14. Dezember 2011

Gesetzentwurf der SPD: Absenkung des Wahlalters

Meine Rede im Plenum vom 14.12.2011

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich kann mich den Ausführungen der SPD im Großen und Ganzen anschließen. Ich möchte mit einem Thema anfangen, das Herr Kollege Heike von der CSU in die Debatte geworfen hat. Auch Sie, Herr Heike, haben nicht wirklich neue Argumente gebracht. Sie haben den Aspekt, dass ein Jugendlicher mit 16 Jahren wählen darf, aber noch keine rechtskräftigen Verträge unterschreiben darf, wieder ganz an den Anfang gestellt. Es liegt aber in der Natur der Sache von Zivil- und Strafrecht, dass wir die Altersgrenze in diesem Bereich geschaffen haben, um die jungen Menschen vor etwas zu schützen. Wenn sie einen Vertrag abschließen, ohne dass ihnen die Konsequenzen bewusst sind, dann will man sie davor schützen. Auch im Strafrecht will man sie schützen. Niemand kann mir aber erzählen, dass wir junge Menschen davor schützen müssen, sich an der Demokratie zu beteiligen und ein aktives Wahlrecht auf kommunaler Ebene auszuüben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist doch ein gewaltiger Unterschied, der nicht mit dem Gedanken der Altersgrenze im Zivil- oder Strafrecht vergleichbar ist. Das ist definitiv nicht vergleichbar.
Bei der Ersten Lesung zum Gesetzentwurf der SPD wurde durch Staatsminister Herrmann, der leider im Moment nicht im Hause ist, der Konflikt zwischen der Volljährigkeit und dem Wahlrecht immer wieder betont. Dazu muss man deutlich sagen: Von 1970 bis 1975 hatten wir genau diesen Fall in Deutschland: Volljährigkeit und Wahlrecht waren getrennt. Das ist im Moment auch in Österreich der Fall. Das Wahlalter liegt dort bei 16, die Volljährigkeit bei 18 Jahren. Seit 1996 besteht dieser Umstand auch in Niedersachsen bei der Kommunalwahl: Während die Volljährigkeit bei 18 Jahren liegt, wurde das Wahlalter auf 16 Jahre gesenkt. In Niedersachsen wurden damit bereits vier Kommunalwahlen durchgeführt, schlechte Erfahrungen gab es dabei nicht.
Der bayerische Innenminister hat mehrfach kritisiert, dass die Jugendlichen nicht reif genug seien, um zu wählen. Man könnte auch vereinfacht sagen, ob die Jugendlichen in der Lage sind – ich sage das jetzt in Anführungszeichen – „richtig zu wählen“. Man muss sich einmal die Situation in den letzten Jahren in Bremen ansehen, seit das Wahlrecht für die Landtagswahl gesenkt worden ist. Es ist nicht nachvollziehbar und durch die Statistik auch nicht zu belegen, dass die Jugendlichen links- oder rechtsaußen wählen. Das tun sie definitiv nicht. Im Jahr 2009 gab es ein bundesweites Wahlprojekt „U 18“. Dieses Projekt wurde ausgewertet mit dem Ergebnis, dass die Tierschutzpartei mehr Stimmen als die gesamten Splitterparteien am linken oder rechten Rand bekommen hat. Die Jugendlichen wählen also durchaus verantwortungsbewusst und würden mit ihrer Stimme auch hier verantwortungsbewusst umgehen.
Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein Unionspolitiker oder der Innenminister auf einem Parteitag der Jungen Union auftreten und den Jugendlichen die Wahlfähigkeit absprechen würde, oder sagen wir lieber, bei der Schülerunion. Denn bei der Jungen Union haben die meisten ein Alter so wie ich, also über 30 Jahre. Würde sich also jemand bei der Schülerunion hinstellen und den jungen Menschen, die sich engagieren, die sich politisch einbringen möchten, sagen: „Sie sind noch nicht fähig, zu wählen.“? Ich würde gerne mal sehen, wie man damit umgeht.
Zum Schluss möchte ich noch einen weiteren Bereich ansprechen, ohne dass ich alle Argumente wiederholen will. Es ist an der Zeit, um endlich der Politikverdrossenheit entgegenzuwirken und ein Zeichen zu setzen. Die Kommunalwahl, bei der sich junge Menschen gut informieren können, wo die Entscheidungen, welche die Kommune betreffen, meistens in ihrem sozialen Umfeld, sozusagen vor der Haustür geschehen, wo man sich schnell einarbeiten kann, wäre die erste Stelle, um das Wahlalter zu senken. Ein Jahr geht zu Ende, in dem die Regierungsparteien deutlich bewiesen haben, dass sie sich von alten Denkmustern durchaus trennen und eine Kehrtwende vollziehen können. Es ist höchste Zeit, den jungen Menschen mehr politische Teilhabe zu ermöglichen und auch hier endlich eine Kehrtwende zu vollziehen, um damit dem Desinteresse junger Menschen an der Politik etwas entgegenzuwirken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

(…)

Meine Zwischenfrage an Herrn Staatssekretär Eck:

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Herr Staatssekretär,
Sie haben gesagt, dass manche Jugendliche noch nicht so gut informiert sind, um an einer Wahl teilzunehmen. Habe ich Sie richtig verstanden, dass die Jugendlichen in Niedersachsen weiter sind als die bayerischen Jugendlichen? Sind die Jugendlichen in Österreich weiter als die bayerischen Jugendlichen?

(Beifall des Abgeordneten Dr. Linus Förster (SPD))

Diese Frage stellt sich bei Ihrer Aussage.
Können Sie mir irgendeinen Fall nennen, in dem irgendein Wähler, ob nun 18 oder 95 Jahre alt, wie bei einem Vertragsabschluss persönlich in Haftung genommen worden ist, weil er an der Wahl teilgenommen hat?

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Der Gesetzentwurf der SPD-Fraktion wurde in namentlicher Abstimmung mit 64 zu 80 Stimmen bei 4 Enthaltungen abgelehnt. Die genauen Abstimmungsergebnisse finden Sie am Ende des hier als pdf-Datei hinterlegten Protokollauszugs.

Anbei finden Sie auch Links zu Videomitschnitten meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen.

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