Forderungen und Maßnahmen für eine zukunftsfähige Landwirtschaft
Ich habe in den letzten Monaten viele bayerischen Landwirtinnen und Landwirten getroffen, ihnen zugehört und und mit ihnen diskutiert. Ihre Sorgen und Ängste sind berechtigt. Wir brauchen ein Konzept, das langfristig den Kreis aus „Wachsen und Weichen“ durchbricht. Wir müssen die Landwirtschaft zukunftsfähig machen, ohne dabei unsere Umwelt auf Spiel zu setzen. Wir müssen dafür sorgen, dass unsere bayerischen Bäuerinnen und Bauern ihre Familien gut ernähren können und gleichzeitig unsere Gewässer, Boden, Klima und der Erhalt der Kulturlandschaft geschützt werden.
Wir GRÜNE haben zukunftsfähige Ideen, wie die Wende im System gelingen kann. Viele davon sind in Bayern umsetzbar – wir müssen nur mutig vorangehen.
Pflanzenschutz
Wir GRÜNE wollen eine Landwirtschaft, die mit der Natur arbeitet und nicht gegen sie. Dazu gehört auch ein Verzicht auf besonders problematische Pestizide wie das Pflanzengift Glyphosat und die bienengefährlichen Neonicotinoide. Dass es auch ohne geht, beweist die ökologische Landwirtschaft. Wir brauchen mehr Forschung, wie die Landwirtschaft ohne Agrargifte auskommen kann.
Die Leistung der Bauern als Naturschützer muss anerkannt werden. Das derzeitige bayerische Kulturlandschaftsprogramm (KULAP) richtet sich nur grob an einer sinnhaften Bewirtschaftung für Artenvielfalt, Natur und Gewässern aus. Das KULAP muss deshalb neu aufgestellt werden: Wir brauchen mehr Anreize im System für mehr Tierschutz, Umwelt- und Artenschutz. Entscheidend darf nicht sein, wie viele Tiere ein Landwirt hat oder welche Mengen sein Hof produziert, sondern dass seine Arbeit anerkannt wird und er davon leben kann.
In Bayern können wir in den Kernzonen der Artenvielfalt (überwiegend Flächen mit geringen Erträgen, Magerrasen, Flachmoore) mit einer auf den Naturschutz ausgerichtete Bewirtschaftung Landschaftspflegehöfe fördern. Das heißt, die Grundfinanzierung der Betriebe muss über den Naturschutz kommen, obendrauf kommen dann noch Erlöse durch Qualitätsprodukte wie artgerechte Weidehaltung bei Rindern, Schafen und Ziegen oder Bioackerfrüchten.
Tierhaltung
Für die Tierhaltung der Zukunft haben wir ein klares Ziel: „Grüner statt größer werden“. Die Subventionierung von großem Massentierhaltungsställen muss ein Ende haben, stattdessen müssen kleine Strukturen gefördert werden. Die Tiere brauchen mehr Platz, Auslauf, Licht und Beschäftigung. Um eine artgerechte Tierhaltung in Bayern zu fördern, können wir z.B. die Weideprämien ausbauen. Auf Bundesebene setzen wir uns z.B. für eine Haltungskennzeichnung für Fleisch und Milch, so wie sie bereits erfolgreich bei Eiern praktiziert wird, ein. Außerdem wollen wir die Muttersauen raus lassen und fordern eine zügige, umfassende und langfristige Unterstützung beim Umbau der Ställe auf Haltungsformen mit verbessertem Tierwohl und ohne Fixierung.
Vermarktung
Wir müssen auf regionale Vermarktung und eine regionale Wertschöpfungskette setzen. Eine ganz konkrete Maßnahme wäre: In jedem unserer 71 Landkreisen wird eine Stelle geschaffen, welche die Regionalvermarktung voranbringt und den Kontakt zwischen Landwirten*innen, Verbraucher*innen, Kantinen und Einzelhandel herstellt und koordiniert. Außerdem muss der Aufbau regional wichtiger Infrastrukturen (z.B. regionale Schlachthöfe) unterstützt werden.
Wir brauchen eine verpflichtende Regio-Bio-Quote in öffentlichen Kantinen, Schulen und Kindergärten: Milch, Käse, Fleisch und Gemüse aus Bayern muss auf den Tisch. Die Tourismus- und Gaststättenförderungen kann an Einhaltung einer Bio-Regio-Quote gekoppelt werden. Und wir können durch Bildung und Bauernhofbesuche in den Kindergärten und Schulen dafür sorgen, dass schon unsere Kleinen wissen, wie und wo gute Lebensmittel produziert werden und ein neues gemeinsames Bewusstsein schaffen für hochwertig und ökologisch verantwortlich erzeugte Lebensmittel aus Bayern.
Wir GRÜNE wollen, dass die Preise auch in der Landwirtschaft die ökologische Wahrheit sagen – und das muss sich im Geldbeutel der Landwirtinnen und Landwirte positiv bemerkbar machen. Denn wenn ein bayerischer Landwirt Natur, Artenvielfalt und Ressourcen schont, sollte er am Ende auch daran verdienen. Wir sprechen uns deshalb für eine klare Kennzeichnung von Fleisch (Herkunft, Haltung) aus. Ähnlich wie bei Eiern muss eine Kennzeichnungspflicht für Fleisch und alle tierischen Produkte die Verbraucherinnen und Verbrauchen darüber informieren, wo das Produkt herkommt und wie es produziert wurde. Dabei müssen auch verarbeitete Produkte und Außer-Haus-Verzehr mit einbezogen werden.
Finanzen
Landwirtschaft muss sich wieder lohnen! Neben fairen Preisen für landwirtschaftlich erzeugte Produkte wollen wir, dass die Finanzierung der Landwirtschaft grundlegend neu aufgestellt wird: Auf europäischer Ebene und auf Bundesebene setzen sich die GRÜNEN dafür ein, dass die sogenannte „zweite Säule“ gestärkt wird. Wir fordern, das Direktzahlungsgesetz so zu ändern, dass die EU-Direktzahlungen auf 150 000 € pro Betrieb gedeckelt und 30 Prozent der Gelder für die ersten 46 Hektar umgeschichtet werden. Außerdem wollen wir über eine Umverteilung der Gelder auf die sogenannte „zweite Säule“ der Agrarpolitik die Agrarumwelt- und Tierschutzprogramme stärken, um die gesellschaftlichen Leistungen der Landwirtschaft gezielter und besser zu unterstützen. Wir wollen eine faire Verteilung von Agrargeldern weg von Agrarindustrie-Betrieben und zugunsten von bäuerlichen Betrieben, die umwelt- und tierverträglich arbeiten.
Auf Bundesebene setzen sich die GRÜNEN dafür ein, dass die Ratifizierung des Freihandelsabkommens der EU mit dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur gestoppt werden. Das Abkommen setzt auf zusätzliche Exporte europäischer Firmen bei Autos und Autoteilen, Maschinen, Chemikalien und Pharmazeutika und gewährt den Mercosur-Staaten im Gegenzug höhere Rindfleisch-, Zucker- und Ethanol-Exporte nach Europa.
Außerdem wollen wir weitere Einnahmequellen für Landwirtinnen und Landwirte erhalten bzw. schaffen. Das gehören eine unbürokratischen Anschlussförderung für Biogasanlagen und eine Holzbauoffensive: Öffentliche Bauten – auch Brücken – sollen künftig wenn möglich vorrangig aus Holz gebaut werden. Mit klimafreundlichem Holzwohnungsbau in ganz Bayern können wir mehr klimaschädliches Treibhausgas CO2 langfristig binden und den Preisverfall auf dem Holzmarkt abfedern.
Biobetriebe fördern
Neben der Absatzförderung durch BioRegio-Produkte und einer Stärkung im KULAP, muss die ökologische Landwirtschaft auch in der landwirtschaftlichen Aus- und Fortbildung deutlich gestärkt und als gleichwertige Alternative zur konventionellen Landwirtschaft vermittelt werden.
Zudem wollen wir neue Anträge von Ökomodellregionen fördern. Ökomodellregionen liefern einen wertvollen Beitrag zur Entwicklung des Ökolandbaus: Durch den Aufbau von Verarbeitungs- und Vermarktungsstrukturen wird ökologisches Wirtschaften in der Landwirtschaft oder in gärtnerischen Betrieben gestärkt und durch die Bewusstseinsbildung und Information in den Ökomodellregionen steigt das Bewusstsein der Verbraucher*innen für regionale Wirtschaftskreisläufe und die regionale Herkunft von Ökolebensmitteln.
Pflanzenverträgliche Düngung
Die Menge an Stickstoff- und Phosphatdüngung muss begrenzt werden und sich am tatsächlichen Bedarf der Pflanzen orientieren sowie sämtliche auf den Feldern landende Stickstoffmengen einbeziehen – unabhängig davon, ob der Stickstoff aus dem Güllefass, aus dem Kunstdüngerstreuer oder aus der Luft kommt. Wir müssen unser wichtigstes Lebensmittel – unser Grundwasser schützen. Mit einer Erhöhung der erlaubten Stickstoffmenge wird das Problem nicht gelöst, sondern nur verschoben. Wir müssen die Düngung nach einem einfachen Grundsatz ausrichten: Es ist so viel Ausbringung erlaubt, wie die Pflanzen aufnehmen können – nicht bedarfsgerecht, sondern pflanzenverträglich. Alles, was darüber hinaus geht, schadet unserem Grundwasser und kommt schließlich als Nitrat im Trinkwasser wieder bei uns an. Wenn wir das System „schneller, höher, weiter“ weiterfahren, werden die Bäuerinnen und Bauern in eine Sackgasse getrieben. Auf Dauer hilft nur ein Systemwechsel in der Landwirtschaft: weniger Tiere, weniger Grünlandschnitt, weniger Dünger.
Dennoch muss die Nitratrichtline wirksam nachjustiert werden. Wir GRÜNE wollen, dass das Messstellennetz länderspezifisch engmaschiger gestaltet und die Messwerte der Europäischen Länder vergleichbar werden.
Flächenverbrauch: „Bauernland in Bauerhand“
Wir brauchen ein Schutzprogramm für landwirtschaftliche Flächen, damit unsere Wiesen, Felder und Wälder nicht dem fortschreitenden Flächenverbrauch zum Opfer fallen. Zu unserem bereits in den Landtag eingebrachten Flächenspargesetz mit einer verbindlichen Höchstgrenze von fünf Hektar Flächenverbrauch pro Tag wird voraussichtlich im 1. Quartal 2020 eine Anhörung stattfinden. Die verbindliche Höchstgrenze ist ein wesentlicher Schritt, Überbauung und Betonierung von landwirtschaftlichen Flächen einzudämmen und für bezahlbare Pachtpreise zu sorgen.
Viele der Maßnahmen sind sofort umsetzbar, bei anderen brauchen wir eine Umstellungszeit von einigen Jahren. In den letzten 10 Jahren sind in Bayern ca. 12.000 Höfe verschwunden. Bis 2030 wird eine weitere Halbierung der Betriebszahl vorhergesagt – trotz Förderungen sowie dem Einsatz von Pestiziden und Kunstdüngern. Wir müssen jetzt handeln, um das Höfesterben aufzuhalten. Was wir brauchen, ist eine langfristige Planungssicherheit für alle Bäuerinnen und Bauern – die erreichen wir nur mit klar nachvollziehbaren, wissenschafts- und praxisbasierten Regularien.
(Stand: 03/2020)