14. Dezember 2010

Gesetzentwurf der Staatsregierung über Gewährleistungen im Zusammenhang mit der Bewerbung und der Austragung der XXIII. Olympischen und der XII. Paralympischen Winterspiele 2018 (Olympiagesetz – OlympiaG) Drucksache 16/5873

Meine Rede zur 2. Lesung des Olympiagesetzes im Landtagsplenum vom 14.12.2010

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen!
Lieber Herr Kollege Bachhuber, Sie werden es kaum glauben, aber einen Satz kann ich bei Ihnen unterstreichen: Das Parlament lässt sich nicht erpressen. Da bin ich vollkommen auf Ihrer Seite. Das heißt für mich aber auch, dass wir immer nach bestem Wissen und Gewissen abwägen, und das heißt für mich auch, dass wir nicht ein Gesetz machen dürfen, bei dem wir dem IOC, einer intransparenten Vereinigung, einen Blankoscheck ausstellen und Artikel 39 Absatz 1 der Bayerischen Haushaltsordnung außer Kraft setzen, wonach wir keine unbegrenzten Bürgschaften geben dürfen. Auch das gehört dazu. In der Begründung, derzufolge Sie das machen müssen, steht wörtlich, dass sonst die Chancen geschmälert würden, den Zuschlag zu bekommen. In dieser Hinsicht kann man auch sagen, dass Sie sich erpressen lassen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sprechen von einzelnen Störfeuern, die aus Garmisch kämen. Ich weiß nicht, wie lange Sie sich mit der Bewerbung befasst haben. Es handelt sich um eine Bewerbung, die alle zwei Monate auf die Schnauze fällt. Das hat bei den Geschäftsführern angefangen, dann kam das Problem der Finanzierung der Bewerbung. Hinzu kam im Frühjahr die Grundstücksproblematik, die immer noch ungelöst ist. Man muss das einfach einmal zur Kenntnis nehmen.
Man muss auch zur Kenntnis nehmen, dass man mit der Aussage angetreten ist, genau das zu vermeiden. Es hieß, die Deutschen seien Weltmeister im Planen, Organisieren und Durchführen. Man hat immer auf die Fußball-WM 2006 verwiesen. Aber man hat nach dem derzeitigen Stand nicht viel erreicht. Man fällt ständig auf die Schnauze, sieht sich vor neuen Hindernissen und kommt nicht weiter. Das ist Fakt.
Hinzu kommt – das ist heute schon deutlich -: Von Herrn Bachhuber ist kritisiert worden, wir liefen durch das Land und kritisierten, alles Geld werde in den Süden geleitet und dem Norden bliebe nichts mehr übrig. Dass diese Angst nicht ganz unbegründet ist, zeigt der Redebeitrag der SPD. Man muss ehrlich sagen: Die Angst ist nicht unbegründet.

(Florian Ritter (SPD): Das hat damit nichts zu tun!)

Doch, damit hat es zu tun; Herr Ritter: Bei der Forderung nach Sondertöpfen auf Bundesebene und der Frage, was Bayern bekommt, wissen Sie genau so gut wie ich, dass die anderen Bundesländer nicht Hurra schreien, wenn Sie Bayern mehr Geld geben sollen. Das wird nicht passieren. Wir haben das bei anderen großen Projekten festgestellt. Warum soll es bei Olympia so kommen?
Des Weiteren muss man sich die Transparenz ansehen: Immer wieder höre ich – auch vonseiten der SPD wurde eine Pressemitteilung herausgegeben -, man fordere Offenheit. Man muss dabei ehrlich sagen: Sie fordern das zu Recht. Sie haben ja wahrscheinlich noch nicht einmal das Umweltkonzept richtig gelesen. Sie führen aus, es koste 40 Millionen. Wenn man sich die Unterlagen ansieht, dann sieht man auf Seite 166, dass es bis zu 139 Millionen Euro kostet. Sie hätten die richtige Zahl verwendet, wenn Sie die Unterlagen gehabt und entsprechend angesehen hätten. Ein weiterer Bereich, der deutlich angesprochen werden muss, ist die Transparenz bei den Kosten. Es wird immer so hingestellt, als ob über die Sicherheitskosten in dem Ausschuss bereits intensiv diskutiert worden sei. Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die Staatsregierung bzw. die Bewerbungsgesellschaft bei den Sicherheitskosten schon jetzt eine kreative Buchführung anwendet; man muss das ganz offen sagen. Ihnen allen ist ja bekannt, dass ein Non-OCOG-Budget und ein OCOG-Budget gibt. Das OCOG-Budget betrifft die reine Durchführung der Spiele. Wir sind uns sicher alle einig: Die Sicherheit während der Spiele ist für die Durchführung der Spiele notwendig. Ich denke, jeder in diesem Hohen Haus ist d’accord, dass das so ist. Wo werden die Sicherheitskosten gebucht? Einmal mit 31,8 Millionen Euro im OCOG-Budget, wo sie hineingehören. Weitere Kosten bis zu einer Summe von circa 50 Millionen Euro werden im Non-OCOG-Budget gebucht. Hierher gehören keine Sicherheitskosten. Die Kosten für die Polizistinnen und Polizisten aus anderen Bundesländern werden überden laufenden Haushalt gebucht. Das steht im Olympia-Gesetz. Das heißt: Schon jetzt, bevor die Spiele überhaupt stattfinden, wird über drei verschiedene Posten gebucht. Man müsste ganz ehrlich sagen: Die entstehenden Kosten für die Durchführung – das sind die Sicherheitskosten – gehören in das OCOG-Budget und dürfen nirgendwo anders gebucht werden. Vorhin wurde – ich glaube, von Herrn Kollegen Ritter – die Frage angesprochen, wo man in Bezug auf den Tourismus hin möchte. Wenn man jetzt weiter auf den Wintersport setzt, macht man genauso weiter wie in den letzten Jahren. Man muss das ganz offen sagen.
Die Chancen der Region Garmisch-Partenkirchen für den sanften und nachhaltigen Tourismus im Zuge eines Klimawandels werden sicher nicht im Wintersport liegen. Mit Sicherheit wird das nicht funktionieren. Wintersport und Liftanlagen rentierten sich nur bei 100 Tagen Schneesicherheit. Das wird dort nicht klappen. Mit diesem Ereignis wird Garmisch-Partenkirchen aber als Wintersportort beworben. Ich möchte das einmal sehen, wenn die Bauarbeiten dort stattfinden und an den Hängen gearbeitet wird. Es wird dort Eingriffe geben; das ist unumstritten. Was sagt eigentlich der Sommertourist, der vorher kommt, dazu? Geht er dort hin, wo der Lärm ist? Das wird er nicht tun. Wer sagt, dass er nach zwei oder drei Jahren wieder kommen wird? Das wird so nicht eintreten. Die Anlagen müssen ein Jahr vor Beginn der Spiele fertig sein – und damit nicht erst 2018. Das heißt, die Baustellen existieren bereits zwei Jahre davor. Man muss sich überlegen, ob man das in dieser Region haben möchte. Das Tal ist für dieses große Event einfach zu klein.
Obwohl es im Olympia-Gesetz enthalten ist, wird über Folgendes kaum diskutiert: Wir greifen massiv in die Planungshoheit der Kommunen ein. Wir schreiben vor, dass im näheren Umkreis der Austragungsorte keine Sportevents stattfinden dürfen, und zwar eine Woche vor und während der Spiele und auch eine Woche danach. Muten wir uns als Landesparlament zu, das den benachbarten Kommunen vorzuschreiben? Das liegt eigentlich in deren Hoheit. Man kann das eigentlich so nicht machen.
Deutlich angesprochen werden muss auch das Thema der Kosten und der Einnahmen. Ich bin damit beim Hauptkritikpunkt von unserer Seite. Die Kosten werden überall optimal gerechnet, während die Ausgaben heruntergerechnet werden. Das ist Fakt und es ist erstaunlich, dass der Präsident des DOSB in den Medien verkünden lässt, dass der Zuschuss aus den Fernsehrechten größer sein könnte als bisher geschätzt und geplant. Er nennt dabei eine Zahl von 440 Millionen Dollar. Genau diese Zahl steht jedoch bereits in den Unterlagen. Genau diese Zahl – das hat das IOC bekanntgegeben – ist die höchste Förderung, die man hinsichtlich des Zuschusses aus den Fernsehrechten bekommen kann. Er läuft aber durch das Land und erzählt, es werde ohnehin mehr, man habe nur konservativ gerechnet. Man hat bereits bisher mit den Höchsteinnahmen gerechnet. Das ist ganz klar.
Erstaunt hat mich – heute wurde nicht so intensiv darüber diskutiert wie in den Ausschüssen -, dass behauptet worden sei, die GRÜNEN seien die einzigen, die ein Störfeuer gegen die Olympia-Bewerbung richteten. Wenn man sich den Ablauf der Kreistagssitzungen im Landkreis Garmisch-Partenkirchen ansieht, dann sieht man: Sechs CSUler stimmten gegen die Bewerbung, genauso fünf SPDler, zwei GRÜNE – das versteht sich wohl von selbst -, zwei ÖDPler und ein FDPler. Das heißt, die direkt vor Ort Betroffenen setzen sich anders mit dem Thema auseinander. Sie setzen sich massiv anders damit auseinander.

(Prof. Dr. Georg Barfuß (FDP): Das ist in Gorleben genauso!)

Dieses Anliegen sollten wir in diesem Haus diskutieren. Die GRÜNEN haben einen Bundesparteitagsbeschluss, wonach sich die Bundespartei dagegen ausspricht. Die GRÜNEN haben sich auf der Stadtversammlung mit einer Zweidrittelmehrheit gegen die Bewerbung ausgesprochen. Es ist richtig, dass die Rathaus-Fraktion dabei ist, aber alle entscheidenden Gremien der GRÜNEN haben sich dagegen ausgesprochen.

(Markus Rinderspacher (SPD): Ist die Stadtratsfraktion kein entscheidendes Gremium?)

– Ich meine Parteigremien.
Zum Schluss möchte ich anmerken: Es wird immer wieder gesagt, in diesem Land sei die Zustimmung gewaltig. Die Leute sind begeistert, es brennt ihnen in den Augen und sie sind begeistert. Als man gestartet ist, hat man von Zustimmungsraten von 80 bis 85 % bundesweit gesprochen. Nach einem aktuellen ARD-Trend liegt man bei 60 %. Das heißt, die Menschen, die gar nicht so intensiv von der Problematik vor Ort betroffen sind und nur erst das Positive sehen, äußern sich kritisch, weil sie Angst bezüglich der explodierenden Kosten haben, die uns Olympia mit Sicherheit bringen wird. Für uns ist ganz klar: Es kann nicht sein, dass wir ein Gesetz verabschieden, nachdem wir unbegrenzt haften, falls es zu einem Defizit kommt. Ein Drittel von unbegrenzt ist auch unbegrenzt. Das kann nicht sein, und aus diesem Grunde lehnen wir den Gesetzentwurf zum Olympia-Gesetz selbstverständlich ab.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(…)

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Herr Kollege Ritter, ich möchte nur einmal ganz kurz an das Thema Transrapid und SPD erinnern oder auch an das Thema dritte Startbahn/SPD-Parteitag. Sie kennen die Problematik genauso wie wir. Da brauchen Sie jetzt keine so große Show abzuziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein Bereich, den Sie angesprochen haben, war, dass die Stadtratsfraktion am Anfang eine Rückendeckung von der Basis gehabt haben. Die zwei Beschlüsse der
Basis hatten immer den Wortlaut, man müsse alles ansehen, bis die Unterlagen vorliegen. Die endgültigen Unterlagen zur Finanzierung und das Eckdatenpapier lagen aber erst im September vor. Danach gab es in der Stadtversammlung eine Zweidrittelmehrheit an Gegenstimmen. Es ist doch durchaus legitim, ein Projekt kritisch zu begleiten, bis die Fakten auf dem Tisch liegen.

(Anhaltende Zurufe – Glocke des Präsidenten)

Wenn dann die Fakten auf dem Tisch liegen und man sagt, nein, so geht das nicht weiter, dann ist das ganz legitim. Ich finde es schade, dass die SPD sich nun einmal entschieden hat, auf neuere Überlegungen nicht eingeht und notfalls den Zug gegen die Wand fahren lässt. Das ist nicht unsere Art von Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und nun speziell zu Olympia. Wir hatten schon von Anfang an Debatten über ein Konzept und Gespräche mit der DOSB. Da hat hier im Hohen Hause noch kaum jemand von Olympia gesprochen. Es hieß dann immer: Wir müssen den Zuschlag kriegen. Das war das größte Ziel.
Ich kann kein Novum schaffen, ich kann kein Vorzeigeöko-Bewerbungskonzept schaffen, wenn ich nur das Ziel habe, den Zuschlag auf Teufel komm raus zu bekommen. Das funktioniert nicht. Ich kann mir Olympia durchaus vorstellen, das muss ich ehrlich sagen. Es könnte regelmäßig an drei, vier oder fünf bestimmten Orten stattfinden, in denen die entsprechenden Anlagen vorhanden sind, auf Höhen, in denen die Schneesicherheit garantiert ist. Es geht aber nicht, dass die Spitzensportanlagen zu Olympia kommen, sondern Olympia muss zu den Anlagen kommen. So muss es laufen.
Ein weiterer Bereich: Wenn man wirklich von einem Novum spricht, sollte eine selbstbewusste Stadt wie München den Mut haben, im Zuge der Inklusionsdebatte einmal darüber nachzudenken, warum die Paralympics immer hinten dran gehängt wird. Warum findet sie nicht im gleichen Zeitfenster statt? Wir sollten diese Debatte einmal ehrlich führen und uns damit auseinandersetzen. Ich finde es zu einfach, uns nur vorzuwerfen, wir seien dagegen. Wir sind gegen die vorhandene Bewerbung mit dem vorhandenen Konzept. Denn das ist absolut der falsche Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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Das Olympiagesetz wurde gegen 16 Stimmen aus unserer Fraktion angenommen.

Anbei finden Sie den Link zu einem Videomitschnitt meiner Rede und zur gesamten Debatte um das Olympiagesetz. Außerdem das von allen anderen Parteien zugestimmte Olympiagesetz im Wortlaut und Sie können in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen.

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