27. Januar 2010

Bayerns Zukunft ohne Atomkraft – endlich konsequent auf erneuerbare Energien umsteuern!

Meine Rede im Plenum am Mittwoch, den 27. Januar 2010, zur von uns anberaumten Aktuellen Stunde

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen!
Von Jahresbeginn an war die CSU, voran die Staatsregierung mit ihrem Minister Söder, wieder einmal auf Werbetour für die Atomkraft in diesem Land. Das geschah völlig unbekümmert von den CSU-internen Diskussionen um das „Leitbild 2010 plus“ einschließlich „Zukunftskommission und Innovationsversionen“. Da wurden alte Parolen wieder ausgepackt. Es hieß, die Atomkraft sei in diesem Land nicht ersetzbar und müsse weiter betrieben werden.
Ganz egal, ob es einen Parteitagsbeschluss hin oder her gibt die CSU will bei diesem Thema bleiben. Die letzten Wochen haben wieder gezeigt: Es läuft auf eine Laufzeitverlängerung hinaus.

(Beifall bei der CSU)

Die aktuelle Debatte in Berlin zeigt deutlich: Da sitzt die Regierung schon wieder auf dem Schoß der vier großen Versorger und verspricht Laufzeitverlängerung. Erstaunlich ist, dass der Umweltminister mit der Forderung nach zehnjähriger Laufzeitverlängerung in die Debatte geht. Warum fordert er nicht gleich 15 oder 20 Jahre? Warum also nur 10 Jahre? Das einzige Argument, das öffentlich vorgetragen wird, ist, angeblich könnten so 1,5 Milliarden Tonnen CO2 eingespart werden. Aber dieser Gedankengang, Herr Minister Söder, ist so falsch wie er alt ist. Kein Mensch möchte doch die Atomkraft durch Braunkohlekraftwerke ersetzen. Sie rechnen Braunkohlestrom dagegen. Aber die Ersetzung durch Kohlekraftwerke will niemand. Deshalb hinkt das Argument.
Man muss auch Folgendes bedenken. Seit der Inkraftsetzung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes vor zehn Jahren ist die Stromproduktion aus Sonne, Wind, Biomasse und Geothermie gewaltig gestiegen. Wir produzieren im Vergleich zum Jahr 2000 die zehnfache Strommenge von Isar 1. Trotzdem wollen Sie kein AKW abschalten. Wohin denn mit diesem ganzen Strom? Erstaunt bin ich auch darüber, dass Sie in der Debatte immer von der Brücke ins Solarzeitalter reden. Sie reden davon, dass die erneuerbaren Energien ihre Leistungsfähigkeit erst beweisen müssten. Was ist denn bei den erneuerbaren Energien in den letzten Jahren geschehen? Sie beweisen doch täglich ihre Leistungsfähigkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Machen Sie einmal die Augen auf und schauen sich die Zahlen an, um zu sehen, was diese Energieträger zur Stromproduktion beitragen! Heute ist im Wirtschaftsteil der SZ wieder einmal zu lesen ganz aktuell -: Allein die im vergangenen Jahr in Deutschland gebauten Windkraftanlagen liefern so viel Strom wie zwei Atomkraftwerke. Ja, diese Strommenge ist im letzten Jahr hinzugekommen. Aber wir schalten keine Anlagen ab. Da passt doch etwas nicht zusammen. Noch eines muss gesagt werden: Die erneuerbaren Energien haben jedes von der Politik gesteckte Ziel übertroffen. Das Ziel für 2010 wurde im Bereich der erneuerbaren Energien bereits 2007 erreicht. Das verschweigen Sie. Sie verschweigen genauso, dass Deutschland im Stromexport jedes Jahr Steigerungen zu verzeichnen hat. Im Jahr 2008 hatten wir einen neuen Rekord im Stromexport. Die Strompreise an der Strombörse in Leipzig fallen zurzeit. Immer häufiger geht es da in den negativen Bereich.
Sie wissen genauso gut wie ich: An Weihnachten wurden massenweise Windkraftanlagen vom Netz genommen. Man hatte diesen Strom nicht mehr ans Netz gebracht, weil das Netz durch Nuklear- und Kohlekraftstrom verstopft ist. Dann gibt es keinen Platz mehr. Sie wollen jetzt noch einmal zehn Jahre draufpacken. Das erstaunt mich sehr.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Trotz dieses Überangebots an Strom, das wir zurzeit im Netz haben, wollen und müssen wir die Energieversorgung umbauen. Wir möchten eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien. Das hat mehrere Gründe, zum einen den Klimaschutz. Es ist unumstritten, dass wir die Erderwärmung reduzieren müssen. Die Ressourcen sind nun einmal endlich und werden eines Tages zur Neige gehen. Sie sind auch viel zu schade, um verbrannt zu werden.
Ein weiterer Grund ist die Unabhängigkeit von Weltmarktpreisen. Wir möchten erreichen, dass die Wertschöpfung in unserem Land bleibt. Das schafft Ausbildungsund Arbeitsplätze in unserem Land. Der Umbau der Energieversorgung ist sicherlich eine schwierige Herausforderung, aber mit der Forderung, die bestehenden Laufzeiten um zehn Jahre zur verlängern, machen Sie es nicht leichter, sondern schwieriger. Sie machen vor allen Dingen eines – das ist an die Kollegen der FDP gerichtet, deren Bundeswirtschaftsminister von 15 bis 20 Jahren spricht -; Hiermit zementieren Sie die alten Strukturen und drücken den neuen Technologien die Luft ab.
Wissen Sie eigentlich, wovon Sie sprechen? Wir haben einen Ausstiegskonsens. Einige AKWs laufen noch bis zum Jahre 2025. Wollen Sie da noch einmal 20 Jahre draufpacken? Wie lang soll diese Brücke, die wir gar nicht benötigen, noch werden?
Es ist auch erstaunlich, wie fahrlässig in Bayern mit diesem Thema umgegangen wird. Wir in Bayern profitieren doch von dieser Energiewende. Fahren Sie durchs Land; überall entstehen Solaranlagen und Biomasseanlagen. Viele bayerische mittelständische Handelsbetriebe haben ihr Produktportfolio erweitert und setzen auf diesen Bereich. Diese Firmen brauchen Planungssicherheit. Sie vertrauen auf die Planungssicherheit, die mit dem Atomausstieg beschlossen worden ist. Sie vertrauen auf den damit verbundenen Einstieg in erneuerbare Energien, und dieses Vertrauen der Mittelständler verspielen Sie mit Ihrer Politik.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was mich auch verwundert: Ich habe mir den Koalitionsvertrag von CSU und FDP angeschaut. Dort heißt es: „Einen funktionierenden Wettbewerb“ möchten Sie durchsetzen im Strombereich. „Besonderes Augenmerk legen wir auf die leistungsfähigen kleinen und mittleren Energieversorgungsunternehmen in kommunalem, genossenschaftlichem oder Privateigentum.“ Wo sind die kleinen und mittelständischen Unternehmen, die von Ihrer Politik profitieren, wenn Sie die Laufzeiten verlängern? Nennen Sie mir einen kleinen Betreiber, der für eine längere Laufzeit von Kernkraftwerken ist.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diesen gibt es nicht, denn es sind die vier großen Versorger. Schreiben Sie es doch ehrlicherweise hinein: Sie möchten die Position der vier großen Versorger festbetonieren und auf Ewigkeit festschreiben. Sagen Sie es doch! Ihre Koalitionsvereinbarung führt diesbezüglich in die Irre. Das kann man so nicht nachvollziehen.
Sie stehen mit Ihrer Forderung allein in der Gesellschaft. Es ist klar, die vier großen Versorger umjubeln Sie das ist selbstverständlich -, aber zum Beispiel der Verband der Kommunalunternehmen, in dem mehrere hundert kommunale Energieunternehmen organisiert sind, lehnt das massiv ab. Diese halten mit ihrem Ziel, für eine dezentrale regionale Energieversorgung zu sorgen, die Verlängerung der Laufzeiten für den absolut falschen Weg.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen von der Regierungsfraktion, sehen Sie doch einfach mal der Realität ins Auge. Energiewirtschaftlich sind die alten Reaktoren längst nicht mehr notwendig. Die Atomstromproduktion im letzten Jahr ist die geringste in 20 Jahren gewesen. Es werden reihenweise AKWs für Wartungsarbeiten abgeschaltet und stehen somit nicht zur Verfügung. Die Stromkonzerne selbst haben bewiesen, dass wir auf die sieben ältesten AKWs ohne weiteres verzichten können, indem sie zeitgleich mehrere AKWs vom Netz genommen haben und Strom ins Ausland verkauft wird. Wir hatten trotzdem Stromüberangebot statt Mangel. Das heißt, sie haben bewiesen, dass es funktionieren kann.
Für uns ist klar, wenn Sie jetzt das Rad bremsen oder versuchen, es zurückzudrehen, erreichen Sie nur eines: Die großen Versorger erzielen weitere Milliardengewinne.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sicherlich sagen Sie jetzt: Sie möchten sie umschichten für erneuerbare Energien. Bis jetzt gibt es dazu von Ihnen aber kein Konzept, und die Betreiber der erneuerbaren Energien, vornweg der Bundesverband, sagen selbst, dass sie dieses Geld nicht möchten. Sie möchten lieber einen Fahrplan ins Zeitalter der erneuerbaren Energien und keine Kernkraftwerke, die faktisch die Monopolstellung der großen Versorger festbetonieren. Damit kommen wir nicht weiter.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Eigentlich gibt es nur drei Argumente für die Verlängerung der Laufzeit: Das ist Geld, Geld und wieder Geld. Es ist nichts anderes.

(Zuruf von den GRÜNEN: Bravo! Zuruf von der CSU)

Was mich ebenfalls erstaunt, ist die Brücke ins Solarzeitalter. Seit drei Jahren wird dieses Thema wie kein anderes durch die Medien getreten. Man kann darüber streiten, wie wir die Brücke definieren. Aber, Herr Minister Söder, ist der Atomausstieg nicht schon die Brücke, von der Sie sprechen? Es ist ein Fahrplan bis zum Jahre 2025, wie die AKWs nach und nach vom Netz gehen. Wenn Sie diese Brücke weiter ausbauen wollen, kann man nur sagen: Es ist höchste Zeit, dass Sie Ihre alternde strahlende Brücke zurückbauen und nicht weiter ausbauen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist deutlich das zeigen uns die Zahlen im Bereich der erneuerbaren Energien -, wie stark sie wachsen. Wir haben auch mitbekommen, dass diese Branche trotz Wirtschaftskrise ihr Wachstum beibehalten kann. Wir sind auf dem richtigen Weg. Wir müssen am Atomausstieg festhalten bzw. wir müssen ihn sogar noch beschleunigen. Die sieben ältesten AKWs müssen umgehend vom Netz genommen werden, weil dann der Anreiz hoch ist. Den nächsten Schritt werden wir spielend leicht in den nächsten Jahren erreichen, um noch weitere AKWs vom Netz zu nehmen.
Ich appelliere an Sie in der Koalition auch im Interesse der Wirtschaftsunternehmen, die immer wieder Planungssicherheit fordern: Halten Sie diese Planungssicherheit ein, die seit fast zehn Jahren im Gesetz steht. Was denken Sie sich eigentlich? Sie weichen jetzt den Konsens auf und verlängern die Laufzeiten wenn es nach der FDP geht, vielleicht bis zu 15 Jahren -, dann gibt es einen Regierungswechsel und alles wird wieder geändert. Tun wir damit unserer Energieversorgung etwas Gutes, wenn wir ständig hin und herspringen? Erhalten wir die beschlossene Planungssicherheit und bleiben wir beim Ausstieg. Es gibt keinen anderen Weg. Danke.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN)

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Anbei können Sie in der angefügten pdf-Datei den Verlauf der Aktuellen Stunde als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen.

Hier geht es zu einem Videomitschnitt meines Redebeitrags und der gesamten Aktuellen Stunde.

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