9. Mai 2017

Weitere Nachfragen zur Sanierung von Staatsstraßen und Brückenbauwerken in Bayern

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann (Bündnis 90/Die Grünen) vom 06.04.2017, mit den Antworten des Staatssekretärs im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, Gerhard Eck, vom 09.05.2017 (kursiv dargestellt)

Nach der Antwort der Staatsregierung auf meine Schriftliche Anfrage „Nachfragen zur Sanierung von Staatsstraßen in Bayern“ auf Drs. 17/15796 werden die Kosten für geplante Straßensanierungen „überschlägig mit einem bayernweit durchschnittlichen Kostenaufwand von 150.000 Euro/km (Fahrbahn einschl. Brücken) auf Netzebene geschätzt.“ An betreffender Stelle des Doppelhaushalts 2017/2018 sind für die Jahre 2016 bis 2018 jeweils 150 Millionen Euro eingestellt. Dies würde folglich ungefähr 1.000 km sanierungsfähiger Staatsstraßen entsprechen. Laut der Antwort auf meine Schriftliche Anfrage „Brücken- und Straßensanierungen in Bayern“ auf Drs. 17/15199 wurden jedoch im Jahr 2016 bayernweit nur 404 km saniert und in der Planung für 2017 gar nur Maßnahmen für 366 km vorgesehen.
Vor diesem Hintergrund interessiert, wie sich diese Diskrepanz ergibt. Ferner ist den beiden genannten Drucksachen zu entnehmen, dass die bayernweite Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) der Fahrbahnen alle vier Jahre von externen Dienstleistern erfasst, ausgewertet und aufbereitet wird. Dies geschah zuletzt 2015, jedoch wird auch das Bauprogramm 2017 noch auf Grundlage der ZEB 2011 erstellt.

Hiermit frage ich die Staatsregierung:

1. a) Warum werden die ZEB-Daten von privaten Auftragnehmern erfasst, ausgewertet und aufbereitet?
zu 1. a): Die Staatsbauverwaltung ist als (Vertreter des) Baulastträger(s) für die Bereitstellung, den Betrieb und die Erhaltung der Straßeninfrastruktur verantwortlich. Sie bedient sich, wo immer sinnvoll möglich, eigenständiger Unternehmen zur Umsetzung der für geboten erachteten Leistungen.
Auf Bundesebene wurden bereits vor Jahren für die Vergabe der Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) zusätzliche Seite technische Vertragsbedingungen erarbeitet. Hiermit können die Leistungen eindeutig und umfassend beschrieben werden, wodurch die ZEB ein sehr gut geeigneter Bereich für die Vergabe an Dienstleister ist. Unabhängig davon müsste der Freistaat für die eigenständige Erfassung teure Spezialfahrzeuge und qualifiziertes Personal vorhalten, was bei einem „nur“ vierjährlichen Einsatz nicht wirtschaftlich darstellbar wäre.

1. b) Ist dadurch zu erklären, dass die ZEB-Daten erst drei Jahre nach Erhebung für die Planung von Baumaßnahmen zur Verfügung stehen?
zu 1. b): Nicht die Tatsache, dass die ZEB vergeben wurde, ist für Verzögerung maßgeblich, sondern verschiedene Widrigkeiten, die in dieser Konstellation bei der ZEB 2015 erstmalig auftraten. So kam es wiederholt zu Ausfällen der Spezialfahrzeuge, ein Fahrzeug musste aufgrund eines Unfallschadens sogar komplett neu aufgebaut werden. Erschwerend kam auch eine sehr hohe von Bund, Ländern und Kommunen beauftragte Erfassungsleistung im Jahr 2015 hinzu, was zu einer hohen Auslastung bei den Auftragnehmern geführt hat.

1. c) Wie beurteilt die Staatsregierung die Situation, dass noch die für das Jahr 2017 geplanten Sanierungsmaßnahmen auf Basis der ZEB von 2011, also auf einem sechs Jahre alten Datenbestand, basieren?
zu 1. c): Die Verzögerungen sind ärgerlich, konnten aber – trotz vereinbarter Vertragsstrafe und starker Einflussnahme auf die weitere Abarbeitung der Auftragnehmer – aufgrund der unter 1 b beschriebenen Widrigkeiten nicht vermieden werden.
In der Beurteilung ist zu berücksichtigen, dass die ZEB eine Grundlage für die Erstellung der Koordinierten Erhaltungs- und Bauprogramme und der daraus entwickelten jährlichen Bauprogramme darstellt. Sie dient als Hilfestellung für das fachkundige Personal vor Ort an den Staatlichen Bauämtern, das den wirtschaftlichen und zielgerichteten Einsatz der verfügbaren Haushaltsmittel bei der Aufstellung und Abarbeitung der geplanten Sanierungsmaßnahmen im Jahr 2017 gewährleistet hat.

2. a) Von welchem Auftragnehmer wurden die ZEB-Daten 2015 erfasst, ausgewertet und aufbereitet?
zu 2. a): Die ZEB-Daten wurden von fachkundigen und bundesweit anerkannten Auftragnehmern erarbeitet. Die Auftragnehmer sind in dem Tätigkeitsfeld erfahren und haben wiederholt
ZEB-Leistungen für den Bund und verschiedene Länder erbracht. Die Vertragspartner wurden im Rahmen von formalen Vergabeverfahren ermittelt.

2. b) Wer wählte diesen Auftragnehmer aus?
zu 2. b): Die Vertragsvorbereitung und -abwicklung wurde von der Autobahndirektion Südbayern in enger Abstimmung mit der Obersten Baubehörde (OBB) durchgeführt.

2. c) Wie lange dauerten die einzelnen Verfahrensschritte (Erfassung, Auswertung, Aufbereitung)?
zu 2. c): Die ZEB lief von April 2015 bis November 2016, hier erfolgte die finale Datenlieferung durch den Auftragnehmer. Die statistische Auswertung und Aufbereitung durch einen anderen Auftragnehmer, der auch die Datenqualität beurteilt, dauerte im Anschluss bis März 2017. Die interne Prüfung der Daten sowie die Auf- und Vorbereitung für die Veröffentlichung der Ergebnisse werden von der OBB voraussichtlich noch in der ersten Jahreshälfte 2017 abgeschlossen.

3. a) Welche Kosten entstanden dem Freistaat für Erfassung, Auswertung und Aufbereitung der ZEB-Daten?
zu 3. a): Die externen Kosten für die ZEB der Staatsstraßen belaufen sich auf ca. 600.000 Euro. Bei einem vierjährlichen Turnus entspricht dies 150.000 Euro/Jahr. Dies wiederum entspricht aktuell rund 1 ‰ der jährlichen Haushaltsmittel der Bestandserhaltung. Darüber hinaus entsteht interner Personalaufwand bei der OBB, den Regierungen und Bauämtern für die Aufstellung des Koordinierten Erhaltungs- und Bauprogramms (KEB), der jährlichen Bauprogramme, den fachlichen Austausch (z. B. jährlicher Workshop) und die fachliche Begleitung (z. B. jährliches Controlling). Hinzu kommt noch der Begleitaufwand bei der Autobahndirektion Südbayern für die vergebenen Leistungen.

3. b) Ist es korrekt, dass innerhalb des „Koordinierten Erhaltungs- und Bauprogramms“ (KEB), welches sich aus den Daten der ZEB speist, keine Neu- oder Nachevaluierungen des konkreten Straßenzustands mehr erfolgen?
zu 3. b): Die ZEB ist eine Grundlage des Erhaltungsmanagements und wird alle vier Jahre durchgeführt. Dieser Rhythmus führt zu einer regelmäßigen netzweiten und objektiven Zustandsbilanzierung und liefert die Grundlage für weiterführende Betrachtungen wie z. B. den Kampagnenvergleich. Zwischen den regelmäßigen Erfassungen werden die aktuellen Gegebenheiten von den fachkundigen Kollegen der Bauämter vor Ort in die Erhaltungsplanung eingebracht und in den Bauprogrammen entsprechend berücksichtigt.

4. Kann die Staatsregierung angeben, wann bei gleichbleibender Sanierungsgeschwindigkeit und gleichbleibendem Zugang neu sanierungsbedürftiger Straßen die Sanierung aller bayerischen Staatsstraßen und Brückenbauwerke abgeschlossen wäre?
zu 4.: Da die genannten Kriterien die Aufgabenabwicklung für die Infrastrukturerhaltung nicht abschließend beschreiben, ist eine entsprechende Aussage nicht möglich.
Insbesondere Baukostenentwicklungen und ungleichmäßige Altersstrukturen des Gesamtanlagenbestands nehmen Einfluss auf die Aufgabenwahrnehmung im Bereich der Straßenerhaltung. Wesentlich ist im Übrigen die ausreichende
Bereitstellung von Haushaltsmitteln und Personal. Da auch weitere Kriterien wie z. B. Verkehrsveränderungen den Werteverzehr der Infrastruktur beeinflussen, kann eine solche langfristige Betrachtung nicht abschließend geführt werden.

5. Kann als Erfahrungswert ein Zeitraum angegeben werden, nachdem neu gebaute oder sanierte Brückenbauwerke erstmals bzw. erneut saniert werden müssen?
zu 5.: Nach einem Zeitraum von durchschnittlich 30 bis 40 Jahren ist mit einer ersten grundlegenden Sanierung eines Brückenbauwerks zu rechnen.

6. a) Kann den in der Grafik zur Antwort auf meine Frage 2 b auf Drs. 17/15945 gemachten Zustandsnotengruppen zum jeweiligen genannten Zustandsjahr ein durchschnittliches Erstellungsjahr der jeweiligen Brückenflächen zugeordnet werden?
zu 6. a) Die Grafik zur Antwort der Frage 2 b der Drs. 17/15945 wurde mittlerweile auf den aktuellen Datenbestand (Daten SIB-BW vom 27.02.2017) angepasst:  170509 Tabelle 1 Nachfragen StStr

Auf dieser aktuellen Datengrundlage werden auch die Fragen 6 a und 6 b beantwortet:

170509 Tabelle 2 Nachfragen StStr

 

 

 

 

6. b) Wie lautet die Durchschnittsbewertung der vor 1975, zwischen 1975 und 1994 und zwischen 1994 bis 2015 erstellten Brückenflächen?
zu 6. b): Die mittlere Zustandsnote (ZN) der Brückenflächen in Bezug auf die Baujahre ist wie folgt:

170509 Tabelle 3 Nachfragen StStr

 

 

 

 

7. a) Wie wird die Substanzkennzahl, die neben der Zustandsnote die Grundlage für die weitere Erhaltungsplanung bei Brückenbauwerken bildet, errechnet?
zu 7. a): Die Substanzkennzahl wird für jede Bauteilgruppe und für jedes Teilbauwerk ermittelt. Sie entspricht der Zustandsnotenbewertung ohne Berücksichtigung der Verkehrssicherheitsbewertung (V = 0).

7. b) In welcher Form wird die ermittelte Substanzkennzahl kategorisiert?
zu 7. b): Eine Kategorisierung allein für die Substanzkennzahl gibt es nicht.

7. c) Wie kann die Höhe der Substanzkennzahl interpretiert werden?
zu 7. c): Siehe Antwort zu Frage 7 a.

8. a) Wie wird die Substanzkennzahl im Verhältnis zur Zustandsnote gewichtet?
zu 8. a): Eine Wichtung zwischen Substanzkennzahl und Zustandsnote findet nicht statt.

8. b) Von welcher Stelle wird die Substanzkennzahl ermittelt?
zu 8. b): Die Bauwerksprüfung, die sowohl als Grundlage der Zustandsnote als auch der Substanzkennzahl dient, wird durch einen Bauwerksprüfer der Straßenbauverwaltung oder aber auch durch externe Ingenieurbüros durchgeführt. Die Zustandsnote und die Substanzkennzahl für das Gesamtbauwerk wird auf der Grundlage der „Richtlinien zur einheitlichen Erfassung, Bewertung, Aufzeichnung und Auswertung von Ergebnissen der Bauwerksprüfung nach DIN 1076“ (RI-EBW-PRÜF) ermittelt und durch einen hinterlegten Berechnungsalgorithmus mit dem Programmsystem SIB-BAU-WERKE errechnet.

8. c) Wie unterscheidet sich die Substanzkennzahl von der Zustandsnote?
zu 8. c): Siehe Antwort zu Frage 7 a.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.