22. Mai 2017

Seehofer, der „Dinosaurier des Jahres“?

Es las sich wie Horst Seehofers Bewerbung zum „Dinosaurier des Jahres“. So heißt der Negativpreis des Naturschutzbunds Deutschlands, mit dem alljährlich Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens ausgezeichnet werden, die unter Umweltschutzaspekten mit besonders rückständigen Ideen „geglänzt“ haben. Und Seehofer hat geglänzt – mit seinem Vorstoß für eine Kaufprämie auf Diesel-6-Fahrzeuge. Auf die Idee muss man erstmal kommen. Während VW, Audi & Co. für ihre gesundheitsgefährdenden Tricksereien rund um den Abgasausstoß moderner Dieselmotoren in den USA zu Milliardenstrafen herangezogen werden, will der CSU-Chef sie in Deutschland auch noch belohnen! Dabei wurde erst wenige Tage vor Seehofers „glorreichem“ Einfall bekannt, dass alleine 2015 rund 38.000 Menschen wegen nicht eingehaltener Abgasgrenzwerte bei Dieselfahrzeugen gestorben sind – 11.400 von ihnen in der EU (Studie der Organisation Environmental Health Analytics (LLC) in Washington).

Deutschland hinkt hinterher

Was mich besonders ärgert: Die Förderung von Dieselfahrzeugen ist nicht nur umweltpolitischer Schwachsinn und gefährdet die Gesundheit unserer Bürgerinnen und Bürger (weil längst auch Tricksereien bei Fahrzeugen der Euro-6-Norm bekannt sind). Sie ist auch wirtschaftspolitisch kontraproduktiv. Denn die Zukunft der Autoindustrie liegt nicht im Dieselmotor – und auch nicht im Benziner –, sondern in Carsharing- und Mitfahrmodellen und vor allem in der Elektromobilität. Das wissen die Autobauer in Deutschland natürlich und auch alle anderen Akteure – die Gewerkschaften, die Zulieferer, nicht zuletzt auch die Politik. Mit einer Kaufprämie für Elektrofahrzeuge wollte die Bundesregierung die Nachfrage anheizen, vergaß dabei aber, auch die Ladeinfrastruktur deutschlandweit zu fördern und voranzubringen. Und deshalb hinken wir sowohl beim Verkauf deutscher Elektroautos als auch bei der Entwicklung hinter dem innovativen US-Riesen Tesla und den ehrgeizigen Chinesen her.

Anreiz zum Stillstand

Was Seehofer nun aus hanebüchenem ökonomischem Unverstand heraus anregte und was unser Grüner Parteivorsitzender Cem Özdemir als „verkehrspolitische Harakiri“ bezeichnete, wäre für die deutsche Autoindustrie ein Anreiz zum Stillstand. Wer mit einer alten Technik wieder gut Geld verdienen kann, wird zu faul, um eine neue fortzuentwickeln. Wer – wie Horst Seehofer – die weltweit rasanten Veränderungsprozesse auf dem Automobilmarkt nicht akzeptiert, baut eine Innovationsbarriere und wird selbst zum Innovationsrisiko für den Industriestandort Deutschland! Sollte der Naturschutzbund Deutschlands Seehofer mit dem „Dinosaurier des Jahres“ bedenken, träte der unter anderem in die Fußstapfen seines Parteifreunds und früheren Bundeswirtschaftsministers Michael Glos. Der setzte 2008 voll und ganz auf Atomtechnologie, wollte weitere Kohlekraftwerke bauen und behinderte den Markterfolg der umweltfreundlichen Kraft-Wärme-Kopplung. Genützt hat es weder ihm, noch den großen Energiekonzernen, die eine sich längst abzeichnende Energiewende ignorierten und heute Milliardenverluste einfahren.