Bayerische Klimaschutzziele verschärfen – Klimaschutzprogramm fortschreiben
Meine Rede im Plenum am Donnerstag, dem 17. Dezember 2009 zu unserem Dringlichkeitsantrag und den nachgezogenen Dringlichkeitsanträgen von SPD, CSU und FDP
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen!
Erst einmal schönen guten Morgen. Ich freue mich, dass doch einige zu dieser Zeit schon hier sind. Ein Teil der SPD-Kollegen hat wahrscheinlich gestern etwas zu lange gefeiert.
(Harald Güller (SPD): Na, na, na! Unruhe)
Bei den GRÜNEN sieht es leider auch nicht besser aus, zugegeben. Aber ich freue mich, Herr Söder, dass Sie noch pünktlich zur Debatte gekommen sind.
(Zuruf von der CSU: Zwei GRÜNE, die hier sind! Darüber wollen wir nicht reden!)
„Wäre die Welt eine Bank, Ihr hättet sie längst gerettet.“ Dieser Text stand am 6. März dieses Jahres in ganz großen Lettern auf einem Transparent an der Hypo Real Estate in der Nähe der Bayerischen Staatskanzlei. Für viele Bürgerinnen und Bürger sind die Milliardensummen, die damals an Steuergeldern in die Hypo Real Estate gepumpt worden sind, längst Geschichte.
Diese Woche haben wir in diesem Parlament heftig über die Milliarden debattiert, die der bayerische Steuerzahler in die Bankenwelt gepumpt hat ein bitteres Zeichen einer Kontinuität, die immense staatliche Verschuldung nach sich zieht und immer wieder immense Summen in ein fehlgeleitetes Finanzsystem pumpt.
Die andere Seite: Für die Eindämmung des Klimawandels fehlt es an Geld, obwohl die Schuldfrage eigentlich längst geklärt ist: Die Verursacherländer und die Opferländer stehen fest. Es liegt auf der Hand, wer hier zu zahlen hat.
Trotzdem: Erst vorgestern hat die Kanzlerin Merkel den dreisten Versuch gestartet – das fand ich sehr erstaunlich -, die Transferleistungen, die für die Entwicklungsländer als Entwicklungshilfe bereits zugesagt worden sind, in die neuen Gelder einzurechnen. Also, wie man auf die Idee kommen kann, ist mir schleierhaft.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Viele Menschen blicken gespannt nach Kopenhagen, und es ist in der Tat durchaus eine bedeutende Verhandlungsrunde. Es ist dringend notwendig und auch wünschenswert, ein internationales Abkommen zu bekommen. Das steht außer Frage. Aber eines muss uns allen doch bewusst sein: Es wird ein Konsens, ein Kompromiss sein zwischen Vorreitern und den Bremsern.
Meine sehr geehrten Damen und Herren in diesem Hohen Haus, ich hoffe, dass wir uns alle einig sind, dass dieser Kompromiss, der in Kopenhagen erzielt wird, sicher nicht die Messlatte und nicht das Ziel der bayerischen Klimapolitik sein kann. Wir haben den Anspruch, nicht Mittelmaß zu sein, sondern wir müssen Vorreiter sein.
Schauen wir uns doch einmal die Bilanz der bayerischen Klimapolitik der letzten Jahre an. Nach der offiziellen Darstellung der Staatsregierung ist alles ganz hervorragend. Die Pro-Kopf-Emission an CO2 ist in Bayern weit unter dem Bundesdurchschnitt. Was wollen wir eigentlich mehr?
Wenn man sich diese angebliche Spitzenposition Bayerns genauer betrachtet, kommt man schnell auf mehrere Punkte.
Erstens. Die historisch geschaffene Wasserkraft, die vor über 90 Jahren mit Oskar von Miller ihren Anfang nahm, trägt immer noch zu 15 % bis 20 % zur Stromversorgung bei. Das ist auch gut so.
Im Weiteren kommt der hohe Atomstromanteil in Bayern von fast 60 % hinzu. Er wurde damals durch den Wirtschaftsminister und vor allem durch Franz Josef Strauß vorangetrieben und hat uns in den Siebziger- und Achtzigerjahren in die Abhängigkeit von dieser gefährlichen Technik gebracht.
Eine ernsthafte Klimapolitik der Bayerischen Staatsregierungen der letzten 20 Jahre ist nicht zu erkennen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Das lässt sich an drei Punkten, an drei Ländervergleichen ganz deutlich darstellen.
Zum einen: Die energiebedingte CO2-Emission ist in Bayern von 1990 bis 2006 um 2,1 % gefallen. Der Bundesschnitt liegt bei 17,3 %. Mir ist klar, jetzt kommt gleich der Einwand: Die DDR ist zusammengebrochen und alles liegt daran. Aber Bayern liegt im Bundesvergleich bei der Reduzierung der CO2-Emission auf Platz 13, während nur fünf neue Bundesländer beigetreten sind. Daran sieht man: Wir sind wirklich im hinteren Mittelfeld.
Ein zweiter Punkt. Von der CSU wurde in den letzten Tagen immer wieder die Pro-Kopf-Emission an CO2 in die Debatte geworfen. Auch hier ist etwas erstaunlich: Bundesweit sind die Pro-Kopf-Emissionen in dem genannten Zeitraum um 2,4 Tonnen zurückgegangen das sind über 20 % -, in Bayern um 0,8 Tonnen, das sind knappe 10 %. Das heißt, wir sind im bundesweiten Vergleich wieder nur auf Platz 11, also auch nicht in der Spitzenposition.
Am drastischsten wird es deutlich beim Thema erneuerbare Energien im Stromnetz. Vor zehn Jahren war Bayern Spitzenreiter, ganz vorn in Deutschland. In den letzten Jahren wurden wir von anderen Ländern überholt und sind im Bundesvergleich auf Platz 6 abgerutscht, und die Tendenz ist sogar weiter fallend. Da muss ich schon sagen: Spitzenpositionen und Vorreiterrollen sehen anders aus.
(Beifall der Abgeordneten Ulrike Gote (GRÜNE))
Aber abgesehen von der realen Klimapolitik in Bayern ist auch erstaunlich: Selbst bei der Datenlage und beim Datenerheben im Bereich Klimaschutz hinkt Bayern wirklich richtig hinterher. Zum Beispiel ist Bayern im Länderarbeitskreis Energiebilanzen eines von drei Bundesländern, die bis zum heutigen Tage die Zahlen für 2006 noch nicht gemeldet haben. Zur Erinnerung: Wir haben jetzt bald 2010. Des Weiteren: Zum Beispiel beim Thema CO2-Verursacherbilanz, vom gleichen Länderarbeitskreis Energiebilanzen erhoben, weigert sich Bayern als einziges Bundesland, die Zahlen zu melden. Warum eigentlich?
Das noch Erstaunlichere es wurde lange vor meiner Zeit hier im Plenum immer wieder heftig diskutiert ist das Klimaprogramm der Bayerischen Staatsregierung, 350 Millionen Euro schwer. Das klingt erst einmal gut, ist es aber nicht. Es ist eine Mogelpackung.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Nur zwei Drittel dieser Gelder überhaupt fließen in die Minimierung von Treibhausgasen, und von diesen zwei Dritteln wiederum werden 80 % zur energetischen Sanierung staatlicher Gebäude hergenommen, was durchaus richtig und wünschenswert ist, aber eine große CO2-Einsparung erreichen wir damit nicht; sie wird nur im Promille-Bereich liegen.
(Zuruf von der CSU: Wo denn sonst?)
Ein weiterer Punkt: Ein Thema, das ganz aktuell durch die Medien ging, ist, dass unser Umweltminister, zurzeit ja auch schon „Lebensminister“ genannt, Markus Söder, in Sachen Klimaschutz eigentlich so gut wie gar nichts getan hat. Das Einzige, was ihm gerade eingefallen ist, besteht darin, der internationalen Climate Group beizutreten eine Aktion, die nicht viel kostet und genauso viel bringt. Zudem ist die Climate Group gar nicht ganz unumstritten. Dort sind eine ganze Reihe von Unternehmen dabei, die auf den Ausbau der Atomkraft und beim Klimaschutz massiv auf die CCS-Technik setzen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sie haben in der letzten Woche den Medien, auch der „Süddeutschen Zeitung“, entnommen: Der renommierte Klimaforscher Hartmut Graßl, von Herrn Stoiber damals in den Bayerischen Klimarat berufen, hat harte Klimaziele gefordert. Als Zwischenziel bis 2020 sollten fünf Tonnen CO2-Ausstoß pro bayerischem Bürger zugelassen sein. Was fällt unserem Umweltminister ein? Ihm fällt eigentlich nur ein, das Ziel auf 2030 zu verschieben und sich so doppelt so viel Zeit zu lassen, wie es Professor Graßl gefordert hat.
Wie wir alle wissen das ist unumstritten -, heißt das Ziel: zwei Tonnen pro Kopf CO2-Ausstoß bis 2050. Dieses Ziel möchte eigentlich jeder erreichen.
Aber ich frage die Staatsregierung und den Minister Söder: Wie soll das eigentlich funktionieren? Sollen wir in den nächsten 20 Jahren den Ausstoß um 1,7 Tonnen pro Kopf reduzieren? Und wollen wir in den 20 Jahren danach drei Tonnen schaffen?
Wir alle wissen: Je näher wir an das Ziel von zwei Tonnen kommen, desto klarer wird, dass die letzten Tonnen die schwierigsten sein werden, während die ersten am einfachsten zu erreichen sind. Es kann nicht funktionieren, wenn wir mit wenig Reduktion anfangen und uns nachher steigern wollen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Die Bayerische Staatsregierung muss ihre Haltung zur Klimaschutzpolitik endlich überdenken und die Fehler korrigieren. Die Verstricktheit mit der Atomlobby und der Autoindustrie ist mit der Klimadebatte nicht vereinbar. Wir haben in Bayern viele Möglichkeiten, aktiven Klimaschutz zu betreiben. Es geht nicht nur darum, die staatlichen Gebäude zu sanieren.
Sie wissen genauso gut wie ich: Die Energieeinsparverordnung wird in vielen Fällen nicht eingehalten. Sie haben es in der Hand, die Kontrollen zu verschärfen. Die Vorgaben müssen eingehalten werden, damit später nicht nachsaniert werden muss.
Sie haben es in der Hand, die Kraft-Wärme-Kopplung in Bayern massiv auszubauen. Sie wissen genauso gut wie ich, dass der konventionelle Kraftwerkspark von der Leistung, also vom Wirkungsgrad her grottenschlecht ist. Das gilt vor allem für die Atomkraftwerke. Deren Wirkungsgrad ist durchschnittlich 33 %.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass die Windkraft in Bayern ein Schattendasein führt. Wir haben in fast jedem Bundesland bei den erneuerbaren Energien einen höheren Anteil der Windkraft als der Fotovoltaik. In Bayern ist es genau umgekehrt. Wir haben mehr installierte Leistung bei den Solaranlagen als bei der Windkraft. Dabei ist die Windkraft viel wirtschaftlicher und kostengünstiger. Da gibt es einen massiven Nachholbedarf.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Es gibt einen weiteren Bereich, in dem die Staatsregierung sofort handeln kann. Wir alle wissen, dass die Subventionierung des Flugverkehrs in der Klimaschutzdebatte keine zukunftsweisende Maßnahme ist. Sie haben es in der Hand, die dritte Startbahn zu canceln, also nicht zu bauen.
Sie haben es in der Hand, für die Verkehrsprobleme Lösungen zu suchen und Gelder umzulenken, Gelder in den Nahverkehr zu bringen, statt zum Beispiel auf die A 94 zu setzen.
Sie wissen genauso gut wie ich, dass das Elektroauto nur ein Teil der Lösung sein wird. Entscheidend ist, dass wir in den Städten mehr auf den öffentlichen Personennahverkehr setzen müssen. Lenken Sie doch einmal mehr Geld in diesen Bereich hinein. Sie haben viele Möglichkeiten, dafür etwas zu tun. Es ist höchste Zeit, aufzuwachen und ein Klimaziel zu setzen, das der weltweiten Lage, aber auch den Möglichkeiten Bayerns angemessen ist.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Das Ziel kann ganz klar nur heißen: Bis 2020 müssen fünf Tonnen Pro-Kopf-Ausstoß bei CO2 erreicht sein. Dahin müssen wir kommen. Sonst reden wir um das Thema herum und bewirken nichts.
Wir werden dem Antrag der CSU-Fraktion deshalb nicht zustimmen. Es ist ein netter Versuch, jetzt von unter sechs Tonnen zu sprechen. Aber das ist so eine Sache. Man schreibt vielleicht eine Fünf vor das Komma, und dann lässt man zusätzlich möglicherweise noch 5,999 Tonnen zu. Das kann es nicht sein. Bekennen Sie sich doch einmal zu dem Ziel von fünf Tonnen Pro-Kopf-Ausstoß bis 2020. Dieses Ziel ist erreichbar. Wir müssen es erreichen. Alles andere wird dem Ernst der Lage nicht gerecht.
Den SPD-Antrag können wir mittragen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
(…)
Meine Zwischenintervention zum Beitrag des Kollegen Blume (CSU):
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Herr Kollege Blume,
ich habe noch eine Frage zur Kraft-Wärme-Kopplung. Sie haben angesprochen, dass die Staatsregierung diese weiter fördern möchte. Wie passt es eigentlich zusammen, dass in der vorletzten Sitzung des Wirtschaftsausschusses einem Antrag der FDP-Fraktion zugestimmt wurde, wonach die Regelung, dass Biogas nur in Kraft-Wärme-Kopplung verwendet werden darf, im Erneuerbaren-Energie-Gesetz über eine Bundesratsinitiative gestrichen werden soll, da man doch eigentlich die Kraft-Wärme-Kopplung fördern möchte? Soweit mir noch bekannt ist, habe ich im Papier des Wirtschaftsministeriums vom Frühsommer dieses Jahres zur Energiesicherheit in keinem Punkt die Kraft-Wärme-Kopplung gelesen. Es war eine ganze Reihe aufgezählt, was man machen möchte. Aber nirgendwo stand die Kraft-Wärme-Kopplung. Wie passt das eigentlich mit Ihrer Aussage zusammen?
(…)
Meine Zwischenintervention auf die Rede des Kollegen Thalhammer (FDP):
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Kollege Thalhammer,
Sie hätten die Zwischenfrage ruhig zulassen können, Sie wäre nicht lang geworden, denn Sie haben jetzt gar nicht so sehr viel Konkretes mehr gesagt.
(Beifall bei den GRÜNEN)
Nur ganz kurz: Eines erstaunt mich doch. Ihr Antrag hat die Überschrift „Bayern zum Vorreiter für Klimaschutz in Europa machen“. Als Hauptkritikpunkt gegen unseren Antrag nennen Sie die Verkehrspolitik. Sieht denn die FDP den Bau der A 94 und den Bau der dritten Startbahn als Beitrag zum Klimaschutz? Habe ich das richtig verstanden? Wo wird das denn bei Ihnen kritisiert? Sie setzen auf die dritte Startbahn und auf den Ausbau der Straßen und sehen darin einen Beitrag zum Klimaschutz. Das passt doch nicht zusammen.
(Beifall bei den GRÜNEN)
(…)
Meine Wortmeldung zu den Ausführungen des Staatsministers Dr. Söder (CSU):
Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Herr Minister,
ich habe Ihrer Rede entnommen: Bayern lässt sich daran messen, was Bayern erreicht. Wie passt das damit zusammen, dass Bayern seine CO2-Verursacherbilanzen an den Länderarbeitskreis Energiebilanzen gar nicht meldet? Warum tut man das nicht? Warum liegen die Zahlen von 2006 noch nicht vor? Es sind nur drei Bundesländer, welche die Zahlen noch nicht gemeldet haben. Wenn wir uns messen lassen wollen, müssen wir auch Zahlen vorlegen.
Noch eine Anmerkung zu Bremen: Wie lange regieren die GRÜNEN in Bremen mit? – Zwei Jahre! Sie werden doch keinen Vergleich mit den letzten 20 Jahren aufmachen wollen, wenn wir erst zwei Jahre dort mitregieren.
(Tobias Thalhammer (FDP): Das Argument merke ich mir!)
– Die FDP darf sich das gerne merken, aber nicht die CSU in dieser Hinsicht.
Zur Kritik an Umweltminister Trittin während der rot-grünen Bundesregierung: Sie haben selbst die Solarkraft in Bayern in den Vordergrund gestellt und den Ausbau gelobt. Was war denn der Grundstock dieses Ausbaus? – Das war das EEG, das von Ihrer Partei jahrelang bekämpft wurde und dem im Bundesrat nicht zugestimmt wurde. Erst 2004 hat man erkannt, dass das eine Möglichkeit ist. Es ist dann einfach daneben zu sagen, Minister Trittin hat nichts erreicht.
(Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)
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Sie können in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen. Unser Dringlichkeitsantrag wurde leider durch die Stimmen der schwarz-gelben Regierungsfraktionen bei Enthaltung der Freien Wähler abgelehnt. Ebenso erging es dem nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der SPD. Der interfraktionelle Dringlichkeitsantrag von CSU und FDP wurde hingegen mit deren Stimmen, bei Enthaltung der FW, angenommen. Weitere Informationen zu unserem Dringlichkeitsantrag finden Sie in der in Verbindung stehenden Nachricht gleichen Namens.
An dieser Stelle finden Sie die Videoaufzeichnung meiner ersten, zweiten und dritten Zwischenbemerkung.