27. September 2012

Handeln gegen Rechtsextremismus – Aktionsprogramm für Bayern 3: Förderprogramm Zivilgesellschaftliche Initiativen

Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, zivilgesellschaftliche Initiativen und bürgerschaftliches Engagement gegen Rechtsextremismus deutlich stärker als bisher zu fördern. In einem neu aufgelegten Förder- und Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus soll die Staatsregierung u.a.
– die Maßnahmen und Mittel zur „‚Prävention gegen den Rechtsextremismus‘ bzw.‚ Demokratieerziehung‘“ deut­lich ausweiten,
– die chronisch unterfinanzierten bürgerschaftlichen und kommunalen Bündnisse finanziell und organisatorisch besser unterstützen,
– bei der Bayerischen Landeszentrale für Politische Bildungsarbeit einen Interventionsfonds einrichten, aus dem engagierte Bürgerinnen und Bürger unkompliziert Mittel für Projekte, Aktionen und Initiativen gegen Rechtsextremismus abrufen können,
– durch die Landeszentrale Mittel bereitzustellen, durch die – entsprechend dem „Berliner Schattenbericht“
– eine zivilgesellschaftliche Dokumentation von rechtsextremen Vorfällen erstellt werden kann, die polizeiliche Statistiken ergänzt,
– von allen Bestrebungen Abstand nehmen, zivilgesellschaftliche durch staatliche Aktivitäten zu verdrängen und zu ersetzen, sondern immer da, wo es möglich und geboten ist, bürgerschaftlichem vor staatlichem Handeln den Vorrang einräumen.

Begründung:
Ein schwerwiegendes Defizit der Maßnahmen der Staatsregierung gegen Rechtsextremismus in Bayern besteht u.E. auch nach Einführung des Handlungskonzepts fort: Die mangelhafte Einbindung und unzureichende Unterstützung der Zivilgesellschaft in den Kampf gegen den Rechtsextremismus. Selbstverständlich ist es wichtig, Polizei, Justiz, Strafvollzug und Verfassungsschutz in den Kampf gegen den Rechtsextremismus einzubinden und ihre Arbeit stetig zu verbessern. Doch wie die Staatsregierung selbst feststellt, reichen Polizei und Justiz nicht aus, um dem Rechtsextremismus in der Gesellschaft vorzubeugen: „Der Staat ist aber nicht allein gefordert, wenn es darum geht, Rechtsextremisten deutlich zu machen, dass sie in Bayern keine Chance haben. Gefordert sind vielmehr alle Menschen, die Vereine und Organisationen, die Kommunen, die gesamte Zivilgesellschaft. Der Schutz der Verfassung und seiner Werte darf nicht allein den dafür zuständigen Behörden überlassen werden, sondern bedarf des aktiven und mutigen Engagements Aller, die hinsehen und sich für unsere freiheitliche demokratische Ordnung stark machen. Überall, wo er sich im öffentlichen Raum zeigt, muss dem Rechtsextremismus entgegengetreten werden. Dazu bedarf es Zivilcourage und einer neuen Kultur des Hinschauens“ (Ministerratsbeschluss vom 12.01.09, „Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus“ S. 28). Wer, wie die Staatsregierung bürgerschaftliches Engagement fordert, muss es auch fördern.
Leider weist die Staatsregierung in ihrem Handlungskonzept dem zivilgesellschaftlichen Engagement nur eine Randrolle zu. Sie muss selbst einräumen: „Ein aus Landesmitteln finanziertes Förderprogramm für Initiativen gegen (Rechts-)Extremismus besteht in Bayern nicht.“
Zur „‚Prävention gegen den Rechtsextremismus‘ bzw. ‚Demokratieerziehung‘“ fördert die Staatsregierung nach eigenen Angaben genau drei Maßnahmen:
– die Landeskoordinierungsstelle (LKS) beim Bayerischen Jugendring mit 54 000 €,
– „Pädagogik rund um das Dokumentationszentrum“ beim KJR Nürnberg mit 40 000 €,
– das Netzwerk „Schule ohne Rassismus, Schule mit Courage“ mit 81 000 €.
– Dazu kommt die Förderung der Projektstelle des „Bayerischen Bündnisses für Toleranz – Demokratie und Menschenwürde schützen“, Bad Alexandersbad, künftig mit knapp 60 000 €, wobei der Anteil des Innenministeriums jüngst von 10 000 auf 30 000 € aufgestockt wurde. Allerdings kompensiert das Innenministerium damit lediglich die reduzierte Förderung durch die finanziell klamme Stadt Wunsiedel.
Insgesamt sind alle bestehenden zivilgesellschaftlichen Initiativen und Einrichtungen gegen Rechtsextremismus in Bayern chronisch unterfinanziert. Insbesondere trifft das auf die zivilgesellschaftlichen Bündnisse zu. Dass die Staatsregierung 2012  24 000 € mehr für zivilgesellschaftliche Initiativen (4.000 + 20.000 €) aufbringt und sich dessen auch noch rühmt, ist u.E. völlig unangemessen.
Eine Besonderheit bayerischer staatlicher Politik gegen den Rechtsextremismus im Vergleich zu anderen Bundesländern ist nicht nur die geringe finanzielle und organisatorische Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Initiativen, sondern darüber hinaus eine besonders ausgeprägte Tendenz, diese Initiativen staatlich möglichst zu kontrollieren und durch staatliche Aktivitäten zu ersetzen, bis hin zur tendenziellen Monopolisierung von Prävention und Öffentlichkeitsarbeit. Diese Tendenz findet sich auch auf Bundesebene. Unlängst wendete sich die „Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung“ gegen einen „Prozess der ‚Verstaatlichung‘ der Zivilgesellschaft, der seit 2007 durch die Rahmenbedingungen der Bundesprogramme begonnen hat“: „Der Begriff ‚Verstaatlichung der Zivilgesellschaft‘ bezieht sich auf Kritik der wissenschaftlichen Begleitforschung zu den aktuellen Bundesprogrammen gegen Rechtsextremismus und meint den Versuch, durch staatliche Einflüsse zivilgesellschaftliche Projekte und Trägerpolitik zu steuern bzw. zu beeinflussen.‘ Aber: „Zivilgesellschaftliche Initiativen wollen und können unabhängig arbeiten und dürfen nicht zum Anhängsel staatlicher Strukturen werden.“ Dies gilt in besonderer Weise auch für die Initiativen in unserem Land. Auf die Vielfalt rechtsextremer Aktionsformen und Einstellungsmuster müssen Staat und Zivilgesellschaft mit einer Vielzahl von Aktionen, Netzwerken und Einrichtungen reagieren.

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Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Antrags im Bayerischen Landtag.

Wie sie den Unterlagen unter dem oben stehenden Link entnehmen können, wurde unser Antrag leider durch die Stimmen der Regierungsfraktionen von CSU und FDP (bei Enthaltung der Freien Wähler) abgelehnt.