Einschränkung des Ausbaus von Solarenergie durch Ortssatzungen, Bebauungspläne und Individualverträge beim Grunderwerb
Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ludwig Hartmann, Christine Kamm und Susanna Tausendfreund (Bündnis 90/ Die Grünen) vom 10.11.2008 mit Antwort des Bayerischen Wirtschaftsministeriums vom 19.12.2008 (kursiv dargestellt)
In Bayern sind Solaranlagen aufgrund der hiesigen günstigen Sonnennutzungsdauern besonders sinnvoll und wirtschaftlich attraktiv. Dennoch erreicht auch Bayern mit den derzeitigen Maßnahmen nicht die von der Bundesregierung vorgegebenen Nutzungsziele bei den erneuerbaren Energien. Vielfach wird der Ausbau erneuerbarer Energien vor Ort durch bürokratische Hemmnisse behindert. Dies ist besonders bedauerlich bei der Dachnutzung von thermischer oder elektrischer Sonnenenergie, da hier ohne zusätzlichen Flächenverbrauch umweltfreundliche Energie gewonnen werden kann. Mittlerweile existieren viele historische und wertvolle landschaftstypische Gebäude, bei denen gute und ansprechende Lösungen für ästhetisch überzeugende Gestaltungen der Solaranlagen auf dem Dach gefunden wurden. Mit Gestaltungssatzungen, die die Solarnutzung nur auf einen Teil von beispielsweise 20 oder 25 Prozent der Dachfläche beschränken wollen, können jedoch nur in den seltensten Fällen ansprechende Lösungen erzielt werden, zudem wird die Nutzung umweltfreundlicher Energien bürokratisch behindert und dadurch die Investoren zu unwirtschaftlicheren Lösungen gezwungen.
Wir stellen daher folgende schriftliche Anfrage:
In Abstimmung mit der Obersten Baubehörde im Staatsministerium des Innern beantworte ich die Schriftliche Anfrage wie folgt:
1. In wie vielen und welchen Gemeinden in Bayern bestehen derzeit Ortssatzungen, die die Nutzung von thermischen oder elektrischen Solaranlagen in bestimmten Gemeindegebieten a) ganz ausschließen oder b) auf einen Teil der Dachfläche beschränken?
2. In wie vielen und welchen Gemeinden in Bayern bestehen derzeit Bebauungspläne, die die Nutzung von thermischen oder elektrischen Solaranlagen in bestimmten Gemeindegebieten a) ganz ausschließen oder b) auf einen Teil der Dachfläche beschränken?
Zu 1. und 2.:
Die Fragen sind in der zur Verfügung stehenden Zeit und mit vertretbarem Verwaltungsaufwand nicht zu beantworten. Statistiken zu einschlägigen Festsetzungen in Bebauungsplänen nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 1 der Bayerischen Bauordnung (BayBO) i. V. m. § 9 Abs. 4 des Baugesetzbuchs (BauGB) und entsprechende Regelungen in örtlichen Bauvorschriften (Art. 81 Abs. 1 Nr. 1 BayBO) werden von den Bauaufsichtsbehörden nicht geführt. Die Daten müssten erst bei den Landratsämtern – ggf. unter Einschaltung der Gemeinden, da nicht sichergestellt ist, dass ihnen die einschlägigen Regelungen vollständig vorliegen – sowie von den Gemeinden, die untere Bauaufsichtsbehörden sind, selbst erhoben werden. Eine solche Erhebung ergäbe auch kein sachlich weiterführendes Resultat: Aus der bloßen Zahl der Bebauungspläne und örtlichen Bauvorschriften, die die Zulässigkeit von Solaranlagen auf Dächern beschränken oder ausschließen, lässt sich nicht ableiten, welche Flächen für solche Einrichtungen zur Verfügung stünden, wenn dieser Nutzung solche Beschränkungsregelungen nicht entgegenstünden.
3. Wie beurteilt die Staatsregierung derartige Hemmnisse vor dem Hintergrund des immer weiter fortschreitenden Klimawandels?
Zu 3.:
Regelungen der angesprochenen Art in Bebauungsplänen und örtlichen Bauvorschriften stammen in aller Regel aus einer Zeit, in der die Anbringung von Solaranlagen auf Dächern ausschließlich unter gestalterischen Gesichtspunkten, namentlich dem Aspekt der Erhaltung gewachsener Dachlandschaften betrachtet worden ist, ohne dass die zwischenzeitlich deutlich in den Vordergrund getretenen Belange des Klimaschutzes und der im Hinblick darauf notwendigen verstärkten Nutzung regenerativer Energien in die Erwägungen des Ortsgesetzgebers Eingang gefunden haben. Die Staatsregierung hält es deshalb für wünschenswert, wenn Gemeinden, in deren Gebiet solche Regelungen gelten, unter Würdigung der Verhältnisse des Einzelfalls überprüfen, ob daran überhaupt oder in vollem Umfang festgehalten werden soll. Unabhängig von einer Änderung solcher Rechtsvorschriften besteht aber bereits jetzt bei Bebauungsplänen mit Blick auf das bei deren Aufstellung nicht mit der heutigen Bedeutung erkannte und erkennbare öffentliche Interesse an der Nutzung regenerativer Energien die Möglichkeit, Befreiungen nach § 31 Abs. 1 Nr. 1 BauGB, Art. 81 Abs. 2 Satz 2 BayBO, bei örtlichen Bauvorschriften Abweichungen nach Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayBO zuzulassen. Dafür ist allerdings bei genehmigungsbedürftigen Anlagen das gemeindliche Einvernehmen erforderlich (§ 36 Abs. 1 Satz 1 BauGB, Art. 63 Abs. 3 Satz 2 BayBO); bei verfahrensfreien Anlagen (vgl. Art. 57 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BayBO) entscheiden die Gemeinden selbst (Art. 63 Abs. 3 Satz 1 BayBO).
4. a) In wie vielen und welchen Gemeinden in Bayern wird oder wurde über Mussvorschriften beim Grunderwerb kommunaler Flächen im Grundbuch abgesichert, dass ausschließlich die gemeindliche Nahwärme oder Fernwärme zu nutzen ist, und keine Solarenergie eingesetzt werden kann?
Zu 4. a):
Der Staatsregierung liegen keine flächendeckenden Erkenntnisse darüber vor, in wie vielen und welchen Gemeinden in Bayern über Mussvorschriften beim Verkauf gemeindlicher Flächen im Grundbuch vertraglich abgesichert wird oder wurde, dass der oder die Grundstückserwerber ausschließlich die gemeindliche Nah- oder Fernwärme nutzen dürfen. Die Gemeinden sind nicht verpflichtet, die Rechtsaufsichtsbehörden über die Verwendung solcher Vertragsklauseln zu unterrichten.
In früheren Jahren waren aber das Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie und das Staatsministerium des Innern in Einzelfällen mit derartigen Fällen befasst, wobei es jedoch schwerpunktmäßig um Fragen der wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Vorgehens ging. Hierzu hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 09.07.2002 (Az. KZR 30/00, u.a. veröffentlicht in: NJW 2002, S. 3779 ff.) anhand eines Falles aus Schleswig-Holstein entschieden, dass die Verknüpfung des Verkaufs von Grundstücken in einem Neubaugebiet mit der Verpflichtung, den Heizenergiebedarf durch ein von einer gemeindeeigenen Gesellschaft betriebenes Blockheizkraftwerk zu decken, keinen Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG darstellt.
b) Wie beurteilt die Staatsregierung das Verbot der Substitution von fossilen Stoffen oder Biomasse durch Solarenergie aus energiepolitischen Gesichtspunkten aufgrund der Begrenztheit der Ressourcen bzw. der Flächen, die für den Anbau von Biomasse zur Verfügung stehen?
Zu 4. b):
Die Wirtschaftlichkeit von Kraftwerken und deren Wirkungsgrad können wesentlich erhöht werden, wenn bei der Stromerzeugung auch Wärme durch Auskopplung genutzt wird. Gesamtwirkungsgrade bis zu 90 % sind möglich. Die Nutzung der sog. Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ist daher auch ein wichtiger Ansatz zur Verbesserung der Energie- und Klimabilanz und sollte weiter ausgebaut werden. Die Versorgung von Endverbrauchern mit der im KWK-Prozess ausgekoppelten Wärme setzt ein entsprechendes Nah- bzw. Fernwärmenetz voraus. Entsprechende Investitionen können sich im Betrieb nur dann amortisieren, wenn eine entsprechende Anzahl von Wärmeabnehmern beliefert werden kann. Unter diesem Aspekt ist die o. g. gemeindliche Vorgehensweise aus energiepolitischer Sicht nicht zu beanstanden.
5. Wie möchte die Staatsregierung erreichen, dass die bundesweit beschlossenen Ausbauziele für die erneuerbaren Energien auch in Bayern umgesetzt werden, und welche Schritte beabsichtigt die Staatsregierung, um noch vorhandene bürokratische Hemmnisse, die dem Ausbau der Solarenergie entgegenstehen, zu beseitigen?
Zu 5.:
Hinsichtlich der Zielsetzungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Bayern wird zunächst auf die von der Bayerischen Staatsregierung am 3. Juni 2008 beschlossenen „Eckpunkte der bayerischen Energiepolitik“ verwiesen. Der von der Staatsregierung vorbereitete, in erster Linie auf die Umsetzung der EU-Dienstleistungsrichtlinie zielende Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Bayerischen Bauordnung und Änderungsgesetze, der die Verbändebeteiligung durchlaufen hat, sieht vor, die Verfahrensfreiheit von Solarenergieanlagen (derzeit Art. 57 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b BayBO) nicht mehr als Unterfall der Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung, sondern eigenständig zu regeln, sodass sie unabhängig davon verfahrensfrei errichtet werden können, ob die erzeugte Energie für den Eigenbedarf verwendet oder in ein öffentliches Netz eingespeist wird. Im Übrigen stehen die Fragen der Verfahrensfreiheit und der materiellen Zulässigkeit von Solaranlagen in einem Spannungsverhältnis zu den ortsgestalterischen Interessen der Gemeinden, die weiteren Lockerungen der einschlägigen Maßstäbe mit deutlicher Zurückhaltung gegenüberstehen. Weiter reichende gesetzgeberische Schritte bedürfen daher zunächst einer vertieften Diskussion mit den davon berührten kommunalen Spitzenverbänden.
6. Wie viele thermische und wie viele elektrische Solaranlagen befinden sich derzeit auf staatlichen Gebäuden, welche Fläche umfassen diese Anlagen und welche Leistungsmerkmale haben sie?
Zu 6.:
a) Solarthermische Anlagen
In staatlichen Gebäuden wurden bisher 96 solarthermische Anlagen mit einer Kollektorfläche von rund 6.500 m2 und einem Energieertrag von ca. 3.000 MWh pro Jahr errichtet. 20 weitere Anlagen mit einer Kollektorfläche von ca. 500 m2 sind derzeit in Planung.
b) Photovoltaikanlagen
Vom Freistaat Bayern wurden bisher auf seinen Liegenschaften 100 Photovoltaikanlagen mit einer Fläche von rund 7.500 m2 und einem Energieertrag von ca. 550 MWh pro Jahr errichtet.
7. Welche Dächer und welche Fassaden staatseigener Gebäude stehen derzeit für eine Bürgersolaranlage oder eine Solarnutzung durch Dritte zur Verfügung und was unternimmt die Staatsregierung, damit in absehbarer Zeit alle geeigneten Dächer staatlicher Einrichtungen – seien es nun Universitäten, Schulungsgebäude, Polizeigebäude, Kasernen, Regierungsgebäude etc. – für eine Solarnutzung zur Verfügung gestellt werden?
Zu 7.:
Aufgrund des Beschlusses des Bayerischen Landtags vom 17.06.2004 (Drs. 15/1222) stehen derzeit grundsätzlich alle staatlichen Liegenschaften privaten oder gewerblichen Investoren für die Installation von Photovoltaikanlagen entgeltlich zur Verfügung, sofern von Seiten des Staates keine derartige Nutzung vorgesehen ist. In einer gemeinsamen Pressemitteilung des Staatsministeriums der Finanzen und des Staatsministeriums des Innern vom 16. Mai 2008 wurde die Öffentlichkeit erneut auf diesen Beschluss aufmerksam gemacht. Interessenten können sich an die Regionalvertretungen der Immobilien Freistaat Bayern wenden, denen die Verwaltung des staatseigenen Allgemeinen Grundvermögens obliegt und die dem Staatsministerium der Finanzen ressortmäßig zugeordnet sind. Es wird darauf hingewiesen, dass Kasernen keine Einrichtungen des Freistaats Bayern, sondern Bundesliegenschaften sind.