3. November 2015

Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit

Unser Gesetzentwurf zur Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes vom 03.11.2015

A) Problem

In seinem Urteil vom 4. Februar 2009 erklärte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) die Satzung der Stadt München zum Verbot der Verwendung von Grabsteinen aus Kinderarbeit mit der Begründung für unwirksam, dass es der Kommune an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage zum Erlass einer solchen Satzung fehle (VGH, Az. 4 N 08.778). Geklagt hatte ein Steinmetzunternehmen aus Mittelfranken mit der Begründung, das Verbot tangiere Berufsfreiheit und Eigentumsrechte. Diese Entscheidung wirkt sich auch auf eine Reihe anderer kommunaler Satzungen bzw. Friedhofsordnungen zu einem solchen Verbot aus, die damit obsolet wurden, so z.B. auch in Nürnberg (Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 27. Juli 2009, Az.: 4 N 09.1300).

Daraufhin hat die Stadt Nürnberg erfolgreich Verfassungsbeschwerde beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof eingelegt und die Verletzung ihres kommunalen Selbstverwaltungsrechts gerügt. Das Gericht hat den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat dann am 6. Juli 2012 unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs entschieden, die Gemeinden seien ermächtigt, in Satzungen die Benutzung ihrer Einrichtungen und damit auch die Friedhofsnutzung zu regeln. Ein entsprechender Normenkontrollantrag eines Steinmmetzbetriebs wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit schließlich zur Revision am Bundesverwaltungsgericht zugelassen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 16. Oktober 2013, Az. 8 CN 1.12, festgestellt, dass diese Regelung gegen höherrangiges Recht verstößt. Die Verwendung von Grabmalen auszuschließen, die unter ausbeuterischer Kinderarbeit hergestellt wurden, ist ein verfassungsrechtlich legitimer Zweck. Den Steinmetzen den dahingehenden Nachweis aufzubürden, beeinträchtigt deren Berufsausübungsfreiheit unzumutbar, solange nicht zugleich bestimmt wird, wie dieser Nachweis geführt werden kann. Außerdem erlaubt Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG Eingriffe in die Berufsfreiheit nur auf der Grundlage einer gesetzlichen Regelung, die Umfang und Grenzen des Eingriffs deutlich erkennen lässt. Dabei muss der Gesetzgeber selbst alle wesentlichen Entscheidungen treffen. Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 der Gemeindeordnung sowie Art. 8 und 9 des Bayerischen Bestattungsgesetzes reichen dafür nicht aus.

Bereits mit Beschluss (Drs. 16/2454) vom 27. Oktober 2009 hatten sich alle Fraktionen des Landtags verpflichtet, eine Rechtsgrundlage zu schaffen, die es Gemeinden zweifelsfrei ermöglicht, in ihren Friedhofssatzungen festlegen zu können, dass in den gemeindlichen Friedhöfen nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit (gemäß ILO-Konvention 182) hergestellt worden sind. Solche Regelungen gelten bereits seit einigen Jahren im Saarland und Baden-Württemberg. Zwar hat der Landtag seither immer wieder bekundet, eine entsprechende Gesetzesgrundlage auf den Weg bringen zu wollen – zuletzt mit Beschluss vom 3. April 2014 (Drs. 17/1487) sowie vom 14. April 2015 (Drs. 17/6107), konkrete Vorschläge für eine Satzungsermächtigung sowie grundlegende Regelungen zur Nachweisführung wurden bislang von der Staatsregierung immer noch nicht vorgelegt. Neben Nordrhein-Westfalen hat nun auch die baden-württembergische Landesregierung kürzlich einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die bestehende Vorschrift präzisiert und den zu erbringenden Nachweis für Grabsteine und Grabsteinfassungen regelt, die aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. Damit wird den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Urteil vom 16. Oktober 2013, Az. 8 CN 1.12, Rechnung getragen, so dass ein weiteres Verzögern im Freistaat weder akzeptabel noch länger zu begründen ist.

B) Lösung

Mit einer Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes werden die Friedhofsträger zum Erlass von Satzungen ermächtigt, die festlegen, dass nur Grabsteine und Grabsteinfassungen verwendet werden dürfen, die aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) hergestellt sind. Darüber hinaus werden Anforderungen an den zu erbringenden Nachweis für Grabsteine und Grabsteinfassungen geregelt.

C) Alternativen

Keine

D) Kosten

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass Privaten geringfügig höhere Kosten durch den Erwerb von Grabsteinen und Grabeinfassungen, die aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden, entstehen, wenn Friedhofsträger von der Verbotsmöglichkeit Gebrauch machen. Steinmetzen kann durch die zu erbringende Nachweisführung geringfügiger bürokratischer Mehraufwand entstehen.

Gesetzentwurf
zur Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes

§1

Dem Art. 9 des Bestattungsgesetzes – BestG – (BayRS 2127-1-G), das zuletzt durch § 1 Nr. 167 der Verordnung vom 22. Juli 2014 (GVBl. S. 286) geändert worden ist, werden folgende Abs. 4, 4a, 4b und 4c angefügt:

„(4) Der Friedhofsträger kann in der Satzung bzw. Friedhofsordnung festlegen, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nach- weislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt worden sind.

(4a) 1Der Nachweis im Sinne des Abs. 4 ist er- bracht, wenn die Grabsteine und Grabeinfassungen vollständig in Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder der Schweiz hergestellt wurden. 2Das Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wird ermächtigt, die Regelung des Satzes 1 auf den Herstellungsprozess in weiteren Staaten auszudehnen, in denen ausreichende Anhaltspunkte bestehen, dass keine ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Konvention 182 der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) stattfindet.

(4b) 1Der Nachweis im Sinn des Abs. 4 ist auch er- bracht, wenn durch ein bewährtes Zertifikat bestätigt wurde, dass die Grabsteine und Grabeinfassungen in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. 2Bewährte Zertifikate sind Bestätigungen, die von gemeinnützigen oder anderen von der herstellenden Industrie und dem Han- del unabhängigen Organisationen und Einrichtungen vergeben werden und die mindestens sicherstellen, dass die Einhaltung der jeweiligen Kriterien durch unangemeldete und unabhängige Kontrollen vor Ort möglich ist und tatsächlich durchgeführt werden.

(4c) 1Ist die Vorlage eines bewährten Zertifikats nicht oder nur unter unzumutbaren Belastungen möglich, ist stattdessen eine Erklärung zu verlangen, in der der betroffene Händler zusichert, sich vergewissert zu haben, dass der Grabstein und die Grabeinfassung ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden ist. 2Kann diese Zusicherung nicht abgeben werden, hat der Händler zu erklären, dass Maßnahmen ergriffen wurden, um die Verwendung von Grabsteinen und Grabeinfassungen zu vermeiden, die durch ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. 3Diese Maßnahmen sind zu erläutern und gegebenenfalls nachzuweisen.“

§2

Dieses Gesetz tritt am ………………………… in Kraft.

Begründung:

Immer noch werden weit über hundert Millionen Kinder weltweit unter schwierigsten und schädlichsten Arbeitsbedingungen ausgebeutet. Sowohl auf internationaler Ebene als auch in der Mehrheit der deutschen und bayerischen Bevölkerung besteht Konsens darüber, dass die schlimmsten Formen der Kinderarbeit beseitigt werden müssen. Dieses Ziel geben beispielsweise die ILO-Konvention 182 und die UN-Milleniumsziele bis 2015 vor.

Auch der Freistaat Bayern ist hier gefordert, das in seinen Kompetenzen stehende zur Eindämmung ausbeuterischer Kinderarbeit beizutragen und ist dem unter anderem mit dem Landtagbeschluss Drs. 15/8713 und dem darauffolgenden Erlass einschlägiger Verwaltungsvorschriften für das Beschaffungswesen bereits zum Teil nachgekommen. Ebenso wenden sich zahlreiche Kommunen aktiv gegen in Kinderarbeit hergestellte Produkte wie z.B. Natursteine, die als Grabsteine Verwendung finden.

Mittlerweile gibt es jedoch mehrere Gerichtsurteile, in denen kommunale Satzungsbestimmungen für unwirksam erklärt wurden, nach denen auf den Friedhöfen der Kommunen nur Grabmale aufgestellt werden dürfen, die nachweislich in der gesamten Wertschöpfungskette ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden sind. Zuletzt hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 16. Oktober 2013 entschieden, dass solche Regelungen gegen höheres Recht verstoßen würden, weil die Berufsausübungsfreiheit unzumutbar beeinträchtigt sei, solange nicht zugleich bestimmt wird, wie dieser Nachweis geführt werden kann. Dass die Bekämpfung ausbeuterischer Kinderarbeit auch im Bereich der Herstellung von Grabmalen ein wichtiges Ziel ist, wird dabei aber auch vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich nicht in Frage gestellt.

Die Staatsregierung ist deshalb gefordert, in das Bayerische Bestattungsgesetz eine Rechtsgrundlage aufzunehmen, die den für den Erlass der Friedhofssatzungen zuständigen Kommunen eine entsprechende Regelung ermöglicht, die zugleich den Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts entspricht. Weil es derzeit an einem anerkannten Nachweissystem für Grabsteine fehlt, werden die vom Gesetzgeber anerkannten Anforderungen an den Nachweis gesetzlich verankert, um den Friedhofsträgern und den Steinmetzen Rechtssicherheit zu geben. Durch den vorliegenden Gesetzentwurf wird Art. 9 des Bayerischen Bestattungsgesetzes ergänzt. In Abs. 4 wird festgeschrieben, dass der Friedhofsträger in Friedhofssatzungen festlegen kann, dass nur Grabsteine und Grabeinfassungen verwendet werden dürfen, die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der ILO-Konvention 182 hergestellt sind. Um Anforderungen an den Nachweis zu knüpfen, werden die Abs. 4a, 4b und 4c angefügt. Als Zertifikate, die die in Abs. 4b genannten Anforderungen derzeit erfüllen, sind beispielhaft die Siegel von Fair Stone, der IGEP Foundation und XertifiX zu nennen. Kann ein Händler kein entsprechendes Zertifikat vorlegen, ist eine Zusicherung, dass er sich vergewissert hat, erforderlich. Diese ist beispielsweise erbracht, wenn der Händler sich vor Ort ein Bild gemacht hat oder es im Herkunftsland ein Nachweisregime gibt, das Kinderarbeit ausschließt. Als Maßnahme, um die Verwendung von Grabsteinen aus Kinderarbeit zu vermeiden, kommt etwa die Nachfrage bei seinem Händler oder eine Zusicherung, aktive und zielführende Maßnahmen ergriffen zu haben, um die Beziehung von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit zu vermeiden, in Betracht. Damit ist ein abgestuftes Verfahren vorgesehen, welches den Friedhofsträgern und Steinmetzen Rechtssicherheit bringt.

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Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Gesetzentwurfs im Bayerischen Landtag.