28. August 2015

Wasserversorger in Bayern

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 29.07.2015 mit den Antworten der Staatsministerin für Umwelt und Verbraucherschutz, Ulrike Scharf, vom 28.08.2015 (kursiv dargestellt)

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
 die Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Hartmann beantworte ich wie folgt:

Es wird davon ausgegangen, dass sich diese Anfrage auf die öffentliche Trinkwasserversorgung in Bayern bezieht.

1. a) Wie viele kommunale Zweckverbände zur Wasserversorgung bzw. Wasserversorgungsunternehmen gibt es bayernweit nach derzeitigem Stand?

In Bayern sind 2261 öffentliche Wasserversorgungsunternehmen (WVU) tätig, davon 275 in der Organisationsform als Zweckverband (Datenquelle: Erhebung zur Umweltstatistik (UStat) 2013, Bayerisches Landesamt für Statistik). Erfasst sind dabei alle WVU mit einem Wasseraufkommen ab 1.000 Kubikmeter pro Jahr.

b) Wie entwickelte sich die Anzahl der Wasserversorger in Bayern in den letzten 25 Jahren?

Die Anzahl der WVU mit einem Wasseraufkommen ab 1.000 Kubikmeter pro Jahr ging in Bayern von 2.711 im Jahr 1991 auf 2.261 im Jahr 2013 zurück (UStat 1991 bis 2013). Die nachfolgende Tabelle enthält die Zahlen der jeweiligen UStat, die seit 1995 im 3-jährigen Turnus durchgeführt wird.

151012 Wasserversorger 1b

 

2. a) Wie viele kommunale Zweckverbände zur Wasserversorgung wurden in den letzten zehn Jahren bayernweit aufgelöst (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken)?

Dazu liegen der Bayerischen Staatsregierung keine auswertbaren Daten vor.

b) Aus welchen Gründen gaben diese Kommunen ihre Wasserversorgung auf?

Die Versorgung mit Trinkwasser ist in Bayern eine Pflichtaufgabe der Gemeinden (Art. 57 Abs. 2 Gemeindeordnung). Insoweit bezieht sich nachfolgende allgemeine Antwort auf regelmäßig vorliegende Gründe, aus denen eine Kommune oder ein Zweckverband eine bislang eigenständige Einrichtung der öffentlichen Wasserversorgung aufgibt und die Versorgungsaufgabe an einen Zweckverband oder einen anderen Träger abgibt.

Hohe Anforderungen an Errichtung, Betrieb und Unterhaltung der Anlagen, die Organisation und das Personal der Unternehmen, den Erhalt der Rohwasserqualität und die Qualität des Trinkwassers sowie wirtschaftliche Erwägungen führen vermehrt dazu, dass die Versorgungsaufgabe in interkommunaler Zusammenarbeit erfüllt wird und dabei bislang eigenständige WVU in einer größeren Einheit aufgehen. Auch eine unzureichende oder fehlende Schützbarkeit der Wassergewinnung oder Maßnahmen zur Optimierung der Versorgungssicherheit können hierfür ein Anlass sein und damit zur Verringerung der Anzahl der WVU beitragen.

c) Wie viele Kooperationen bzw. Fusionen zwischen Wasserversorgern wurden in den letzten zehn Jahren bayernweit geschlossen (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk)?

Über Kooperationen (Zusammenarbeit von eigenständigen WVU untereinander) bzw. Fusionen (Zusammenschluss zu einem gemeinsamen WVU) liegen der bayerischen Staatsregierung keine auswertbaren Daten vor. Allgemein ist zu Kooperationen bzw. Fusionen von WVU festzustellen:

Die öffentliche Trinkwasserversorgung in Bayern weist im bundesweiten Vergleich eine sehr kleinteilige Struktur auf. Die Einhaltung technischer, betrieblicher und organisatorischer Anforderungen stellt vor allem kleine WVU vor große Herausforderungen. Kooperationen bieten den WVU vielfältige und flexible Möglichkeiten, ihre Aufgaben mit besserer Qualitätssicherung und gleichzeitig wirtschaftlicher zu erledigen, ohne die Eigenständigkeit aufzugeben. Bereits im Jahr 1999 wurde als Hilfestellung der Leitfaden „Betriebliche Kooperation“ veröffentlicht. Dieser wird derzeit überarbeitet, damit eine aktuelle Handreichung über alle Gesichtspunkte der Kooperation öffentlicher WVU vorliegt und hierzu Anreize schafft. Die Fusion mehrerer bislang eigenständiger WVU zu einem gemeinsamen WVU führt in geeigneten Fällen erst recht zu den genannten Vorteilen.

3. a) Wie viele Neugründungen von Wasserzweckverbänden o. ä. gab es in Bayern in den letzten zehn Jahren?

Dazu liegen der Bayerischen Staatsregierung keine auswertbaren Daten vor.

b) Aus welchen Gründen ist die Anzahl der Wasserversorger in Bayern in den letzten 25 Jahren gestiegen bzw. gesunken?

Die Anzahl der WVU hat in den letzten Jahren in Bayern kontinuierlich abgenommen, siehe Antwort zu Frage 1.b). Zu den bekannten allgemeinen Gründen für die Aufgabe der Eigenständigkeit eines WVU siehe Antworten zu den Fragen 2. b) und 2.c).

4. a) Wie viele Wasserzweckverbände haben ihr Versorgungsgebiet in den letzten zehn Jahren erweitert (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk)?

Dazu liegen der Bayerischen Staatsregierung keine auswertbaren Daten vor. Eine Aufstellung über die Entwicklung der Versorgungsgebiete der 11 in Bayern tätigen Fernwasserversorgungsunternehmen im Zeitraum 1991 bis 2010 wurde im Rahmen der Antwort zur Interpellation der SPD „Wasser in Bayern“ im Jahr 2012 erstellt (siehe Landtags-Drucksache 16/15985).

b) Welche Gemeinden haben sich in den letzten zehn Jahren einem anderen Wasserzweckverband angeschlossen (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk?

Dazu liegen der Bayerischen Staatsregierung keine auswertbaren Daten vor.

c) Welche Gründe bewegen bewegen Kommunen dazu, einen Wechsel des Wasserversorgers herbeizuführen?

Es ist zu unterscheiden, ob Gemeinden insgesamt oder für bestimmte Gemeindeteile ihre Eigenständigkeit als WVU aufgeben (z. B. durch Beitritt zu einem Zweckverband) oder – unter Beibehaltung der Eigenständigkeit – neue oder zusätzliche Lieferbeziehungen mit anderen WVU als Trinkwasservorlieferanten aufnehmen. Gründe für die Aufnahme oder den Wechsel von Lieferbeziehungen zu Trinkwasservorlieferanten sind im allgemeinen der Ausgleich quantitativer oder qualitativer Defizite der eigenen Wassergewinnung, z. B. fehlende Schützbarkeit, die Verbesserung der Versorgungssicherheit oder auch wirtschaftliche Erwägungen.

5. a) Wie viele Trinkwasserbrunnen wurden in den letzten zehn Jahren bayernweit aufgelassen (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken, jährliche Entwicklung)?

Die nachfolgenden Tabellen zeigen die Anzahl der Brunnen bzw. die Anzahl aller Trinkwasserfassungen (auch Quellen und Oberflächenwasserentnahmen) der öffentlichen Wasserversorgung, die in den Jahren von 2005 bis 2014 in Bayern nicht mehr betrieben wurden – aufgeschlüsselt nach endgültiger Stilllegung (sg) und nur vorübergehender Außerbetriebnahme (aB) je Regierungsbezirk (Datenquelle: Informationssystem Wasserwirtschaft, Stand August 2015).

151012 Wasserversorger 5a

 

b) Aus welchen Gründen wurden diese Trinkwasserbrunnen aufgelassen?

Zu den Gründen für das Auflassen von Trinkwasserbrunnen im Einzelfall liegen der Bayerischen Staatsregierung keine auswertbaren Daten vor. Bekannt ist aber, dass Probleme mit der Wasserbeschaffenheit, eine zu geringe mengenmäßige Ergiebigkeit, fehlende Schützbarkeit, konkurrierende Nutzungen, naturschutzfachliche Gründe sowie technische und bauliche Mängel zur Auflassung von Brunnen und Quellen führen können. In den meisten Fällen liegen gleichzeitig mehrere dieser Gründe vor, wobei oft auch wirtschaftliche Überlegungen bei der Entscheidung zur Auflassung von Wasserfassungen eine Rolle spielen.

c) Wie viele Neuerschließungen von Trinkwasserbrunnen wurden in den letzten zehn Jahren bayernweit vollzogen (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken, jährliche Entwicklung)?

Die nachfolgenden Tabellen zeigen die Anzahl der Brunnen bzw. die Anzahl aller Trinkwasserfassungen (auch Quellen und Oberflächenwasserentnahmen) der öffentlichen Wasserversorgung, die in den Jahren von 2005 bis 2014 neu erschlossen wurden – aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirken (Datenquelle: Informationssystem Wasserwirtschaft, Stand August 2015):

151012 Wasserversorger 5c

 

6. a) Wie viele Wasserversorger in Bayern müssen ihre Rohwasserressourcen aufbereiten (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk)?

Die folgende Aufstellung bezieht sich auf WVU, deren öffentliche Trinkwassergewinnungsanlagen der Eigenüberwachungsverordnung (EÜV) unterliegen, d. h. eine wasserrechtlich gestattete Entnahme von 5.000 Kubikmeter pro Jahr übersteigen (Datenquellen: Wasserversorgungsbilanz Unterfranken 2025 und Projekt „Erhebung und Bewertung der öffentlichen Wasserversorgung in Bayern“, Stand August 2015).

151012 Wasserversorger 6a

Zu beachten ist, dass Trinkwasseraufbereitung in Bayern in den meisten Fällen nicht zur Entfernung störender Schadstoffe erforderlich ist, die durch menschliche Aktivitäten in das Wasser gelangt sind, sondern nur zur Entfernung geogener, von Natur aus im Untergrund enthaltener Stoffe (z. B. Uran), aus Gründen des Korrosionsschutzes (z. B. Entsäuerung) bzw. der Gebrauchsfähigkeit des Trinkwassers (z. B. Enthärtung) oder zur vorsorglichen Erhöhung der Sicherheit vor mikrobiologischen Verunreinigungen.

b) Wie entwickelte sich die Zahl der Wasserversorger, die ihre Rohwasserressourcen aufbereiten müssen, in den letzten zehn Jahren (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk, jährliche Entwicklung)?

Im Zuge der Wasserversorgungsbilanz Unterfranken 2025 und des Projekts „Erhebung und Bewertung der öffentlichen Trinkwasserversorgung in Bayern“ erfolgte erstmals eine systematische, zentrale Erfassung von Daten zu Trinkwasseraufbereitungsanlagen. Andere auswertbare Daten liegen der bayerischen Staatsregierung nicht vor. Daher sind derzeit noch keine Aussagen zur zeitlichen Entwicklung möglich.

7. a) Welchen Maßnahmen wurden bislang und werden derzeit von den Kommunen ergriffen, um den Zustand des Trinkwassers zu verbessern bzw. zu erhalten?

Ziel der Bayerischen Staatsregierung ist es, durch vorbeugenden Grund- und Trinkwasserschutz nach dem Vorsorgeprinzip eine möglichst natürliche und einwandfreie Wasserbeschaffenheit zu bewahren, damit gewonnenes Trinkwasser möglichst ohne Aufbereitung an die Endkunden abgegeben werden kann. Die Minimierung des Aufbereitungsaufwands ist auch ein Ziel gemäß Artikel 7 Abs. 3 der Wasserrahmenrichtlinie der EU.

Die wichtigste Maßnahme zum Schutz einer Wasserfassung für die Trinkwassergewinnung besteht in der Ausweisung eines Wasserschutzgebiets mit Erlass der Schutzgebietsverordnung. Soweit erforderlich, werden bestehende Schutzgebiete entsprechend neuesten Erkenntnissen angepasst. Die WVU als Begünstigte haben bei Verfahren zur Ausweisung oder Anpassung von Wasserschutzgebieten einen entsprechenden fachlich begründeten Entwurf vorzulegen. Hierzu müssen Sie alle fachlichen Grundlagen wie z. B. die Ermittlung und Bewertung des Trinkwassereinzugsgebiets auf ihre Kosten erstellen lassen.

Weitere Maßnahmen zur Verbesserung bzw. zum Erhalt des Trinkwasserschutzes beziehen sich hauptsächlich auf Einflüsse aus der landwirtschaftlichen Nutzung. Neben den Ausgleichsleistungen nach § 52 Abs. 5 WHG und nach Art. 32 BayWG für erhöhte Anforderungen an die Landbewirtschaftung, die sich aus der Schutzgebietsverordnung ergeben, gibt es zahlreiche freiwillige Kooperationen zwischen Landwirten und WVU, in denen weitergehende Maßnahmen zur Vermeidung bzw. Verminderung von Nitrat- und Pflanzenschutzmitteleinträgen in das Grundwasser vereinbart und mit Prämien entlohnt werden.

Beispiele dafür sind Vorgaben zur Pflanzenschutzmittelanwendung, zur Ausbringung und ggf. auch Lagerung von Düngemitteln, zur Festlegung des Zeitpunkts der Winterfurche sowie des Anbaus von Zwischenfrüchten. Überprüft wird die Einhaltung der Vereinbarungen durch die Bestimmung des mineralisierten Stickstoffgehalts im Bo- den oder anhand der Stickstoffbilanzen. Mit der Ausarbeitung der Vereinbarungen, deren Überwachung und der Beratung der Landwirte im Rahmen von freiwilligen Kooperationen werden von vielen WVU landwirtschaftliche Fachbüros beauftragt.

b) Welche Kosten fallen dafür jährlich bzw. pro Hektar Maßnahmenfläche im Durchschnitt an (aufgeschlüsselt nach Regierungsbezirk)?

Auswertbare Daten zu den Kosten für Ausgleichsleistungen oder Prämien im Rahmen freiwilliger Kooperationen liegen der Bayerischen Staatsregierung nicht vor.

Es ist jedoch bekannt, dass WVU mit den Landwirten sehr unterschiedliche Maßnahmenpakete zur grundwasserschonenden Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen in Wasserschutzgebieten vereinbaren. Je nach Tragweite der Maßnahmen reichen die Kosten von rd. 30 Euro je Hektar und Jahr (z. B. für ein kleines Basispaket) bis zu rd. 300 Euro je Hektar und Jahr (z. B. für die Einhaltung der Anforderungen des ökologischen Landbaus).

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.

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Pressebericht im Onlineangebot der Bayerischen Staatszeitung vom 15.01.2016