11. August 2014

Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung und Diskriminierung von homosexuellen Menschen, insbesondere nach 1945

Unser Antrag vom 11.08.2014

Der Landtag wolle beschließen:
Die Staatsregierung wird aufgefordert,
1. die historische Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Menschen und des späteren Umgangs mit den Opfern in Bayern zu leisten,
2. durch die Einrichtung eines Archivs die Erinnerung an die strafrechtliche Verfolgung homosexueller Menschen in der bayerischen Gesellschaft wachzuhalten.

Begründung:
In der Bundesrepublik Deutschland galten gemäß Art. 123 Abs. 1 Grundgesetz die 1935 in der nationalsozialistischen „Strafrechtsnovelle“ verschärften Straftatbestände zur Verfolgung homosexueller Handlungen als §§ 175 und 175a des Strafgesetzbuches (StGB) bis zur Strafrechtsreform von 1969 fort. Demnach waren sämtliche sexuellen Handlungen, einschließlich erotisch interpretierbarer Annäherungen, unter Männern strafbar. Die Bestrafung setzte noch nicht einmal eine gegenseitige Berührung voraus. Einvernehmen zwischen Erwachsenen schloss eine Strafe nicht aus. Nach der Strafrechtsreform 1969 bis zur endgültigen Abschaffung des § 175 StGB am 31. Mai 1994 bestanden unterschiedliche strafrechtliche Schutzaltersgrenzen für einvernehmliche homo- und heterosexuelle Handlungen.
Die Verschärfung der §§ 175, 175a StGB im Jahr 1935 hatte zu einer immensen Ausweitung der Verfolgung geführt, die auch in der Bundesrepublik Deutschland mit großer Heftigkeit fortgesetzt wurde. In den Strafverfolgungsbehörden waren in den Anfangsjahren der Bundesrepublik teilweise die gleichen Personen für die Verfolgung von Homosexuellen zuständig wie in der NS-Zeit. In der Bundesrepublik Deutschland wurden bis zur Strafrechtsreform 1969 ca. 100.000 Strafverfahren eingeleitet und 50.000 Männer aufgrund ihrer Homosexualität verurteilt. In Bayern wurden Verfahren aufgrund der §§ 175 und 175a StGB bislang nicht ausreichend erforscht.
Allein die Aufnahme eines solchen Verfahrens hatte verheerende Auswirkungen für das Leben der betroffenen Personen. Sie wurden von ihrem Umfeld gemieden, haben ihren Arbeitsplatz verloren und sich aufgrund dieser gesellschaftlichen Ausgrenzung in einigen Fällen sogar das Leben genommen. Allein das Bestehen dieses Paragraphen hat ein gesellschaftliches Klima der Diskriminierung, Marginalisierung und Missachtung erzeugt, für Schwule ebenso wie für Lesben. Ein Klima der Homophobie, mit dem wir auch heute noch zu kämpfen haben.
Vor diesem Hintergrund ist die Aufarbeitung der Verfolgung von Schwulen und Lesben in Bayern und die Dokumentation der Schicksale der betroffenen Menschen dringend geboten. Die Öffentlichkeit muss über die Geschichte der Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung umfassend informiert werden.

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Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Antrags im Bayerischen Landtag.
Diese werden laufend von der Landtagsverwaltung aktualisiert.

Wie Sie den Unterlagen unter dem oben stehenden Link entnehmen können, wurde unser Antrag in der Plenarsitzung am 29.01.2015 in der folgenden Form einstimmig angenommen:

Die Bayerische Staatsregierung wird aufgefordert, dem Landtag zu berichten, ob es zur historischen Aufarbeitung der strafrechtlichen Verfolgung homosexueller Menschen bereits wissenschaftliche Untersuchungen gibt und wenn ja, in welchem Umfang. In diesem Zusammenhang ist auch zu berichten, welche Archive schon bestehen bzw. ob Einrichtungen von Archiven geplant sind.