7. März 2017

Nachfragen zur Sanierung von Staatsstraßen in Bayern

Schriftliche Anfrage des Abgeordneten Ludwig Hartmann
 vom 03.02.2017, mit den Antworten des Staatssekretärs im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr, Gerhard Eck, vom 07.03.2017 (kursiv dargestellt)

Aus den Antworten der bayerischen Staatsregierung auf meine Schriftliche Anfrage vom 06.12.16 geht hervor, dass die sanierungsbedürftigen Staatsstraßen nur alle vier Jahre in Form von Zustandserfassungen und –bewertungen (ZEB) ermittelt und erst ein gutes Jahr nach der Erhebung veröffentlicht werden.
Des weiteren ergeben sich folgende Nachfragen.
Hiermit frage ich die Bayerische Staatsregierung:
Sehr geehrte Frau Landtagspräsidentin,
die Schriftliche Anfrage beantworte ich wie folgt:
Vorbemerkungen zum Erhaltungsmanagement der Bayerischen Straßenbauverwaltung:
Grundlage für die Erhaltungsplanung sind die Ergebnisse der regelmäßigen Bauwerksprüfungen und die netzweite Zustandserfassung und -bewertung (ZEB) der Fahrbahnen, die alle vier Jahre durchgeführt wird. Derzeit werden noch die Ergebnisse der ZEB 2011 zugrunde gelegt, da die Ergebnisse der ZEB 2015 erst in Kürze vorliegen werden.
Bei der ZEB handelt es sich um ein standardisiertes, gemeinsam von Bund und Ländern eingerichtetes Verfahren. Im Rahmen der ZEB wird der Straßenzustand netzweit lückenlos erfasst und in einem genormten Verfahren objektiv bewertet. Die Kriterien, die sowohl den baulichen Zustand (Substanzwert Oberfläche) als auch Verkehrssicherheitsaspekte (Gebrauchswert) widerspiegeln, sind Quer- und Längsunebenheiten, die Griffigkeit und die Substanzmerkmale (Oberfläche), wie z. B. Risse oder Flickstellen. Die Daten werden mit Spezial-Fahrzeugen im fließenden Verkehr erfasst. Die erhobenen Zustandsdaten führen zu einer bundes- einheitlichen Bewertung, wobei Noten von 1 = „sehr guter Zustand“ bis 5 = „Maßnahmen dringend erforderlich” vergeben werden.
Die Note 3,5 wird mit Warnwert bezeichnet und beschreibt einen Zustand, dessen Erreichen bzw. Überschreiten Anlass zu intensiver Beobachtung und Analyse der Ursachen und ggf. zur Planung geeigneter Erhaltungsmaßnahmen gibt.
 Die Note 4,5 wird mit Schwellenwert bezeichnet und beschreibt einen Zustand, bei dessen Erreichen bzw. Überschreiten die Einleitung baulicher oder verkehrsbeschränkender Maßnahmen geprüft werden muss.
Die Erhaltungsplanung auf den Staatsstraßen in Bayern basiert in einem ersten Schritt auf der Verbesserten Erhaltungsplanung (VEP). Hierzu werden auf der Netzebene auf Grundlage der Ergebnisse der ZEB automatisiert (rechnergestützt) längere, homogene Erhaltungsabschnitte nach definierten Kriterien (z. B. Mindestlänge 500 m) gebildet und einer Dringlichkeitsreihung zugeführt.
Diese Erhaltungsabschnitte sind zusammen mit den Ergebnissen der Bauwerksprüfungen die Grundlage für das von der Bayerischen Straßenbauverwaltung entwickelte „Koordinierte Erhaltungs- und Bauprogramm“ (KEB) und werden dort als Maßnahmenvorschläge aufgelistet. Diese Maßnahmenvorschläge werden auf der Objektebene von den Staatlichen Bauämtern ingenieurfachlich geprüft (z. B. Plausibilisierung der Maßnahmenvorschläge, Beurteilung des vorhandenen Straßenaufbaus, Abgleich mit Ausbauvorhaben oder kommunalen Planungen) und unter Berücksichtigung weiterer Belange (z. B. Planung des Personaleinsatzes und der Vergabe von Ingenieurleistungen, Festlegung des Sanierungskonzeptes, Schätzung maßnahmenbezogener Kosten, verfügbare Haushaltsmittel, Verkehrsführung während der Bauzeit) in das KEB als geplante Erhaltungsmaßnahmen überführt und Baujahren zugeordnet. Hierbei kann es vorkommen, dass für einen Maßnahmenvorschlag aufgrund der Prüfung eine Erhaltungsmaßnahme nicht für notwendig erachtet oder z. B. durch eine Ausbaumaßnahme der ungenügende Zustand behoben wird. Das KEB stellt die mittelfristige Planung der Erhaltungsmaßnahmen für einen Vierjahreszeitraum dar. Es wird jährlich von den Staatlichen Bauämtern für ihren Zuständigkeitsbereich fortgeschrieben. Hierbei erfolgt regelmäßig der Abgleich zu bereits erfolgten Erhaltungsmaßnahmen, der aktuellen Entwicklung des Straßenzustands (z. B. aufgetretene Winterschäden) oder einer bestehenden Unfallhäufungsstelle. Darauf aufbauend werden jährliche Bauprogramme zum Einsatz der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel erstellt.
Die Erhaltungsplanung wird von den Regierungen im Rahmen eines Controllings fachlich begleitet.
Die Erhaltungsplanung ist ein komplexer und dynamischer Prozess. Ziel des Erhaltungsmanagements ist es, die vorhandenen Haushaltsmittel zur richtigen Zeit am richtigen Ort mit der richtigen Maßnahme einzusetzen, um die bestmögliche Wirkung für das Staatsstraßennetz zu erzielen.

1. Wann wurden die aktuell sanierungsbedürftigen Staatsstraßen jeweils erstmalig als solche eingestuft?
zu 1.: Der komplexe und dynamische Prozess der Erhaltungsplanung wurde in den Vorbemerkungen beschrieben. Eine Erfassung, wann sanierungsbedürftige Bereiche erstmalig als solche eingestuft werden, erfolgt nicht. Daher sind hierzu keine Angaben möglich.

2. a) Wie lange dauert es im Durchschnitt von der erstmaligen Einstufung einer Staatsstraße als sanierungsbedürftig bis zur Instandsetzung, bzw. zur Erneuerung?
zu 2. a): Zur durchschnittlichen Dauer sind keine Aussagen möglich, da der Zeitpunkt der erstmaligen Erfassung nicht dokumentiert wird und somit kein Abgleich zum Zeitpunkt der durchgeführten Erhaltungsmaßnahme möglich ist.

2. b) Welche Staatsstraßen wurden jeweils bei der ZEB 2007, 2011 und 2015 neu als sanierungsbedürftig gewertet?
2. c) Wie viele km Staatsstraße wurden jeweils bei der ZEB 2007, 2011 und 2015 neu als sanierungsbedürftig gewertet?
zu 2. b) und c): Die Fragen 2. b) und c) werden gemeinsam beantwortet.
Im Rahmen der Auswertung und Aufbereitung der ZEB-Ergebnisse werden die neu hinzukommenden Bereiche nicht gesondert erfasst und ausgewertet. Eine Aussage hierzu ist somit nicht möglich.

3. Durch welche Haushaltstitel sind etwaige Mehrkosten bei den Sanierungs- und Erneuerungsmaßnahmen gedeckt?
zu 3.: Die Kosten der Maßnahmen werden aus den für die Bestandserhaltung der Straßen und Brücken zur Verfügung stehenden Mittel finanziert (Kapitel 0380, Titel 772 03, 772 04, 772 08 und 772 09).

4. a) Werden geplante Instandsetzungs- oder Erneuerungsmaßnahmen von Staatsstraßen erst in späteren Jahren durchgeführt, wenn sich gegenüber den kalkulierten 150.000 Euro/km Mehrkosten ergeben und somit die Mittel des betreffenden Haushaltstitels schneller aufgebraucht sind?
zu 4. a): Zunächst werden die Kosten überschlägig mit einem bayernweit durchschnittlichen Kostenaufwand von 150.000 €/km (Fahrbahn einschl. Brücken) auf Netzebene geschätzt. Im Einzelfall können diese vereinfacht ermittelten Werte, insbesondere bei kleinen Einheiten, deutlich vom tatsächlich notwendigen Investitionsvolumen für Sanierungsmaßnahmen abweichen.
Im Zuge der konkreten Ausplanung einer Erhaltungsmaßnahme wird ein Sanierungskonzept für den Streckenzug erstellt und es werden die notwendigen baulichen Maßnahmen für die Fahrbahn und die Brücken festgelegt. Auf dieser Grundlage werden dann die Kosten auf Objektebene maßnahmenbezogen ermittelt und der Haushaltsaufstellung zugrunde gelegt.
Realisiert werden die priorisierten und mit den verfügbaren Haushaltsmitteln finanzierbaren Maßnahmen.

4. b) Wie viele km Staatsstraßen wurden in den Jahren 2007-2016 als akut sanierungsbedürftig eingestuft und umgehend instandgesetzt oder erneuert?
zu 4. b): Eine „akute Sanierungsbedürftigkeit“ besteht, wenn durch Straßenschäden die Verkehrssicherheit gefährdet ist. Die ZEB ist primär kein Instrument, um die Verkehrssicherheit zu beurteilen. Sie ist auf die (mittelfristige) Erhaltungsplanung ausgerichtet.
 Die Gewährleistung der Verkehrssicherheit ist Aufgabe des Baulastträgers und wird für die Staatsstraßen durch die Straßenmeistereien wahrgenommen. Die Verkehrssicherheit wird im Rahmen von regelmäßigen Kontrollfahrten durch die Streckenwarte und Straßenmeister beurteilt. Diese veranlassen umgehend die notwendigen Mängelbeseitigungen bzw. das unverzügliche Absichern von Gefahrenstellen. Hierdurch wird die Verkehrssicherheit grundsätzlich gewährleistet. Unverzüglich notwendige Mängelbeseitigungen werden von den Straßenmeistereien im Rahmen von „Sofortmaßnahmen“ durchgeführt. Hierbei handelt es sich meist um kleinflächige Reparaturen. Eine Auswertung nach Länge in Kilometern erfolgt dabei nicht.

4. c) Durch welche Haushaltstitel sind diese Kosten gedeckt?
zu 4. c): Die Sofortmaßnahmen der Straßenmeistereien werden aus den Straßenbetriebsdienstmitteln (Kap.0380 Titelgruppe 84) gezahlt.

5. a) Wurden alle in den Jahren 2007-2016 als akut sanierungsbedürftig eingestuften Staatsstraßen umgehend saniert?
zu 5. a): Die Verkehrssicherheit wird durch die Straßenmeistereien gewährleistet. Hierfür unverzüglich notwendige Mängelbeseitigungen werden laufend im Zuge der „Sofortmaßnahmen“ behoben. Sollte eine kurzfristige Mängelbeseitigung nicht möglich oder nicht wirtschaftlich sein, so wird die Gefahrenstelle unverzüglich abgesichert sowie vorübergehend mit verkehrsrechtlichen Maßnahmen auf den ungenügenden Straßenzustand hingewiesen.

5. b) Nach welchen Kriterien wird die Reihenfolge der zu realisierenden Sanierungsmaßnahmen festgelegt?
zu 5. b): Sanierungsbedürftige Streckenabschnitte werden hinsichtlich ihrer Reihung bei der Aufstellung KEB grundsätzlich mit folgenden Kriterien beurteilt:
– Schadensart und -ausprägung
– Abgleich mit Fachprogrammen (Ausbauplan, Verkehrssicherheitsarbeit)
– Abgleich mit Maßnahmen Dritter (z. B. Kommunen/Spartenträger in Ortsdurchfahrten)
– Verkehrsbelastung, -bedeutung
– Arbeitsstellenmanagement (Abgleich der Straßenbaumaßnahmen hinsichtlich verkehrlicher Auswirkungen, Abstimmung von Umleitungsstrecken 
zeitgleicher Maßnahmen)

Die verfügbaren Haushaltsmittel geben dann den Rahmen für die Abarbeitung der priorisierten Maßnahmen vor. 


5. c) Warum werden die sanierungsbedürftigen Staatsstraßen im Gegensatz zu den sanierungsbedürftigen Brückenbauwerken nur alle vier Jahre ermittelt?
zu 5. c): Bei der ZEB handelt es sich um ein standardisiertes, gemeinsam von Bund und Ländern eingerichtetes Verfahren. Im Rahmen der ZEB wird der Straßenzustand netzweit lückenlos erfasst und in einem genormten Verfahren objektiv bewertet. Sie liefert die Datengrundlage für die (mittelfristige) netzweite Erhaltungsplanung. Hier hat sich bundesweit der vierjährliche Rhythmus etabliert. 
Der Rhythmus der Bauwerksprüfungen ist in DIN 1076 geregelt und objektgebunden. Hier liegt eine andere Systematik zugrunde.

6. Stehen die in Folge der ZEB ermittelten Daten der Verwaltung schon vor Veröffentlichung zur Verfügung und können so schon wesentlich zeitnaher als Basis für die Auswahl der zu sanierenden Staatsstraßen dienen?
zu 6.: Die ZEB-Daten werden von Auftragnehmern erfasst, ausgewertet und aufbereitet. Nach Übergabe der Daten werden diese vom Ministerium gesichtet, plausibilisiert und dann an die Staatlichen Bauämter als Arbeitsgrundlage zur Verfügung gestellt und veröffentlicht.

7. a) Werden die Baumaßnahmen mit Schwerpunkt im Jahr 2017 noch auf Basis der ZEB 2011 ermittelt?
zu 7. a): Die Staatlichen Bauämter haben das Bauprogramm 2017 auf Grundlage der ZEB 2011 und des fortgeschriebenen Koordinierten Erhaltungs- und Bauprogrammes erstellt.

7. b) Kann als Erfahrungswert ein Zeitraum angegeben werden, nachdem neugebaute Staatsstraßen erstmals saniert werden müssen?
7. c) Kann als Erfahrungswert ein Zeitraum angegeben werden, nachdem sanierte Staatsstraßen abermals saniert werden müssen?
zu 7. b) und c): Die Fragen 7.b) und c) werden gemeinsam beantwortet.
 Es gibt Erfahrungswerte, die eine Abschätzung des Zeitraums ermöglichen. So werden in der Richtlinie für die Planung von Erhaltungsmaßnahmen an Straßenbefestigungen (RPE-Stra 01) z. B. für Deckschichten Zeiträume von 12 bis 16 Jahren bei stark belasteten Fahrbahnen, bzw. 18 bis 22 Jahre bei schwächer belasteten Fahrbahnen benannt.
Bei der Beurteilung eines Streckenabschnitts sind vom Ingenieur Aspekte wie die Verkehrsstärke, klimatische Bedingungen oder der aktuelle Zustand und dessen absehbare Entwicklung zu berücksichtigen, um auf diesen Erfahrungswerten eine objektbezogene Einschätzung treffen zu können.

8. a) Auf welche jährlich notwendige Summe beliefen sich die Ausgaben für den Erhalt von Staatsstraßen und Brückenbauwerken, wenn festgestellte Sanierungsmaßnahmen spätestens im Jahr nach der Feststellung behoben werden würden?
zu 8. a): Der jährliche Erhaltungsbedarf des bayerischen Staatsstraßennetzes, der zum Halten des Zustandes erforderlich ist, ohne dass dabei der Nachholbedarf abgebaut werden kann, beträgt auf Grundlage von Ermittlungen des Bayerischen Obersten Rechnungshofes aus dem Jahr 1995 und unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich eingetretenen Baupreisentwicklung etwa 100 Mio. € pro Jahr.

8. b) Können die Mehrkosten beziffert werden, die dem Freistaat Bayern dadurch entstehen, dass sanierungsbedürftige Brückenbauwerke und Staatsstraßen nicht umgehend instandgesetzt werden und so die Schäden nur durch Kompletterneuerung behoben werden können?
zu 8. b): Die Mehrkosten können nicht beziffert werden. Grundsätzlich ist eine zeitnahe Instandsetzung wünschenswert. Es kann im Rahmen der Erhaltungsplanung aber aus verschiedenen Gründen (s. Vorbemerkungen) die Maßnahme zeitlich versetzt eingeplant werden. Dies führt jedoch nicht zwangsläufig zu höheren Instandsetzungskosten und auch nicht zu einer Kompletterneuerung. Bei der zeitlichen Einplanung ist die ingenieurmäßige Beurteilung des Schadensbildes und der Ursache notwendig. So sind Risse vor der Frostperiode zu schließen, um Frostschäden zu vermeiden. Demgegenüber können Unebenheiten auch zeitverzögert mit vergleichbarem Aufwand saniert werden.

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Hier habe ich Ihnen meine Schriftliche Anfrage und die Antwort der Staatsregierung auch als pdf-Datei im Drucksachenlayout des Bayerischen Landtags hinterlegt.