10. Oktober 2013

Meine Rede zur Zahl und Abgrenzung der Staatsministerien

Hier geht es zu einem Videomitschnitt meines Redebeitrags vom 10.10.2013. Über die dortige Playlist können Sie sich auch die gesamte Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt anschauen.

Hier können Sie den gesamten Diskussionsverlauf zur Ressorteinteilung der Staatsregierung nachlesen.

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrtes Präsidium, sehr geehrte Kolle­ginnen und Kollegen, sehr geehrter Herr Ministerpräsident!
Man kann Ihnen wirklich gratulieren. Sie haben aus dem Nichts lauter Superminister geschaffen: Ilse Aigner, Dr. Söder, Dr. Spaenle. Frau Haderthauer haben Sie selbst gestern auch noch zur Superministe­rin erhoben. Das ist faktisch wie an der Tankstelle, da gibt es auch nur noch Super. Das Auto ist das glei­che, und deswegen fährt es auch nicht besser.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Der Blick auf den Zuschnitt der Geschäftsbereiche zeigt, dass einiges hin- und hergeschoben wurde. Man hat in den Medien lange einen großen Wurf erwartet. So groß ist der Wurf nicht geworden. Die Größe des Wurfes hat sich danach bemessen, wie Sie einen inneren Parteifrieden erzielen können, wie Sie das Machtverhältnis zwischen zwei möglichen drohenden Nachfolgern besser aufteilen und ins Gleichgewicht bringen können.
Ein weiterer Blick zeigt, dass Sie ein sehr wichtiges Ministerium, das Finanzministerium, gewaltig aufge­blasen und daneben ein Zwergenministerium für Ge­sundheit und Pflege eingeführt haben, vielleicht um mit diesem Ministerium der total verfehlten Frauen­quote in Ihrem Kabinett einigermaßen Rechnung zu tragen.
Wenn man das Thema Frauen näher betrachtet, fällt auch schon die Bezeichnung des Ministeriums auf. Bislang hieß es „Bayerisches Staatsministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen“. Der Begriff „Frauen“ ist aus dem Namen herausgestrichen worden. Das zeigt deutlich, welches Familienbild Sie haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Betrachten wir die Rotationen von Frau Dr. Merk, Frau Müller und Frau Haderthauer. Man kann sie mit der fachlichen Qualifikation kaum begründen. Daran merkt man wieder deutlich: Sie hatten kaum Frauen zur Auswahl, also haben Sie einfach ein Stühlerücken im Kabinett betrieben. Die GRÜNEN-Fraktion hätte sich gewünscht, dass Sie den Mut gehabt hätten, den Zuschnitt gemäß den Herausforderungen unseres Landes zu gestalten. Demnach hätten wir einen anderen Zuschnitt benötigt – das ist unbestritten. Man hätte nicht dem Machtgefüge in der CSU Rechnung tragen sollen.
Lassen Sie mich zu dem zukünftigen Finanz- bzw. Heimatminister kommen. Wir alle kennen Minister Markus Söder als einen Minister, der sich gerne medienwirksam präsentiert. Das ist unbestritten. Ich habe noch die vielen Finanzempfänge vor der Landtags­wahl in Erinnerung, die der Chef der Schlösser- und Seenverwaltung veranstaltet hat. Minister Söder hat sich gerne vor historischen Gemäuern und maleri­schen Umgebungen präsentiert. Heimat ist jedoch mehr als eine medienwirksame Inszenierung dieses Amtes. Wenn ich hier durch die Reihen schaue, stelle ich fest, dass wir uns eigentlich alle einig sind. Ich kann mich noch gut an die Debatte zum Landesent­wicklungsprogramm – LEP – erinnern. Wir sind uns doch alle darin einig, was Heimat bedeutet. Die „Süd­deutsche Zeitung“ hat es relativ gut auf den Punkt ge­bracht – ich zitiere: Ex-Finanzminister Zeil hat hier ein Trümmerfeld hinterlassen.
Wir stehen vor großen Herausforderungen und Aufga­ben. Dazu zählt der demografische Wandel. Wir haben eine ganze Reihe von Ortskernen in Bayern, die veröden. Dort müssen wir gegensteuern. Wir brauchen vor Ort passgenaue Bildungskonzepte. Ob Sie wirklich der Richtige dafür sind, bezweifeln wir.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Söder, eines möchte ich Ihnen persönlich mitge­ben. Das muss doch jedem klar sein: Heimat kann man nicht planen, Heimat kann man nur schützen, bewahren und erleben. Ob Sie das hinbekommen? Ich wünsche Ihnen ein glückliches Händchen. Ich bezwei­fle es jedoch.
Lassen Sie mich zu einem Bereich kommen, der schon etwas merkwürdig wirkt. Das Heimatministeri­um, das groß angekündigt worden ist, ist eigentlich eine Außenstelle des Finanzministeriums. Das Minis­terium wird in der zweitgrößten Stadt Bayerns unter­gebracht. Es soll sich in erster Linie um die Aufgaben des ländlichen Raumes und dessen Probleme küm­mern sowie nach Lösungen suchen. Wenn man das so halbherzig betreibt, wird das nach unserer Auffas­sung nicht funktionieren. Damit wird man der gewalti­gen Herausforderung, die wir im ländlichen Raum durchaus haben, nicht gerecht. An dieser Stelle möchte ich einen Dank an die SPD-Fraktion ausspre­chen, die das Thema seit Jahren immer wieder im Landtag vorgebracht hat.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich komme zu meinem Lieblingsthema. Im Landtag durfte ich in den letzten Jahren immer wieder sehr lebhaft die Energiewende vertreten. Jetzt gibt es das neue Ministerium „Wirtschaft und Energie“. Man kann durchaus darüber streiten, ob es sich um ein Super­ministerium handelt oder nicht. Gönnen wir Ihnen mal diesen Titel. Genug Ministerien tragen diesen Titel. Wir sind uns alle darüber einig – das wird man frakti­onsübergreifend feststellen –, dass wir froh sind, dass Minister Zeil Geschichte ist. Das ist allen klar. Bei der Energiewende war er es, der immer auf die Bremse getreten ist und Baustellen offengelassen hat. Ich erinnere nur an ein Beispiel: Marcel Huber war als Um­weltminister zuständig für den Energie-Atlas Bayern. Ein Teil davon soll der neue Bayerische Windatlas sein. Damals lag die Zuständigkeit für den Windatlas bei Staatsminister Zeil – bis heute hat er nichts Richt­iges geliefert. Man sieht: Er ist immer auf die Bremse getreten. Was ist daraus geworden? – Die Energie­ wende war eine Politik der Planlosigkeit, eine Politik, der es an Verlässlichkeit gemangelt hat, eine Politik, die vor allem Kommunen, regionale Planungsverbän­de, Bürger und Energiegenossenschaften massiv im Regen stehen gelassen hat, obwohl die Energiewen­de eine gewaltige Aufgabe ist.
In den letzten fünf Jahren habe ich mich bei den Kol­leginnen und Kollegen der CSU immer gefragt: Haben Sie sich eigentlich innerlich gefreut, dass Minister Zeil auf die Bremse trat, weil Sie die Energiewende so nicht wollten? Ich hoffe einmal, dass es nicht so war. Jetzt haben Sie Zeit. Wir erwarten jetzt – das gilt auch für die neue Ministerin –, dass Sie ein Bekenntnis zur Energiewende ablegen, das zu 100 % auf erneuerba­ren Energien aufbaut und dafür sorgt, dass Bayern ein Land der Energiegewinner wird, ein Land – das ist unbestritten – mit einem starken Wirtschaftsstandort. Die Energiewende ist hierfür das entscheidende In­strument, das gelingen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das Schöne an der Energiewende ist: Quer durch das Land, von Mittenwald bis Aschaffenburg, treffen wir überall engagierte Bürgerinnen und Bürger, die an der Energiewende mitarbeiten möchten und Energiege­nossenschaften gründen. Kleine kommunale Stadt­werke arbeiten an den Herausforderungen der Energiewende und suchen Lösungen. An dieser Stelle kann ich gleich auf das Thema Windkraft und die Windkraftbremse des Ministerpräsidenten eingehen. Wir wissen, je größer die Herausforderung – der eine nennt es Jahrhundertprojekt, der andere Generations­projekt –, umso mehr Verlässlichkeit müssen wir dort haben. Das ist ganz entscheidend.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Es ist nicht mein Stil, die zukünftige Ministerin, die in Energiefragen noch nicht groß in Erscheinung getre­ten ist, heute schon zu kritisieren. Die Arbeit beginnt erst für sie. Vorschusslorbeeren kann man jedoch für
Ilse Aigner auch nicht aussprechen. Wenn man auf ihr Wirken und Handeln als Bundesministerin zurück­ blickt, fällt eines ganz stark auf: Es handelt sich um eine Person – das haben auch die Zeitungen ge­schrieben –, bei der man nicht weiß, was sie eigent­lich will. Bei der Energiewende muss man wissen, was man will. Das ist ganz entscheidend. Wir haben eine Fürsprecherin für große Lobbyverbände in der Agrarpolitik. Keiner weiß, wofür sie steht. Ihre Reden sind in Brüssel, Berlin und München immer andere gewesen. Das wird bei der Energiewende nicht funkti­onieren.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Ich erinnere nur an ein Beispiel aus dem Jahre 2009. Im April 2009 kam das Verbot von Gen-Mais. Nicht einmal einen Monat später hat man Freilandversuche für die Gen-Kartoffel Amflora genehmigt. Das ist Ilse Aigner! Stellen Sie sich das einmal bei der Energiepo­litik vor. Dagegen war Horst Seehofer fast noch eine gerade Linie.

(Lachen bei den GRÜNEN, der SPD und den FREIEN WÄHLERN)

Dieser Sache müssen wir uns wirklich bewusst sein. Bei der Energiewende stehen wir an einem Punkt, an dem wir entscheiden müssen, ob wir zu 100 % erneu­erbare Energien und eine Abschaffung des alten Energiesystems wollen oder ob wir durch die Energie­wende huschen, damit sie irgendwie funktioniert. Un­sere Antwort ist klar: Wir brauchen die Verlässlichkeit. Stellvertretend für die vielen engagierten Bürgerinnen und Bürger, die Stadtwerke und die Landwirte, die in­vestiert haben, werden wir immer wieder eine Ver­lässlichkeit der Energiepolitik einfordern.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Ich möchte noch einmal auf den Zuschnitt eingehen: Es ist durchaus richtig, die Kompetenzen besser zu bündeln. Wir alle erinnern uns noch an die Energieagentur. Das ist das beste Beispiel. Dort haben fünf Minister mitgeredet. Jeder Minister war nur darum be­müht, dass nichts ohne ihn passiert. Keiner kam dazu, die Probleme zu lösen. Das war die letzten zweieinhalb Jahre Fakt. Das heißt: An sich ist die Bündelung richtig. Allerdings sehen wir die Bündelung beim Wirtschaftsministerium sehr kritisch. Deshalb haben wir die Konzentration im Umweltministerium vorgeschla­gen. Marcel Huber könnte jetzt durchaus nicken, wenn man das vorschlägt. Er würde das sicher nicht schlecht finden. Lassen Sie mich das an drei Punkten darlegen:
Das Wirtschaftsministerium hat bis heute nicht begrif­fen, dass die Energiewende kommen und gelingen muss. Die halten noch an alten Strukturen fest. So kann man die Energiewende nicht machen.
Den zweiten Bereich, die Energieagentur, habe ich vorhin schon angesprochen. Ein Referat im Wirt­schaftsministerium kann keine wirkliche Kraft entfalten und die Lösungen der Probleme nicht anpacken. Das Wirtschaftsministerium ist faktisch immer noch eine Außenstelle der ehemaligen Bayernwerke. Das ist einfach so. Die Energiepolitik ist dort fehl am Platz. Diese hätte ins Umweltministerium gehört.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Was spricht für das Umweltministerium? Dort ist so­ wohl die Kompetenz für den Klimaschutz als auch das Bewusstsein für die Umweltauswirkungen der Anla­gen für erneuerbare Energien vorhanden. Die Seil­schaften zur alten Energiewirtschaft sind dort nicht so stark ausgeprägt wie im Wirtschaftsministerium.
Was die Ministerin jetzt anpacken muss, könnte ich stundenlang aufzählen. In den letzten Jahren hat es viele Versäumnisse gegeben. Der Ministerpräsident hat vorhin die Zusammenarbeit angesprochen. Ich wäre schon froh, wenn Sie unsere Anträge richtig ko­pieren würden. Das ist das Einzige, was ich mir wünsche. Das Energiekonzept vor zweieinhalb Jahren haben Sie ansatzweise kopiert. Sie haben es jedoch kaum umgesetzt. Kopieren Sie doch richtig und voll­ständig! Wir arbeiten gerne zu, aber bleiben Sie bei den Anträgen verlässlich. Setzen Sie die Energiewen­de in Bayern um.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Schluss möchte ich noch auf den Themenbe­reich Bildung eingehen. Dort entsteht ein gewaltiges Ministerium. Nach unserer Auffassung handelt es sich wieder um einen Zuschnitt, der nicht den Herausfor­derungen gerecht wird. Nach unserer Auffassung ging es in erster Linie darum, einen Minister in München zu stärken und dementsprechend ein Ministerium zuzu­schneiden, das faktisch für ein Drittel des Haushalts­volumens verantwortlich ist. Die entscheidende Auf­gabe in der Bildungspolitik – darin sind sich alle einig – ist die Schaffung von Chancengleichheit in diesem Land.
Damit es in diesem Land Chancengleichheit geben kann, ist aber ganz entscheidend, dass die frühkindli­che Bildung richtig funktioniert. Wir alle wissen, die Entscheidung, wie die schulische Laufbahn aussieht, wird meist nicht erst in der 10., 11. oder 12. Klasse getroffen, denn wer soweit gekommen ist, steht meist schon auf der Sonnenseite des Bildungssystems. Die
Entscheidung, wie weit man kommt, wird im frühkindli­chen Alter getroffen. Warum ist die frühkindliche Er­ziehung nicht im Kultusministerium untergebracht? Sie lassen die frühkindliche Bildung weiterhin drau­ßen, im Sozialministerium. Sie fangen erst mit dem Eintritt in die Schule an. Wenn wir aber eines Tages in einem Land leben möchten, in dem die Herkunft der Eltern nicht entscheidet, welche Bildungschancen ein Kind hat, in einem Land, in dem es egal ist, ob der Papa Flüchtling oder Zahnarzt ist, um im Bildungssys­tem weiterzukommen, dann hätten wir diesen Bereich in das Kultusministerium eingliedern müssen, um Zu­sammengehöriges in einer Hand zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Dafür sprechen drei Punkte:
Erstens. Die Bildungs­übergänge können besser gestaltet werden, weil die Zuständigkeiten in einem Haus angesiedelt sind, von der frühkindlichen Bildung bis zur Schule.
Zweitens, und das ist jedem bekannt: Es gibt Reibungsverluste durch die verschiedenen Träger, die für die Finanzie­rung der verschiedenen Angebote zuständig sind.
Drittens. Am meisten stören mich die vielen Arbeits­gruppen in den verschiedenen Ministerien. Sie kom­men meist gar nicht weiter, weil die Zuständigkeiten in zwei Ministerien untergebracht sind. Da hätte man eine Änderung erwarten müssen. Die letzten zwei Jahre haben deutlich gezeigt: Das Augenmerk muss auf der frühkindlichen Bildung liegen. Dem wird man aber leider nicht gerecht.
Noch ein paar Worte zum Schluss: Wenn man sich das Kabinett ansieht, das anschließend vereidigt wird, dann kann man abschließend durchaus sagen: Es ist ein Blick auf vermeintliche Hoffnungsträger, bei denen der Regionalproporz ganz stark der Fachkompetenz vorgeht. Die innerparteiliche Harmonie war offensicht­lich wichtiger, als die Herausforderungen in diesem Land mit einem neuen Zuschnitt der Ministerien anzu­gehen.
Herr Ministerpräsident, Sie können aber durchaus froh sein, denn wir werden als starke Opposition re­gelmäßig Weckrufe an das Kabinett schicken, Wec­krufe im wahrsten Sinne des Wortes. Wir werden auf die wichtigen Themen hinweisen, und dafür schäme ich mich nicht. Im Gegenteil, ich freue mich auf die Ar­beit und darauf, in den nächsten fünf Jahren die Rolle des Ideengebers in diesem Land zu spielen. Das ist verdammt wichtig; denn neue Ideen für die vor uns liegenden Herausforderungen sind von diesem Kabi­nett nicht zu erwarten.

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)