29. Juli 2015

Schulobst- und -gemüseprogramm

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/Die Grünen, vom 20.04.2015, mit den Antworten des Staatsministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, Helmut Brunner, vom 29.07.2015 (kursiv dargestellt)

Das EU-geförderte Schulobst- und -gemüseprogramm des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ist seit 2010 ein wichtiger Bestandteil der Ernährungsbildung von (Klein-)Kindern. Das zeigen allein schon die stetig zunehmende Zahl an teilnehmenden Grund- und Förderschulen sowie seit 2014 auch Kindertagesstätten. Allerdings deutet die Presseberichterstattung der letzten Wochen und Tage darauf hin, dass im Nachweis-, Kontroll- und Abrechnungsverfahren zwischen der für das Programm verantwortlichen Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) und den Lieferanten Überarbeitungs- und Verbesserungsbedarf besteht. Laut Aussage mehrerer betroffener Lieferant*innen kam es im Rahmen des Schulobst und -gemüseprogramms offensichtlich zu Zahlungsverzögerungen bzw. Zahlungskürzungen.
In diesem Zusammenhang frage ich die Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
die o. g. Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Ludwig Hartmann wird wie folgt beantwortet:

1. a) Auf welche Summen belaufen sich die jährlichen Ausgaben des sogenannten Schulfruchtprogramms seit Einführung (bitte detaillierte Aufschlüsselung der jährlichen Ausgaben)?
b) Wie hoch ist in absoluten Zahlen der Anteil an den Gesamtausgaben, der durch Fördergelder der EU abgedeckt wird (bitte Entwicklung der Fördersummen bzw. -anteile seit 2010 aufschlüsseln)?
Zu Frage 1. a) und Frage 1. b):
150729 Schulobst 1

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. c) Wie viele Tage vergehen im Durchschnitt von der ersten Schulobstlieferung – also vom Beginn eines Schulquartals – bis zur Bezahlung der Lieferant*innen für deren erbrachte Leistung?
Zu Frage 1. c): Im Schuljahr 2014/15 betrug die Lieferperiode im 1. Quartal (01.08.2014 bis 31.10.2014, Lieferbeginn erfolgte nach den Sommerferien am 16.09.2014) 46 Tage und im 2. Quartal (01.11.2014 – 31.01.2015) 92 Tage. Im 1. Quartal reichte der Lieferant im Durchschnitt nach 38 Tagen, im 2. Quartal nach 25 Tagen den Antrag auf Beihilfe bei der Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) ein. Die Daten der Anträge wurden in den beiden Quartalen im Durchschnitt nach 42 bzw. 40 Tagen von der LfL über das Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) an die Bundeskasse Trier zur Auszahlung weitergegeben. Bis zur endgültigen Auszahlung durch die Bundeskasse, über die die EU-Mittel verwaltet werden, waren acht bzw. neun weitere Tage erforderlich.
Festzuhalten ist, dass es sich beim EU-SOGP nicht um die Bezahlung einer Leistung handelt, sondern um die Auszahlung einer von Bayern kofinanzierten EU-Beihilfe, die strengen verfahrens- und prüftechnischen EU-Vorgaben und einem entsprechenden Anlastungsrisiko unterliegt.

2. a) In wie vielen Fällen standen zum 31. März 2015 im Rahmen des Schulfruchtprogramms noch Zahlungen an Lieferant*innen aus?
Zu Frage 2. a): Zum 31. März 2015 lagen der LfL 151 Anträge vollständig vor. Alle 151 Anträge wurden spätestens am 11. Mai 2015 ausbezahlt.
Weitere vier Anträge lagen zum 31. März 2015 unvollständig vor und konnten daher nicht ausbezahlt werden. Die Antragsteller wurden zunächst telefonisch und dann schriftlich aufgefordert, die Unterlagen zu vervollständigen.

2. b) In welcher Höhe standen zum genannten Zeitpunkt noch Zahlungen an Lieferant*innen im Rahmen des Schulfruchtprogramms aus (bitte detaillierte Auflistung der entsprechender Summen)?
Zu Frage 2. b): Mit den o. g. 151 Anträgen wurde eine Summe in Höhe von 769.913,00 EUR beantragt, bewilligt wurden 733.599,07 EUR.

2. c) Wie sind diese Zahlungsverzögerungen zu begründen?
Zu Frage 2. c): Seit Beginn des Schulobst- und –gemüseprogramms (SOGP) im Jahr 2010 führt die LfL in jedem Abrechnungsquartal durchschnittlich zwei Auszahlungsläufe durch, in denen grundsätzlich die gültigen Anträge ausbezahlt werden, die bis zu dem jeweiligen Zeitpunkt des Zahllaufs bei der LfL eingegangen sind. Dies setzt einen vollständigen Antrag und dessen Prüfung voraus. Verzögerungen entstehen dann, wenn der Antrag nicht unmittelbar nach Ende der Lieferperiode eingeht, unvollständig oder nicht plausibel ist.
Mit der Auszahlung am 11.05.2015 wurden alle am 31.März 2015 vorliegenden, gültigen Anträge innerhalb der vorgegebenen Frist ausbezahlt.

3. a) Inwiefern kann die Bayerische Staatsregierung Auskunft darüber geben, zu welchem Anteil die Versorgung durch Lieferant*innen aus direkter Umgebung der Einrichtungen (bitte Aufschlüsselung nach Lage im Umkreis der Einrichtung: weniger als 15 km, weniger 50 km) erfolgt?
Zu Frage 3. a): Eine Aufschlüsselung der Versorgung der Einrichtungen durch Lieferanten nach Lage im Umkreis der Einrichtung ist aus verwaltungstechnischen Gründen nicht möglich.

3. b) Wie hoch ist der Anteil der Lieferant*innen, die keiner Groß- oder Einzelhandelskette angehören, sondern als regionale Kleinerzeuger*innen bzw. -händler*innen Schulen und Kitas mit Obst und Gemüse versorgen?
Zu Frage 3. b): Die derzeit über 900 zugelassenen Lieferanten sind nicht kategorisiert. Somit ist diesbezüglich keine Aussage möglich.

3. c) Inwiefern werden Lieferant*innen über eventuelle Abweichungen der Kinderzahlen in den Einrichtungen benachrichtigt, um z. B. die Lieferung von zu wenig bzw. zu viel Obst zu verhindern?
Zu Frage 3. c): Nur die belieferte Einrichtung selbst kennt, im Unterschied zu Lieferant und LfL, die aktuelle Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder, die von der Einrichtung oder deren Träger u. a. für die Statistik erfasst werden. Bei größeren Abweichungen der abgerechneten Kinderzahlen mit den Kinderzahlen der offiziellen Statistik des Staatsministeriums für Arbeit und Soziales, Familie und Integration wurden die Lieferanten in der Regel telefonisch oder schriftlich auf die Diskrepanz hingewiesen. Eine Richtigstellung wurde so ermöglicht.
Auch wurden zahlreichen Lieferanten nach telefonischer, schriftlicher oder Email-Anfrage die Kinderzahlen für die vergangenen Förderperioden laut Statistik in den jeweils belieferten Einrichtungen mitgeteilt. Dies waren teilweise umfangreiche Listen einzelner Lieferanten mit z. B. 344 belieferten Kindergärten und Häusern für Kinder, bei denen die Kinderzahlen mit der Statistik abgeglichen wurden und Abweichungen dem Lieferanten mitgeteilt wurden. Die Mitteilung der LfL an einen Lieferanten konnte und kann aber nur rückwirkend erfolgen.

4. a) In wie vielen Fällen kam es seit 2010 zur Kürzung der Zahlungen an die Lieferant*innen (bitte detaillierte jährliche Auflistung)?
Zu Frage 4. a): Im Rahmen der Verwaltungskontrolle der Beihilfeanträge kam es je Schuljahr bei folgender Antragsanzahl zur Kürzung der Zahlungen:

150729 Schulobst 2

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

4. b) Welche Gründe müssen vorliegen, damit Zahlungskürzungen vorgenommen werden und inwieweit werden den Lieferant*innen die Gründe für die Zahlungskürzungen dargelegt?
Zu Frage 4. b): Die häufigsten Kürzungsgründe bei der Verwaltungskontrolle der Beihilfeanträge sind:
– Mindestportionsgröße (100 Gramm pro Kind) unterschritten, 

– maximale Portionsanzahl überschritten, 

– festgesetzter Portionspreis überschritten, 

– Überschreitung der Antragsfrist, 

– Doppelbelieferung (Einrichtungen, die mit zwei Lieferanten Lieferverträge abgeschlossen haben),
– schulwöchentliche Lieferung nicht beachtet, 

– zu hoch beantragte Kinderzahlen. 

Die Kürzungsgründe werden im Bescheid aufgeführt. Zusätzlich gehen für jede Einrichtung der beantragte und der bewilligte Beihilfebetrag aus dem Bescheid hervor.

4. c) Auf welcher rechtlichen Grundlage erfolgen die Zahlungskürzungen?
Zu Frage 4. c): Grundlage für die Kürzung von beihilfefähigen Kosten sind insbesondere die Artikel 7, 11 und 13 sowie Artikel 13 der VO (EG) Nr. 288/2009.

5. a) In wie vielen Fällen wurde die vorgegebene Zahlungsfrist von drei Monaten seit Einführung des Programms 2010 überschritten?
Zu Frage 5. a): Die Zahlungsmodalitäten für die Schulobst- und -gemüsebeihilfe regelt Artikel 11 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 288/2009. Danach zahlt die zuständige Behörde die Beihilfe innerhalb von drei Monaten nach dem Tag der Einreichung des ordnungsgemäß ausgefüllten und gültigen Beihilfeantrags. 

Im Schuljahr 2012/13 wurde diese Zahlungsfrist in drei Fällen überschritten. In den folgenden beiden Schuljahren wurde die vorgegebene Frist durch die LfL nicht überschritten.
Soweit dennoch Zahlungsverzögerungen über drei Monate hinaus auftraten, waren diese von den Antragstellern selbst zu vertreten (acht Fälle im Schuljahr 2013/2014; fünf Fälle im Schuljahr 2014/15).

5. b) Aus welchem Grund/welchen Gründen wurde die Zahlungsfrist in den unter a) genannten Fällen überschritten?
Zu Frage 5. b): Die Verwaltungskontrolle nahm mehr Zeit in Anspruch. Wesentlicher Grund hierfür war, dass drei Mitarbeiter das zuständige Sachgebiet verlassen haben und diese Stellen nicht umgehend wieder nachbesetzt werden konnten.

5. c) Welche konkreten Bestimmungen des Zulassungs-, Nachweis- und Abrechnungsverfahrens zwischen LfL und Lieferant*innen basieren auf EU-rechtlichen Vorgaben bzw. auf Vorschriften seitens des Freistaats?
Zu Frage 5. c): Grundsätzlich sind alle relevanten Bestimmungen für die Gewährung von Beihilfen im Rahmen des EU-SOGP in der VO (EG) 288/2009 geregelt. In der bayerischen Richtlinie werden die Vorgaben konkretisiert, für die im Rahmen der EU-VO in Verbindung mit dem Schulobstgesetz des Bundes den Bundesländern eine entsprechende Regelungsermächtigung eingeräumt wird. Demzufolge sind in der Bayerischen Richtlinie insbesondere folgende Vorgaben geregelt:
– Konkretisierung der zugelassenen Obst- und Gemüsesorten, der Zielgruppe, der Förderperiode, der Portionsgröße, -anzahl und des Portionspreises 

– Festlegung, dass der Lieferant der Beihilfeempfänger ist (und nicht die Schule bzw. Einrichtung) und dass der Belieferung der Einrichtungen ein schriftlicher Liefervertrag zwischen Lieferant und Einrichtung zugrunde liegen muss.

6. a) Wie viele Tage betrug die längste Zahlungsverzögerung an eine*n Lieferant*in?
Zu Frage 6. a): Die längste Auszahlungsdauer ab Eingang eines ordnungsgemäß ausgefüllten und gültigen Beihilfeantrags betrug 195 Tage im Schuljahr 2013/14. Bei einer laufenden Vor-Ort-Kontrolle des Lieferanten wurde festgestellt, dass eine Schule ohne Ausnahmegenehmigung am Programm teilgenommen hatte. Vor Auszahlung der Beihilfe musste die Frage einer möglichen Rückforderung geklärt werden. 


6. b) Wie viele Tage beträgt die durchschnittliche Zahlungsdauer an die Lieferant*innen seit Einführung des Programms 2010?
c) Wie entwickelte sich der durchschnittliche Wert seit Einführung des Programms (bitte Durchschnittsdauer detailliert nach Jahren aufschlüsseln)?
Zu Frage 6. b) und Frage 6. c):
 Durchschnittliche Dauer vom Antragseingang bis zur Zahlung:

150729 Schulobst 3

 

7. Gibt es seitens des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Pläne, das Schulfruchtprogramm auf weitere Zielgruppen (bitte nach Zielgruppen und geplanten Umsetzungszeitrahmen aufschlüsseln) auszuweiten?
Zu Frage 7.: Die Europäische Union bemisst ihre Mittelzuweisung grundsätzlich an der Zahl der sechs- bis zehnjährigen Kinder. Darüber hinausgehende Mittel stehen nur zur Verfügung, wenn nicht alle Länder am Programm teilnehmen und so Restmittel an die Länder verteilt werden können, die im Rahmen ihrer jährlichen Strategie zusätzliche Mittel beantragt haben. Davon profitiert derzeit auch Bayern. Ziel ist es auch künftig, im Rahmen begrenzter und jährlich neu festgelegter Mittel schrittweise, Altersgruppe für Altersgruppe, vorzugehen. Zum Start 2010 konnten daher zunächst alle Kinder in Grundschulstufen der Klassen 1 bis 4 teilnehmen.
Mit der Ausweitung des EU-Förderanteils von 50 auf 75 % der Nettokosten konnte zum Schuljahr 2014/2015 in einem zweiten Schritt auf die jüngere Gruppe der Drei- bis Sechsjährigen in den Kindergärten und Häusern für Kinder ausgeweitet werden. Die Ausweitung auf diese Altersgruppe hat zu einer großen, noch immer wachsenden Nachfrage geführt. Zum Halbjahr 2014/2015 waren bereits über 150 000 Kindergartenkinder dabei. Das entspricht 43 % aller Drei-bis Sechsjährigen. Mit einem weiteren Anstieg ist zu rechnen. Das laufende Kindergartenjahr 2014/2015 wird daher genutzt, die Ausweitung auf Kindergärten und Häuser für Kinder zu evaluieren. Frühestens im Herbst 2015 ist abschätzbar, ob der finanzielle Rahmen ausreicht, um das Programm auf eine weitere Altersgruppe auszuweiten. Nach derzeitiger Einschätzung ist ein solcher Schritt ohne zusätzliche Finanzmittel nicht leistbar.

8. a) Inwiefern sind seitens der Staatsregierung Maßnahmen zur Vereinfachung des Verfahrens und zwischen LFL und den Lieferant*innen, z. B. durch eine Belieferung im Rahmen von Richtwerten statt festen Kinderzahlen und Grammwerten, angedacht bzw. welche möglichen Veränderungen werden konkret erwogen?
Zu Frage 8. a): Konkrete Maßnahmen zur Vereinfachung werden derzeit entwickelt und auf ihre Umsetzbarkeit hin geprüft. Die Einführung eines Online-Verfahrens zählen ebenfalls dazu wie eine Vereinfachung von Liefervorgaben, soweit EU-rechtliche Bestimmungen dies erlauben und die Ziele des Programmes nicht gefährdet werden.

8. b) Welche Maßnahmen werden in Betracht gezogen bzw. sind geplant, um eine schnellere, betriebswirtschaftlich annehmbare Bezahlung der erbrachten Leistungen der Lieferant*innen zu erzielen?
Zu Frage 8. b): Das EU-SOGP zielt darauf ab, die Wertschätzung von Obst und Gemüse bei Kindern zu steigern und die Entwicklung eines gesundheitsförderlichen Ernährungsverhaltens zu unterstützen.
Jeder Unternehmer, der sich als potenzieller Schulfruchtlieferant listen lassen möchte, hat im Vorfeld die Möglichkeit und Pflicht, die Modalitäten des EU-SOGP einzusehen und für sich selber zu entscheiden, ob die vorgegebenen Rahmenbedingungen für ihn betriebswirtschaftlich annehmbar sind oder nicht. Durch das EU-SOGP hat sich ein neues Geschäftsmodell entwickelt, indem sich Lieferanten auf die Belieferung der teilnehmenden Einrichtungen mit Obst und Gemüse spezialisiert haben. Dies kann als Hinweis gewertet werden, dass die Rahmenbedingungen für die überwiegende Mehrheit der Lieferanten betriebswirtschaftlich attraktiv sind. Um dennoch eine Beschleunigung des Verfahrens zu erreichen, werden derzeit inhaltliche und verfahrenstechnische Vereinfachungen geprüft (siehe Frage 8. a).

8. c) Welche sonstigen Planungen gibt es seitens der Staatsregierung darüber hinaus, um das Schulfruchtprogramm für potentielle Lieferanten, insbesondere regionale Kleinerzeuger, attraktiver zu machen?
Zu Frage 8. c): Das EU-SOGP ist bereits seit Beginn des Programmes für potentielle Lieferanten attraktiv. Die Zahl der Lieferanten hat stets zugenommen. Derzeit sind annähernd 400 Schulfruchtlieferanten aktiv.

150729 Schulobst 4

 

 

 

 

 

 

 

 

 

++++++++++++++

Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.