19. April 2010

Ein AKW-Rettungsprogramm garniert mit grünen Feigenblättern

Zum Energiekonzept der CSU


Eigentlich wollte die CSU ja einen Paukenschlag setzen und sich mit einem eigenen Energiekonzept kraftvoll in die Debatte um längere Laufzeiten für Atomkraftwerke einmischen. Dies war nicht zuletzt deshalb notwendig geworden, weil der eigene Bundesumweltminister Röttgen die gesellschaftliche Akzeptanz der Atomkraft in Frage gestellt und viele der alten Wahrheiten rund um die Atomenergie aus dem eigenen Lager heraus erschüttert hat.

Mit einem eigenen Energiekonzept sollte deshalb die Fahne hochgehalten und für einen strammen Pro-Atom-Kurs geworben werden. Was die CSU nun aber vorgelegt und in der vergangenen Woche noch durch internes Gezänk angereichert hat, hat die Orientierungslosigkeit der CSU in der Energiefrage in grellen Farben vorgeführt.

Das Energiekonzept der CSU ist: 

  • widersprüchlich und konzeptionslos
  •  unambitioniert
  •  innovations- und arbeitsplatzfeindlich
  • und letztlich gefährlich, weil es die Risiken der Atomenergie nach wie vor ausblendet.

Laufzeitverlängerung für AKW – ein Geschenk für die großen Konzerne

Durch den Atomkonsens im Jahr 2000 entstand für die gesamte Energiebranche eine Investitions- und Planungssicherheit für einen Zeitraum von weit über 20 Jahren. Sowohl die AKW-Betreiber, als auch die neue Energieanbieter konnten relativ genau planen, wann welche Kraftwerksleistung gebaut würde bzw. vom Netz genommen wird.

Mit der Ankündigung von Laufzeitverlängerungen für die Atomkraftwerke geraten diese Planungen ins Wanken. Investoren werden verunsichert. Schon im Bau befindliche Projekte laufen Gefahr unrentabel zu werden. Denn neue moderne Technologien treten in wirtschaftliche Konkurrenz zu Strom aus alten, und längst abgeschriebenen Atomkraftwerken. Da das Stromangebot die Nachfrage aber bei weitem übersteigt, werden die modernen, aber noch teuren Technologien nicht zum Zug kommen. Die Laufzeitverlängerung ist eine Innovationsbremse.

Aber nicht nur das. Sie ist auch eine Wettbewerbsbremse. Die Laufzeitverlängerung bringt vor allem den vier großen Konzernen E.ON, RWE, Vattenfall und EnBW saftige Gewinne. Gerade diese Konzerne sind aber auch jene, die im Hinblick auf eine zukunftsfähige Energiepolitik jeglichen Ehrgeiz vermissen lassen. So sind in Deutschland in den vergangenen Jahren Wind-, Solar- und Biomassekraftwerke mit einer Leistung von mehr als 44 000 MW errichtet worden. Der Anteil von E.ON, dem größten deutschen Stromkonzern daran beträgt weniger als 0,5 %.

Der Wandel zu den erneuerbaren Technologien wurde in den letzten zehn Jahren von privaten Investoren, Bürgergemeinschaften und kommunalen Stadtwerken initiiert. Deren Investitionen werden durch die Laufzeitverlängerung in den unrentablen Bereich gedrängt, während die vier großen Konzerne Sondergewinne zugeschoben bekommen. Damit wird das Ungleichgewicht noch weiter zu den Großkonzernen verschoben: Zu den Konzernen, die schon heute Milliardengewinne haben, die Strompreise antreiben und sich bei den Zukunftstechnologien weitgehend zurückhalten.

Erneuerbare Energien: CSU macht Vollbremsung

Der von der CSU angestrebte Anteil der erneuerbaren Energien von 40 % an der Stromversorgung bis zum Jahr 2030 kommt einer Bankrotterklärung gleich. Zum Vergleich: Die Branche der Erneuerbaren Energien erwartet bis zum Jahr 2020 bundesweit eine Steigerung des Anteils von derzeit 15 % auf 47 %, also eine Verdreifachung innerhalb von 10 Jahren. Die CSU hat sich für Bayern lediglich eine Steigerung von 25 % auf 40 % bis zum Jahr 2030 zum Ziel gesetzt, also lediglich eine Zunahme um die Hälfte – allerdings in 20 Jahren.

Trotz der unveränderten Blockadehaltung der Staatsregierung bei der Windenergie liegen die heutigen Zuwachsraten in Bayern mehr als doppelt so hoch, wie von der CSU für die Zukunft geplant. Allein in den drei Jahren von 2006 bis 2009 ist der Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromversorgung von 19,9 % auf 25 % gestiegen.

Mit diesem „Konzept“ wird sich der Abstieg Bayerns bei den erneuerbaren Energien weiter fortsetzen: Vor 10 Jahren war Bayern tatsächlich noch Spitzenreiter unter den Bundesländern im Hinblick auf den Anteil der Erneuerbaren Energien am Stromverbrauch. Mittlerweile liegt Bayern nur noch auf Platz 5 mit der klaren Tendenz nach unten. Bayern wurde dabei nicht nur von den windreichen Küstenländern überholt. Auch Binnenländer wie Thüringen und Sachsen-Anhalt liegen inzwischen vor Bayern.

Kohlepolitik: widersprüchlich und wirkungslos

Im Bemühen den Bestand der Atomkraftwerke zu sichern, propagiert die CSU nun den Ersatz der Kohlekraftwerke durch die Erneuerbare Energien. Obwohl dieser Gedanke aus Klimaschutzgründen selbstverständlich nahe liegt, ist der Vorschlag gleichwohl widersprüchlich und wirkungslos.

In Bayern sind noch zwei Kohlekraftwerke in Betrieb: der Block 2 der Heizkraftwerks München Nord und der Kohleblock in Zolling. Beide Kraftwerke sind noch keine 20 Jahre alt, technisch relativ modern und beide dienen auch der Fernwärmeerzeugung für München bzw. Freising und den Flughafen. Mit einer Stilllegung der beiden Kohlekraftwerke würde auch die Fernwärmenutzung in großem Umfang wegbrechen. Daher ist eine kurzfristige Abschaltung der Kraft-Wärme-gekoppelten Kohlekraftwerke sicher nicht sinnvoll.

Widersprüchlich sind die CSU-Äußerungen zur Kohlepolitik aber insbesondere, weil die CSU auf Bundesebene eine vollständig entgegengesetzte Linie vertritt. Im schwarz-gelben Koalitionsvertrag ist nicht von Abschaltung der Kohlekraftwerke die Rede:

„Wir wollen auch weiterhin den Bau von hocheffizienten Kohlekraftwerken ermöglichen.“

Es sind noch keine sechs Monate vergangen, seit die CSU im Koalitionsvertrag diesen Satz unterschrieb. Angesichts der massiven Neubaupläne von mehr als 20 Kohlekraftwerken in Deutschland, zum größten Teil ohne Kraft-Wärme-Kopplung, läge hier also ein weites Betätigungsfeld für die Klimaschützer der CSU in der Bundesregierung. Bayern spielt diesbezüglich eine untergeordnete Rolle.

Atomkraft: Das Risiko wächst mit dem Alter

Die Laufzeitverlängerung ist ausgemachte Sache in der CSU. In letzter Zeit wurden verschiedene Jahreszahlen von interessierter Seite ins Gespräch gebracht – von 2032 (Söder) bis unendlich (Friedrich). Da aber Horst Seehofer schon im Vorfeld der Klausur die große Einigkeit verkündete, war es nicht verwunderlich, dass in der endgültigen Fassung nur ein vager Kompromiss formuliert wurde.

Nicht irgendwelche Jahreszahlen, auch nicht die Fortschritte beim Ausbau der erneuerbaren Energien sollen der Maßstab sein, sondern nur die „uneingeschränkte Sicherheit“. Was mit der „uneingeschränkten Sicherheit“ gemeint ist, bleibt vage. Nach Ansicht vieler CSUler ist ein Reaktor wie Isar 1 mit einer 40 cm dicken Wand ja auch gegen einen Flugzeugabsturz „uneingeschränkt sicher“. Auch wenn nach 30 Jahren immer noch Risse in Rohren, Ventilen, Armaturen selbst bei schon ausgetauschten Bauteilen auftreten, ist ein Atomkraftwerk immer noch „uneingeschränkt sicher“. Wie dehnbar der Sicherheitsbegriff bei CSU und Staatsregierung ist, zeigt schon der Umgang mit dem dienstältesten bayerischen Atomkraftwerks Isar 1: Ein Gutachten im Auftrag der Landtagsgrünen hat deutlich aufgezeigt, dass gerade alte Reaktoren schleunigst vom Netz genommen werden müssten. Doch das Umweltministerium weigert sich beharrlich, diese Problematik überhaupt zur Kenntnis zu nehmen.

Fazit: AKW-Rettungsprogramm garniert mit grünen Feigenblättern

Mit viel Lyrik versucht sich die CSU mit den modernen Begriffen der Energiepolitik zu schmücken. Doch es reicht nicht in Wildbad Kreuth ein paar Meter mit dem Elektroauto zu fahren und den Begriff „smart grids“ in das Papier aufzunehmen.

In großen Teilen bleibt das „Konzept“ der CSU weit hinter den gesellschaftlichen Notwendigkeiten zurück. Es täuscht Ehrgeiz vor, und ist in der konkreten Umsetzung ideenlos und voller Widersprüche.

Die CSU hat im wesentlichen ein AKW-Rettungsprogramm zusammengerührt und mit einigen grünen Feigenblättern garniert. Doch den Bürgerinnen und Bürgern wirklich reinen Wein einzuschenken, hat sich die CSU nicht getraut: Eine klare Aussage darüber, wie lange die Atomkraftwerke noch am Netz gehalten werden sollen, hat die CSU unterschlagen. Offenbar rechnet die CSU damit, ohne konkrete Festlegungen hinter verschlossenen Türen den Deal um die Milliarden für die Laufzeitverlängerung besser führen zu können.

Grüne machen gegen längere Laufzeiten mobil

Um die Bürgerinnen und Bürger über die Folgen längerer AKW-Laufzeiten zu informieren, startet die grüne Landtagsfraktion am 26. April, dem Jahrestag der Atomkatastrophe von Tschernobyl, zu einer Tour quer durch Bayern. Im Rahmen dieser Tour macht der schwarz-gelbe Anti-Atom-Bus der Grünen Station auf den Marktplätzen und in den Fußgängerzonen. Denn das Jahr 2010 wird ein entscheidendes Jahr für die Zukunft der Energieversorgung. Schon jetzt zeigt sich, dass die Menschen nicht bereit sind, den Ausstieg aus dem hart erkämpften Atomausstieg kritiklos hinzunehmen. Am kommenden Samstag, den 24. April, werden sich tausende von Menschen zur Kette zwischen den Pannenreaktoren Krümmel und Brusbüttel zusammenschließen, gleichzeitig ist eine Umzingelung des Reaktors im hessischen Biblis geplant. Wie groß die Bereitschaft ist, gegen die Atomkraft auf die Straße zu gehen, haben am vorvergangenen Wochenende allein schon die Auftakt-Menschenketten in vielen bayerischen Städten gezeigt. Gerade die bayerischen Grünen werden daher engagiert dafür sorgen, dass der schwarz-gelbe Durchmarsch für die Atomkonzerne durchkreuzt wird.