem an einem Gesetz besonders deutlich. Zwar enthalten die Gesetzentwürfe viel Sinnvolles, jedoch sieht man bei der Novellierung des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes – EEG – ganz klar den alten Geist. Die Windkraft bringt das auf den Punkt. Sie reden davon, die Windkraft in Bayern auszubauen. Im EEG-Entwurf steht weiterhin, dass die Binnenwindkraft auf Kosten der Offshore-Windkraft schlechtergestellt werde. Das ist bis jetzt nicht geändert worden. Die Landesgruppe hat es auch nicht massiv moniert. Da der Freistaat Bayern von der Binnenwindkraft profitiert, richtet sich dieser Entwurf gegen die bayerischen Interessen. Des Weiteren funktionieren die Binnenwindkraftanlagen über Genossenschaftsmodelle, die in der Hand der Bürgerinnen und Bürger sind. Diese Anlagen stellen Sie im Vergleich zu den Offshore-Windkraftanlagen schlechter. Ihre Energiewende ist keine dezentrale Energiewende. Es handelt sich um eine Energiewende der großen Konzerne.
(Beifall bei den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN)
Dass der alte Geist weiter weht, zeigt der Umgang mit dem MPV-Solarstrom. Aktuell findet die weltgrößte Solarmesse in München statt. Eigentlich müsste die Solarbranche einen Aufschwung erleben, den man sich kaum vorstellen kann. Die Solarbranche ist jedoch skeptisch. Bei den Herstellern der Solaranlagen zeigt sich alles andere als eine Aufbruchstimmung. Die Begründung ist einfach: Sie haben im EEG festgeschrieben, bis zum Jahr 2020 die erneuerbaren Energien bis zu 35 % auszubauen. Dieses Ziel haben Sie im Rahmen der Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke bereits beschlossen. Das heißt, Ihr Ziel ist nicht ehrgeiziger geworden. Das Ziel zum Ausbau der erneuerbaren Energien ist das gleiche wie im Herbst letzten Jahres.
Das heisst doch nur Eines: Wenn jetzt die Laufzeitverlängerung wieder zurückgenommen wird, was eine richtige Entscheidung ist, wenn man wieder in die Richtung des Konsenses von 2000 geht, was heißt das für den Strommix in der Zukunft? Wenn die Ziele im Hinblick auf den Ausbau der erneuerbaren Energien nicht höher gesetzt werden, müssen wir auf Kohlestrom in Norddeutschland setzen. Für den Klimaschutz ist das absolut inakzeptabel. In Bayern heißt es – das ist hinreichend bekannt -, dass man auf große Gaskraftwerke setzt. Das steht im Energiekonzept der Staatsregierung. Dort wird die Energiewende ebenfalls nicht dezentral und nicht mit den Bürgerinnen und Bürgern vollzogen. Es ist viel mehr eine Lobbypolitik für die vier großen Stromkonzerne in diesem Land.
(Beifall bei den GRÜNEN – Zurufe von der CSU)
Im Zuge der Novellierung des EEG sollen kleine Photovoltaikanlagen zu bestimmten Stunden in ihrer Leistung gedrosselt werden, um die Netze zu entlasten. Wie kommt so etwas in die EEG-Novellierung hinein, wenn man die Energiewende ernst nimmt? Der richtige Schritt wäre der zügige Ausbau der Netze, um Schwankungen zu vermeiden. Das sind die Herausforderungen des zukünftigen Strommixes. Das Ausbremsen dieser Technik durch eine Deckelung kann nicht funktionieren.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Es geht noch weiter. Die Bundeskanzlerin hat heute verkündet, dass die EEG-Umlage nicht steigen dürfe. Wie soll das funktionieren? Sie möchten eine Energiewende, die am besten nichts kostet. Sie wollen aus der Kernkraft aussteigen und die EEG-Umlage nicht erhöhen. Das bedeutet, Sie setzen auf große Kohle- und Gaskraftwerke. Diese Energiewende führt nicht zu einer zukünftigen hundertprozentigen Versorgung mit erneuerbaren Energien. Eine derartige Energiewende wird nicht dezentral funktionieren.
Ich möchte auf einige Punkte der Dringlichkeitsanträge eingehen. Es ist erstaunlich, dass wir für die heute zur Debatte stehenden sechs Dringlichkeitsanträge nur sehr wenig Redezeit zur Verfügung haben. Damit kann ich nicht auf jeden Antrag konkret eingehen.
(Tobias Thalhammer (FDP): Sie haben noch 17 Minuten!)
– Herr Kollege, es folgen noch weitere Dringlichkeitsanträge.
Ich möchte auf den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der CSU- und der FDP-Fraktion eingehen. Sie fassen eine ganze Reihe verschiedener Punkte in einem Antrag zusammen. Wahrscheinlich ist das Ihre Art, dies so zu machen. Wenn wir das Thema konkret angehen möchten, müssten wir diejenigen Punkte herausnehmen, bei denen wir auf einen gemeinsamen Nenner kommen, um etwas in Berlin zu erreichen. In Ihrem Antrag haben Sie Folgendes durcheinander gebracht: Dem vorletzten Spiegelstrich ist zu entnehmen, dass mehr Firmen von der EEG-Umlage befreit werden sollten. Das bedeutet, dass die EEG-Umlage für den Privatkunden weiter steigt, die Industrie jedoch nicht ihren Beitrag zur Energiewende leistet. Ministerpräsident Seehofer, der heute nicht anwesend ist, hat in den letzten Wochen gesagt, dass die Energiewende die drei großen E’s „Energieeffizienz, Energiesparen und Erneuerbare Energien“ enthalte. Das hat er schön kopiert. Für einen effizienten und sparsamen Umgang mit Energie ist es nicht sinnvoll, die energieintensive Industrie, bei der ein hohes Sparpotenzial vorliegt, von der EEG-Umlage zu befreien. Damit geht jeglicher Anreiz verloren, sparsam und effizient mit Energie umzugehen. Das ist der falsche Weg. In diesem Punkt werden wir den Dringlichkeitsantrag der CSU und der FDP ablehnen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Bei den weiteren nachgezogenen Dringlichkeitsanträgen und beim eingereichten Dringlichkeitsantrag der SPD zur Windkraft gehen wir selbstverständlich mit. Das Thema ist ebenfalls in unserem Antrag enthalten. Dem Dringlichkeitsantrag der SPD „Wiedereinführung der EEG-Vergütung für Solarkraftwerke auf Ackerflächen“ werden wir ebenfalls zustimmen. Uns ist es wichtig, ein Instrument zur Deckelung zu finden. Die Flächenausweisung für Freiflächen-Solarkraftwerke sollte auf 1 % der kommunalen landwirtschaftlichen Flächen beschränkt werden, damit sich die Flächen in die Region einfügen. Dieser Punkt wird in der Begründung des SPD-Dringlichkeitsantrags erläutert.
Dem Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER „Energiewende braucht Landwirtschaft – landwirtschaftliche Biogasanlagen brauchen Zukunft“ werden wir zustimmen, da er viele wichtige Punkte enthält, die wir unterstützen. Ich möchte den Kollegen der FREIEN WÄHLER jedoch Folgendes sagen: Ich hätte mir gewünscht, dass Sie beim Thema Biogasanlagen auch auf die kritischen Punkte, die bei der Biogasnutzung durchaus vorhanden sind, eingegangen wären. Diese tauchen im Erfahrungsbericht zum EEG immer wieder auf. Mit ein paar Sätzen in Ihrem Antrag hätten Sie durchaus darauf eingehen können. Wie geht man mit dem Thema Güllebonus um? Wie kann man dagegensteuern? Ich habe das Gefühl, dass der Dringlichkeitsantrag ohne vorherige Abwägung vom Bauernverband übernommen worden ist. Das finde ich etwas schade. Eine thematische Vertiefung wäre nicht verkehrt gewesen. Da die Ansätze jedoch richtig sind, werden wir diesem Dringlichkeitsantrag zustimmen.
Mit dem nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der FREIEN WÄHLER „Vergütungspflicht für Strom aus Photovoltaikanlagen im Erneuerbare-Energien-Gesetz auf Acker- und Grünlandflächen ausdehnen“ können wir im Hinblick auf das Ackerland und teilweise auf das Grünland gut leben. Jedoch hätten Sie den Antrag genauer formulieren müssen. Beim Thema Wasserschutzgebiete hätten Sie genauer auf das Thema eingehen müssen. Sie haben das Thema zu pauschal aufgemacht. Ich finde, da hat man es sich zu einfach gemacht. Wir lehnen den Antrag nicht ab, wir enthalten uns der Stimme. Wir werden die Debatte führen müssen, um Instrumente zu finden, das Grünland zu nutzen. Die Pauschalisierung ohne prozentuale Angabe der Landfläche ist zu viel. Man darf nicht vergessen, dass es bei uns massenweise Dächer gibt, die mit Solaranlagen bestückt werden können. Dem Antrag der SPD stimmen wir gerne zu, soweit er die Ackerflächen betrifft. Die Nutzung des Grünlands müsste aber konkreter dargelegt werden. Deshalb enthalten wir uns der Stimme.
(Beifall bei den GRÜNEN)
(…)
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Kollege Reiß, Sie argumentieren, der notwendige Netzausbau stehe in keinem Verhältnis zu der zusätzlichen Stromeinspeisung von PV-Anlagen in Spitzenzeiten. Daher solle man die Anlagen automatisch drosseln, das heißt, die Wirkleistungseinspeisung begrenzen. Wir alle wollen irgendwann eine Vollversorung aus erneuerbaren Energiequellen. Wäre es nicht der richtige Ansatz, jegliche Kilowattstunde zu nutzen und den Eigenverbrauch dann zu steigern? Sollte nicht darauf hingewirkt werden, dass die Spitzen abgespeichert und später verwendet werden? Wir reden von Spitzenzeiten von ein bis zwei Stunden am Tag. Angesichts dessen muss doch der Ansatz in die andere Richtung gehen, damit junge Firmen, die an Innovationen forschen – diese Firmen gibt es auch in Bayern -, an den Markt kommen, statt das Problem – es ist durchaus ein Problem; insoweit gebe ich Ihnen recht – durch ein simples Kappen der Anlagen zu lösen. Letzterer Weg ist zwar einfach; er liegt aber im Interesse der großen Konzerne, die die Grundlast möglichst hoch halten wollen. Das ist verkehrt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
(…)
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Kollege Thalhammer, ich gebe Ihnen vollkommen recht. Es ist ja bereits bei großen Solaranlagen über 30 kW Tatsache, dass sie aus dem Netz genommen werden, wenn man die Netzstabilität nicht mehr garantieren kann. Da hat der Netzbetreiber die Pflicht, zu belegen, dass er keine anderen fossilen Kraftwerke vom Netz nehmen konnte und deshalb eingreifen musste.
Jetzt ist vorgesehen, die Werksleistung der Solaranlagen standardmäßig bei 70 % zu deckeln; das geht nicht. Wir reden nicht von Kleinanlagen, weil eine bedarfsgerechte Steuerung dort viel zu kompliziert wäre. Jedes Haus mit einer Regelsteuerung auszustatten, kann nicht funktionieren. Deshalb sagt man, dass man pauschal die Leistung in den Spitzenzeiten drosseln wolle. Das sind ein bis zwei Stunden. Das ist deutlich ein Weg, bei dem es eher die kleineren Solaranlagenbetreiber trifft, die auf dem Dach eine Anlage haben. Dass man diese Betreiber bremst, widerspricht doch genau dem eigentlichen Ziel. Wir haben jahrelang darüber diskutiert, dass die Leistung dieser Anlagen zu schwach sei. Die deutsche Industrie solle sich bemühen, deren Leistungen nach oben zu bringen. Nun hat man es geschafft, und was ist die Antwort? Wir deckeln das Ganze jetzt, wenn die Leistung in bestimmten Spitzenzeiten zu stark geworden ist. Das ist absurd. Da sollten wir ehrlich einen Weg suchen, ein Instrument zu finden, die Spitzen für ein bis zwei Stunden abzuspeichern und erst dann wieder mit der Einspeisung zu beginnen. Eine generelle Grenze würde keinen Investitionsboom auslösen. Es kann nicht einfach heißen: Problem gelöst, denn da ist eine Bremse drin. Das wäre wirklich der komplett falsche Weg. Das wollte ich nur noch einmal unterstreichen.
+++++++
Unser Dringlichkeitsantrag wurde leider durch die Stimmen der Regierungsfraktionen von CSU und FDP abgelehnt.
Anbei finden Sie Links zu Videomitschnitten meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen.