22. September 2015

Nominalisierungseffekte bei den Planungen zum Ausbau des Flughafens München

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann, Bündnis 90/ Die Grünen vom 10.07.2015 mit den Antworten des Staatsministers für Finanzen, Landesentwicklung und Heimat, Dr. Markus Söder, vom 22.09.2015 (kursiv dargestellt)

Vor der Ablehnung der dritten Start- und Landebahn durch die Münchner Bevölkerung im Jahr 2012 wurden die Gesamtbaukosten auf 1,25 Milliarden Euro taxiert. Wie zahlreiche Beispiele in der Vergangenheit gezeigt haben, hält nahezu kein Baugroßprojekt den abgesteckten Kostenrahmen ein. Exemplarisch hierfür steht der Flughafen München selbst, bei dessen Bau – vom Planungsbeginn bis zur Inbetriebnahme – eine rund 1000prozentige Kostensteigerung zu beobachten war.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Bayerische Staatsregierung:

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

die Schriftliche Anfrage des Herrn Abgeordneten Ludwig Hartmann vom 10.07.2015 betreffend „Nominalisierungseffekte bei der Planung zum Ausbau des Flughafens München“ wird auf der Basis einer Stellungnahme der Flughafen München GmbH (FMG) wie folgt beantwortet:

1. a) Wie lautet die detaillierteste Kostenschätzung von der die Bayerische Staatsregierung nach derzeitigem Stand – bei zeitnaher Realisierung des Projektes „Dritte Startbahn” – ausgeht?
b) Von welchem Realisierungszeitraum geht die Bayerische Staatsregierung derzeit aus?
c) Wie hoch sind die Realisierungskosten, inklusive aller benötigten Infrastrukturmaßnahmen, etc. im Zusammenhang mit dem Bau der dritten Start- und Landebahn veranschlagt?

Antwort zu 1a bis 1c:


Nach Auskunft der FMG (Stand 07/2015) könnten sich die erwarteten Gesamtkosten für den Bau einer 3. Start-/Landebahn auf Basis indizierter Kostenansätze und unter Berücksichtigung von zusätzlichen Nominalisierungseffekten (im Zeitablauf der Baumaßnahme erwartete Preissteigerungen) auf insgesamt bis zu 1,59 Mrd. Euro belaufen (vgl. hierzu auch die Informationen im Internetangebot des Flughafens München).

Für Schallschutz und Umlandfonds sowie Umweltschutzmaßnahmen, ins- besondere das Anlegen und Pflegen der Ökoflächen, sind dabei Kosten in Höhe von 318,7 Mio. Euro berücksichtigt.

In der Gesamtkostenermittlung sind bereits die Kosten für die innerhalb des Flughafengeländes benötigte Infrastruktur wie z.B. Straßen, Versorgungstrassen enthalten.

2. a) Inwiefern sind sogenannte Nominalisierungseffekte in den aktuellen Stand der kalkulierten Baukosten einberechnet?
b) Wie hoch sind die kalkulierten Nominalisierungseffekte prozentual veranschlagt?

Antwort zu 2a und 2b:


Die Nominalisierungseffekte sind in Form von Baupreissteigerungen in Höhe von 2 % p.a. angesetzt und wurden in der aktuellen Kostenermittlung in Hö- he von 121 Mio. € berücksichtigt.
c) Welche Entwicklungen haben nach Ansicht der Bayerischen Staatsregierung einen direkten Einfluss auf diese Nominalisierungseffekte?

Die Daten für die Nominalisierungseffekte werden vom Statistischen Bundesamt bereitgestellt. Die hierfür maßgebliche Kennzahl ist die Preisentwicklung bei den Ingenieurbauwerken. Zu den Einflussfaktoren der Nominalisierungseffekte bei den Baupreisen gehören nach Erläuterungen des Statistischen Bundesamtes insbesondere Materialkosten, Arbeitskosten sowie Kostenfaktoren wie Ausrüstung, Energie, Betriebsstoffe und Bauhilfsstoffe.

3. Welche dieser Entwicklungen ergeben sich ursächlich aus dem Bauprojekt selbst und sind nicht extern verortet?

Durch die Unterbrechung des Projekts im Jahr 2012 müssen Teilbereiche der Ausführungsplanung nachgearbeitet bzw. entsprechend den aktuell geltenden DIN Normen und technischen Regelwerken angepasst werden. Zudem sind neben den durch die Planungsunterbrechung und Verschiebung der Inbetriebnahme entstandenen Nominalisierungseffekten auch zusätzliche künftige Baupreissteigerungen zu berücksichtigen.

4. a) Wurden Nominalisierungseffekte in die vorangegangenen Kalkulationen eingearbeitet?
b) Falls ja, in welcher Form?
c) Falls ja, ab wann?
5. Falls 4. a) negativ beantwortet wird, warum nicht?

Antwort zu 4a bis 5:


Baupreissteigerungen sind gemäß Konzernvorgabe der FMG in jeder Gesamtkostenübersicht in Höhe von 2 % p.a. enthalten, immer ab dem Folgejahr der betrachteten Ausgangsbasis.

6. Mit Kostensteigerungen in welcher Höhe ist – z. B. durch inflationsbedingte Preissteigerungen – überschlägig zu rechnen, wenn sich die Realisierung des Projekts
a) um zwei Jahre
b) um fünf Jahre
c) um zehn Jahre
verzögern sollte?

Unter Berücksichtigung einer Preissteigerung von 2% p.a. würden sich folgende prozentuale Kostensteigerungen für die jeweilige Verschiebung ergeben:

a) um zwei Jahre: ca. 4%

b) um fünf Jahre: ca. 10%

c) um zehn Jahre: ca. 22%

Zusätzlich zur reinen Baupreissteigerung sind additiv, wie in der Antwort zur Frage 3 beschrieben, Mehrkosten zu berücksichtigen, die aus den zum Realisierungszeitpunkt geltenden technischen Vorschriften und Regelwerken resultieren. Eine genauere Abschätzung dieser Kosten ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich.

7. Wie ist das Projekt dritte Startbahn angesichts einer Verschuldung der im laufenden Betrieb defizitären Flughafen München GmbH (FMG) in einer Gesamthöhe von rund 4,2 Milliarden Euro ohne zusätzliche Steuermittel zu finanzieren, wo doch die FMG zu 100% durch die Stadt München, den Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland getragen wird?

Zunächst richtig zu stellen sind die in der Anfrage enthaltenen Aussagen zur Ergebnisentwicklung und Verschuldung der FMG. Der FMG Konzern hat in den vergangenen Jahren jeweils mit positiven Ergebnissen abgeschlossen. Das betriebliche Ergebnis (EBIT) vor Zinsen und Steuern lag in den letzten vier Jahren jeweils stabil über 250 Mio. € und der Jahresüberschuss (EAT) nach Zinsen und Steuern steigerte sich in diesem Zeitraum von 74 auf 100 Mio. €. Die Nettofinanzschulden des FMG-Konzerns lagen in den letzten vier Jahren zwischen 2,4 und 2,6 Mrd. €.

Hinsichtlich der Finanzierung der 3. Start-/Landebahn steht die FMG zu ihrer Aussage und der konsortialvertraglichen Vereinbarung unter den Gesellschaftern, diese aus eigener Kraft ohne zusätzliche Steuermittel zu bestreiten. Die Finanzierung kann aus dem Cash Flow und bei Bedarf durch Fremdfinanzierung über den Kapitalmarkt erfolgen.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antworten der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.

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Presseartikel der SZ vom 28.09.2015