28. November 2013

Mindeststandards für neue Erstaufnahmeeinrichtungen für Asylsuchende in Bayern festlegen!

Unser Antrag vom 28.11.2013

Der Landtag wolle beschließen:

Die Staatsregierung plant die Errichtung einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung in Bayern. Dabei scheint bisher die Auswahl eines geeigneten Standorts und Gebäudes im Vordergrund zu stehen, während die qualitativen Bedingungen der Unterbringung und des sozialen Umfelds keine Rolle spielen.
Die Staatsregierung wird deshalb aufgefordert, bei der Errichtung neuer Erstaufnahmeeinrichtungen in Bayern ein Modell zu erproben, welches der EU-Rahmenrichtlinie 2003/9 entspricht und den Anforderungen an eine humanitäre Flüchtlingspolitik gerecht wird.
Dabei sind folgende Mindeststandards zu gewährleisten:

─ ein unabhängiger sozialer Beratungsdienst eines freien Trägers, möglichst auf dem Gelände der Unterkunft;

─  eine zentrale medizinische Anlaufstelle mit einem multidisziplinär besetzten Team garantiert die medizinische Versorgung und übernimmt die nach § 62 des Asylverfahrensgesetzes vorgeschriebenen Untersuchungen;

─  eine Gutachterstelle zur Erkennung von psychischen Störungen und Traumatisierungen bei Asylbewerbern übernimmt eine freiwillige psychologische Screening-Untersuchung und kümmert sich bei psychischen Erkrankungen und Traumatisierungen um Angebote für eine weiterführende Diagnostik sowie um psychologische Behandlungsmöglichkeiten;

─  ein bedarfsdeckendes Angebot an Deutschkursen zur Vermittlung sprachlicher Grundkenntnisse und zum Abbau interkultureller Barrieren;

─  eine unabhängige juristische Beratung zur Vorbereitung auf das Asylanerkennungsverfahren vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge;

─  die Bereitstellung von Dolmetscherinnen und Dolmetschern zur Wahrnehmung der Beratungs- und Behandlungsangebote sowie zur Vorbereitung auf das Asylverfahren;

─  Garantie eines uneingeschränkten Zugangs für ehrenamtliche Helfer und Unterstützer der Flüchtlinge in der Einrichtung;

─  die Gewährleistung eines Mindestmaßes an Privatsphäre sowie die Rücksichtnahme auf Besonderheiten der Herkunft, der Religionszugehörigkeit und der ethnischen Zugehörigkeit bei der Unterbringung;

─  Familien, Alleinerziehende, Schwangere, Senioren, Menschen mit Behinderung oder chronisch Kranke sind aufgrund ihrer besonderen Bedürfnisse in der Einrichtung separat unterzubringen. Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge dürfen nicht in der Erstaufnahme untergebracht werden; 
Das Modellprojekt wird im Hinblick auf Effizienz und Qualitätskontrolle wissenschaftlich begleitet und evaluiert.

Begründung:
Die Errichtung einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung in Bayern war bereits seit langem überfällig. Angesichts der steigenden Flüchtlingszahlen sind die Kapazitäten in den vorhandenen Einrichtungen in Zirndorf und München schon seit längerer Zeit erschöpft. Die Unterbringung erfolgt z.T. in improvisierten Notfallquartieren. Die Staatsregierung muss also dringend zusätzliche Kapazitäten schaffen.
Der jetzige Zustand ist für die betroffenen Menschen u.E. unzumutbar. In den überfüllten Einrichtungen häufen sich die Konflikte unter den Bewohnerinnen und Bewohnern, es kommt zu Konflikten mit der Nachbarschaft und zu Protesten von Anwohnern, die medizinische und psychologische Versorgung ist u.E. völlig unzureichend, eine vernünftige soziale und rechtliche Beratung ist nicht mehr möglich, die Bedürfnisse von besonders schutzbedürftigen Flüchtlingen können nicht adäquat berücksichtigt werden, ein Mindestmaß an Privatsphäre ist nicht mehr zu gewährleisten.
Bei der Schaffung einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung darf es deshalb nicht nur um Fragen des geeigneten Standorts und des passenden Gebäudes gehen. Die Staatsregierung muss auch qualitative Standards festlegen, die den Anforderungen an eine humanitäre und menschenrechtsorientierte Flüchtlingspolitik gerecht werden und die Vorgaben der EU-Rahmenrichtlinie 2003/9 erfüllen. Hierzu gehören eine unabhängige soziale Beratung, eine ausreichende medizinische und psychologische Versorgung, ein bedarfsdeckendes Angebot an Deutschkursen und Integrationshilfe, eine unabhängige juristische Beratung, die Unterstützung durch ehrenamtliche Helfer, die Berücksichtigung der Bedürfnisse besonders schutzbedürftiger Gruppen, ein Mindestmaß an Privatsphäre und die Berücksichtigung von religiösen, kulturellen und ethnischen Aspekten bei der gemeinsamen Unterbringung der Flüchtlinge.
Bei der Umsetzung sollte der Vorschlag der unabhängigen Projektgruppe Asyl (PG Asyl) für ein Modellprojekt zur Errichtung einer neuen Erstaufnahmeeinrichtung in Bayern berücksichtigt werden. In der PG Asyl haben sich eine Vielzahl von Expertinnen und Experten aus den verschiedenen Bereichen der Arbeit mit Flüchtlingen zusammen gefunden. Sie haben ein umfassendes Konzept mit präzisen Kriterien für die Ausgestaltung einer qualitativ hochwertigen Erstaufnahmeeinrichtung vorgelegt.

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Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Antrags im Bayerischen Landtag.

Wie Sie den Unterlagen unter dem oben stehenden Link entnehmen können, wurde unser Antrag in der Plenarsitzung am 15.10.2014 leider durch die Stimmen der CSU, bei Enthaltung der Freien Wähler, abgelehnt.