Ein überfälliges Signal gegen ein abgekartetes Verfahren
Rundfunkräte kritisieren Klüngelei um BR-Intendantenwahl – Gegenkandidatur soll offenen Wettstreit ermöglichen
1. Wir kritisieren das völlig intransparente Verfahren bei der Intendantenwahl des Bayerischen Rundfunks, das ganz offenkundig gezielt dazu ausgelegt ist, einen bestimmten Kandidaten ins Amt zu hieven. Dazu zählt insbesondere der Wahltermin: Durch den vorzeitigen Rückzug des bisherigen Amtsinhabers wurde es praktisch aussichtslos gemacht, weitere Bewerberinnen oder Bewerber in so kurzer Zeit für eine Kandidatur zu gewinnen. Stattdessen läuft das Verfahren auf eine einzige Person hinaus, für deren Kandidatur bereits in diversen Kungel- und Klüngelrunden der Boden bereitet wurde, nämlich den derzeitigen Regierungssprecher Ulrich Wilhelm.
2. Wir lehnen die Kandidatur von Ulrich Wilhelm ab. Ganz ungeachtet seiner großen professionellen Erfahrung und seiner menschlichen Qualitäten, die von uns nicht angezweifelt werden, halten wir es für eine Bankrotterklärung für die gesetzlich geforderte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, wenn ein langjähriger Regierungssprecher nahtlos ins Amt des BR-Intendanten wechselt. Ulrich Wilhelms Werdegang ist ganz offensichtlich viel zu eng mit der CSU, der Bayerischen Staatsregierung und der Bundesregierung verknüpft, um in ihm den dringend notwendigen Garanten für die politische Unabhängigkeit der Berichterstattung sehen zu können.
3. Wir begrüßen es daher außerordentlich, dass sich Rudolf Erhard aus der Mitte des Bayerischen Rundfunks für eine Gegenkandidatur entschieden hat und haben uns gerne bereit erklärt, diese Kandidatur aktiv zu unterstützen. Wir sehen diese Kandidatur insbesondere als ein überfälliges Signal, um das bisherige abgekartete Verfahren zu durchkreuzen und einen offenen und demokratischen Wettstreit um die konzeptionelle Zukunft des Bayerischen Rundfunks zu eröffnen. Ein besonderes Anliegen, das wir teilen, ist die Arbeitssituation der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für die der neue Intendant dringend eine Perspektive vorlegen muss.
4. Wir fordern die Mitglieder des Rundfunkrats auf, sich ihrer demokratischen Verantwortung bewusst zu werden. Der Bayerische Rundfunk braucht im Interesse der Zuschauerinnen und Zuschauer, der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, vor allem aber vor dem Hintergrund seiner herausgehobenen Bedeutung für unser demokratisches Gemeinwesen eine transparente Entscheidungs- und Kommunikationskultur. Die jetzt vorliegende Gegenkandidatur bietet die Chance, Alternativen aufzuzeigen, kritische Fragen zu diskutieren, die Perspektive der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzubeziehen und damit auch die demokratischen Spielregeln zur Geltung zu bringen, die das bisherige Wahlverfahren so beschämend hat vermissen lassen.
München, 15. April 2010
Claudia Jung, MdL, Mitglied des Rundfunkrats, Freie Wähler
Ludwig Hartmann, MdL, Mitglied des Rundfunkrats, Bündnis 90/Die Grünen
Heide Langguth, Schriftführerin des Rundfunkrats, DGB/Gewerkschaften
Robert Stauffer, Mitglied des Rundfunkrats, Schriftsteller-Organisationen