11. April 2014

Verstößt die Staatsregierung gegen Recht und Gesetz? Landtags-Grüne stellen juristisches Gutachten zur geplanten 10H-Mindestabstandsregelung vor

Monatelang hat Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer eine Mindestabstandsregelung für Windkraftanlagen angekündigt und damit eine ganze Branche verunsichert. Jetzt soll seine willkürlich festgelegte 10H-Abstandsgrenze tatsächlich auch Gesetz werden.

In einem durch von uns beauftragten Rechtsgutachten hat der renommierte Fachanwalt Prof. Dr. Martin Maslaton die gesetzlichen Rahmenbedingungen (BauGB mit Länderöffnungsklausel) und die bayerischen Pläne (Abstands- und Stichtagsregelungen) detailliert untersucht. Sein Gutachten haben wir am heutigen Freitag im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt:

Der jüngste Bericht des Weltklimarats hat erneut deutlich gemacht, dass der Klimawandel schon heute massive Auswirkungen auf unser Leben hat. Wenn wir jetzt keine Gegenmaßnahmen ergreifen, verspielen wir leichtfertig die Lebensgrundlagen der nachfolgenden Generationen. Dieses Wissen und der gesellschaftlich gewünschte und nach langen Kämpfen durchgesetzte Atomausstieg sind wesentliche Motive für den Umstieg auf eine klimafreundliche und sichere Energieversorgung.

Die Menschen in Bayern stehen klar hinter der Energiewende. Dies zeigen die konstant hohen Zustimmungswerte bei Umfragen zur Akzeptanz von Erneuerbaren-Energien-Anlagen ebenso wie die Bereitschaft zahlreicher engagierter Bürgerinnen und Bürger, in ein modernes und sauberes Energiesystem zu investieren. Daraus ergeben sich viele Vorteile gerade in ländlichen Regionen: Stärkung der heimischen Wirtschaft, hohe Wertschöpfung vor Ort und die Schaffung von Arbeitsplätzen.

Die wichtigste Säule der Energiewende ist unbestritten die Nutzung der Windenergie. Sie ist kostengünstig und beansprucht kaum Fläche. Mit modernen Anlagen ist es mittlerweile auch in Bayern möglich, wirtschaftlich Strom zu erzeugen. Nachdem die Staatsregierung ihre Blockadepolitik seit dem GAU von Fukushima aufgegeben hat, haben zahlreiche Stadtwerke, Kommunen und Bürgergenossenschaften begonnen, Standorte auszuweisen und Anlagen zu planen. Allein 2013 sind über 220 Anlagen genehmigt worden. Für knapp 1.000 weitere Anlagen liegen derzeit Genehmigungsersuchen vor. Hier wurden zum Teil bereits beachtliche Summen in die Vorplanung investiert im Vertrauen auf verlässliche Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber.

Doch kurz vor der Landtagswahl 2013 ging Seehofer bei Windkraftgegnern auf Stimmenfang und hat deren Forderung nach höheren Abständen zwischen Windrädern und Wohnbebauung übernommen. Diese sogenannte 10H-Regelung wäre das Ende der Windenergie in Bayern. Allerdings sollen unter gewissen Umständen Ausnahmen möglich sein: etwa bei einem Konsens in den beteiligten Kommunen. Unter dem Deckmantel der Bürgerbeteiligung schiebt Seehofer die Verantwortung einer sinnvollen Energieerzeugung auf die Kommunen, nachdem er selbst monatelang gegen die Windkraft gewettert hat. Eine aktive Unterstützung der Energiewende sieht anders aus!

In unseren Augen ist eine 10H-Regelung nicht nur schädlich für das Klima sondern sorgt für eine Vernichtung von Arbeitsplätzen und hohen Summen an bereits getätigten Investitionen. Denn die neue Abstandsbemessung soll sogar rückwirkend gelten. Als Stichtag hat das Kabinett rückwirkend den 4. Februar 2014 festgesetzt, ohne überhaupt die Kompetenz für den Erlass einer solchen Regelung zu haben. Diese muss der Bundesgesetzgeber erst noch übertragen.

Das Vorgehen der Staatsregierung ist aus juristischer Sicht mehr als fragwürdig. Die Grüne Landtagsfraktion hat deshalb ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben mit dem Ziel, die windige Energiepolitik Seehofers auch aus juristischer Sicht zu entlarven.

Die Ergebnisse lassen sich kurz wie folgt zusammenfassen:

1.        Eine pauschale 10H-Regelung ist rechtswidrig, weil sie gegen das mehrfach vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Gebot verstößt, der Windkraft substanziell Raum zu bieten (Privilegierung). Dieses Gebot ergibt sich aus § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB.

2.        Die Festlegung des Stichtages ist nicht sachgerecht, weil eine solche Rückwirkung nur dann möglich wäre, wenn „Ankündigungseffekte“ zu befürchten wären. Angesichts der langen Planungszeit von Windenergieanlagen (zwei bis vier Jahre) ist dies sicherlich nicht zu erwarten.

Das vorliegende Rechtsgutachten ist zunächst Arbeitsgrundlage für die Landtags-Grünen in dem bevorstehenden parlamentarischen Prozess zur Gesetzgebung. Wir werden alle zur Verfügung stehenden Mittel einsetzen, um die Festschreibung einer 10H-Mindestabstandsregelung zu verhindern. Insbesondere werden wir gegen rechtlich fragwürdige Regelungen Einwendungen vorbringen. Sollte diesen Einwendungen nicht Rechnung getragen werden, bilden sie die Grundlage für ein mögliches juristisches Vorgehen gegen ein aus unserer Sicht rechtswidriges Gesetz. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die Bürgerinnen und Bürger wieder auf Rechts- und Planungssicherheit vertrauen können. Wir lassen nicht zu, dass Seehofer diese sowohl klima- als auch wirtschaftspolitisch sinnvolle Art der Energieerzeugung aus unserem Land vertreibt.

München, 11. April 2014