22. November 2016

Meine Rede zu unserer Aktuellen Stunde „Heimat weltoffen, ökologisch und gerecht gestalten“

Hier geht es zu einem Videomitschnitt meines Redebeitrags in der Plenarsitzung vom 22.11.2016. Über die dortige Playlist können Sie sich auch die gesamte Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt anschauen.

Hier mein Redetext zur Plenarsitzung am 22.11.2016:

Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen!

Heimat – das Wort hat viel mit zu tun mit Wärme, mit Geborgenheit, mit Kindheitserinnerungen. Mit der Vorstellung einer guten, alten Zeit – auch wenn früher vieles schlechter war und nicht besser. Heimat ist aber nicht nur eine Art sentimentales Poesiealbum. Heimat ist eine politische Idee, die Stabilität verheißt, Verlässlichkeit, eine Art Fixpunkt im Leben. Eben das Gefühl: hier gehöre ich dazu. Aber Heimat kann auch starr sein, beengt und hierarchisch. Wessen Familie nicht seit Generationen hier lebt, der gehört nicht dazu. Wer anders ist, gehört nicht dazu. Wer etwas zu sagen hat und wer nicht, hängt vom Stand ab – und nicht von guten Argumenten. Sie kann auch das Gefühl auslösen: ich will hier raus.

Was Heimat ist und vor allem was Heimat sein soll, darüber gibt es leidenschaftliche Debatten. Und das ist auch gut so. Heute sagen vor allem die Jüngeren: Heimat ist dort, wo mir nicht egal ist, was um mich herum passiert. Offenheit, Engagement, Gemeinsinn – das macht die neue Heimat aus. Der frühere Schweizer Bundespräsident Moritz Leuenberger hat es sehr treffend so formuliert: „Heimat entsteht nicht durch Abgrenzung, sondern durch Verbundenheit, durch Anteilnahme und durch Mitwirkung.“ Folgt man ihm, ist auch klar: Heimat ist ein politischer Ort. Heimat ist nicht schon immer so, wie sie ist. Heimat ist das, was wir daraus machen. Daraus erwächst ein politischer Auftrag. Nämlich Heimat zu einem lebenswerten Ort für Alle zu machen.

Heimat hat also viel zu tun mit der Vorstellung des guten Lebens. Was ein gutes Leben ist, bestimmt nicht die Politik, sondern jede und jeder für sich selbst. Aber ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind, das ist sehr wohl eine politische Entscheidung. Fast alle Menschen brauchen für ein gutes Leben mindestens vier Dinge: Anerkennung, Beteiligung, intakte Natur und soziale Gerechtigkeit.

Lassen Sie mich darauf näher eingehen. Menschen sind soziale Wesen. Sie wollen, dass man sie sieht, dass man sie hört, dass sie eine Reaktion auf das bekommen, was sie tun und sagen. Wenn die Welt dagegen stumm bleibt, sie nicht wahrnimmt, ziehen sie sich zurück. Menschen brauchen Anerkennung. Wer sie verweigert, signalisiert „du gehörst nicht dazu“. Eine wesentliche Bedingung für ein gutes Leben und für eine gelingende Heimat ist nicht erfüllt. Wer den Menschen einen Leitkult überstülpen will, wer ihnen jenseits von Gesetzen und Grundwerten vorschreiben will, wie sie zu leben haben, der schafft Entfremdung. Er nimmt den Menschen die Anerkennung. Wer den Leitkult propagiert, macht Heimat kaputt.

Menschen wollen mitreden und mitentscheiden, gerade wenn es um ihre unmittelbare Umgebung geht. Dabei geht es um die richtige Haltung und nicht nur um formale Rechte. Informieren der Bürgermeister und der Gemeinderat aktiv über ihre Vorhaben, beziehen sie die Menschen ein, bevor eine Entscheidung fällt? Geben sie die relevanten Informationen weiter? Oder sagen sie eben nur das Nötigste und regieren durch? Erleben die Menschen, dass ihre Meinung gehört wird, dass sie zählt? Wer nur zusehen muss, wie andere entscheiden, ist frustriert und wendet sich ab. Leider wird bei uns in Bayern oft Politik nach Gutsherrenart betrieben. Etwa, wenn sich die CSU beharrlich weigert, ein Transparenzgesetz zu verabschieden. Damit hätten die Bürgerinnen und Bürger endlich das Recht auf freien Zugang zu Informationen. Sie wären damit der Souverän und nicht länger der Bittsteller. Beteiligung macht glücklich, sagt der Schweizer Ökonom Bruno Frey. Sie, die CSU, verweigern den Menschen mehr Beteiligung. So machen Sie Heimat kaputt.

Menschen wollen eine intakte Umwelt: saubere Luft, sauberes Wasser, naturnahe Landschaften. Wo Gewerbegebiete, Umgehungsstraßen, Autoabgase und Verkehrslärm dominieren, fühlt sich niemand wohl. Wo der Anspruch „Immer schneller, immer höher, immer weiter“ buchstäblich in die Landschaft hineingefrässt wird, leidet die Lebensqualität. Wer die Landschaft betoniert und asphaltiert, wer die Schönheit Bayerns dem Flächenfraß opfert, macht Heimat kaputt. So wie sie es von der CSU tun, insbesondere ihr sogenannter Heimatminister Söder. Der leider im Begriff ist, die Heimat zu zerstören anstatt sie zu bewahren.

Und auch soziale Gerechtigkeit ist entscheidend. Wer sich sorgt, wie er über die Runden kommt, kann kein gutes Leben führen. Der wird nicht das Gefühl entwickeln können: Das ist meine Heimat, hier gehöre ich dazu. Wer aus einem armen Elternhaus kommt, wird wahrscheinlich selbst arm bleiben. Das ist die Realität in Bayern. Und die wird durch die soziale Auslese, wie sie im bayerischen Schulsystem leider betrieben wird, befeuert. Sie wird befeuert durch ihre Politik, die verhindert, dass alle ihren fairen Beitrag für das Gemeinwesen leisten. Sie wird befeuert durch eine Politik, die gerechte Löhne als bürokratisch brandmarkt. Die CSU ist der Schutzheilige der Reichen, der Anwalt derer, die viel haben. Wer so agiert, macht Heimat kaputt.

Heimat kann ein Bollwerk sein gegen Spaltung und gegen Ausgrenzung. Eine weltoffene Heimat ist ein Garant für Freiheit und Demokratie. Wer Heimat aber nur als Traditionspflege versteht, wird scheitern. In unserer modernen Gesellschaft heißt Heimat eben nicht, dass nur die hier leben, die schon immer hier leben. Die Hälfte aller Menschen in Bayern ist nicht hier geboren. Jeder fünfte hat Wurzeln, die nicht in Deutschland liegen. Heimat ist vielfältig, nicht gleichförmig. Und Heimat ist nicht für alle endgültig, für viele ist sie auch vorübergehend. Und lassen Sie mich an dieser Stelle noch etwas klarstellen: Darüber, was ein gutes Leben ist, wie die Heimat beschaffen sein soll, kann niemand für andere entscheiden. Darüber kann auch keine gesellschaftliche Gruppe entscheiden. Darüber können wir nur alle gemeinsam entscheiden. Heimat ist für alle da. Alle, die hier leben, sollen sich hier daheim fühlen können.

„Heimat ist etwas, worin noch niemand war“ sagte der Philosoph Ernst Bloch. Anders ausgedrückt heißt das: Heimat ist nie fertig und Heimat ist nie abgeschlossen. Dieser Anspruch ist aktueller denn je. In einer Zeit, in der viele glauben, dass Rückzug, Abgrenzung und Rückwärtsgewandtheit die richtigen Antworten auf die Globalisierung sind, brauchen wir mutige Ideen. Da reicht es nicht aus, sich einfach „Ordnung“ auf die Fahne zu schreiben. Heimat neu zu denken und neu zu machen, das ist eine mutige Idee.

Wir wollen eine weltoffene und ökologisch intakte Heimat, eine Heimat, in der sich alle auf Augenhöhe begegnen können. Eine Heimat, in der es gerecht zugeht. Das ist unsere Antwort auf die Globalisierung. Das ist unsere Antwort auf das Gefühl „Das ist nicht mehr meine Welt“. Das ist unsere Alternative zur Politik des Eingrenzens und Abschottens, des Rückzugs auf sich selbst. Das ist unsere Alternative zu Aggression, Menschenfeindlichkeit und Hass. Das ist unsere Vision für eine bessere Zukunft.