24. Oktober 2013

Mein Redebeitrag zu unserem Dringlichkeitsantrag „Ja zur Heimat, Nein zur Olympiabewerbung 2022“

Hier geht es zu einem Videomitschnitt meines Redebeitrags. Über die dortige Playlist können Sie sich auch die gesamte Diskussion zu diesem Tagesordnungspunkt anschauen.

Hier können Sie den gesamten Diskussionsverlauf zu unserem Dringlichkeitsantrag nachlesen.

Weitere Informationen zu unserem Dringlichkeitsantrag finden Sie hier.

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wenn man den Worten des Vorredners Glauben schenken möchte

(Florian Streibl (FREIE WÄHLER): Ja, bitte!)

und auch der weniger emotionalen Rede des CSU-Kollegen oder all den bunten Werbeflyern pro Olympia, frage ich mich ganz offen: Warum bewirbt sich denn kaum ein anderer für diese Spiele? Wenn es wirklich so eine goldene Seite der Medaille, wenn es wirklich diese goldene Seite der Bewerbung gibt, warum will dann keiner die Spiele haben?

(Lachen bei der CSU)

Warum hat Chicago die Bewerbung zurückgezogen? Warum hat die Schweiz die Spiele abgelehnt, warum hat Wien für Österreich Nein zu Olympia im Winter und im Sommer gesagt? Wenn die Olympischen Spiele wirklich ein reiner Gewinnbringer wären, müssten sich doch die Städte und die Länder darum reißen. Sie brauchen das gar nicht so witzig zu finden. Blicken Sie einmal geschichtlich etwas zurück. Man kann sich mit dem Thema auch intensiv befassen und nicht nur dann, wenn es in den Medien vorkommt. Blicken Sie einmal zurück! Vor 20 Jahren gab es ein gutes Dutzend Bewerber. Später gab es fünf Bewerber. Letztes Mal hatten wir nur noch drei Bewerber. Jetzt haben wir zwei ernstzunehmende Bewerber. Keiner kann mir erzählen, dass es nur eine positive Seite dieser Bewerbung gibt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die SPD hat vorhin angesprochen, dass die Jugend Vorbilder braucht, der Sport Vorbilder braucht und auch die Bürgerinnen und Bürger Vorbilder brauchen. Sind Politiker Vorbilder, die Verträge unterschreiben, die Ihr ehemaliger Spitzenkandidat als eine Zumutung bezeichnet hat? Gibt es einen Notar, der jemandem sagen würde: Unterschreiben Sie diesen Vertrag, er ist aber eine Zumutung?

Vierte Vizepräsidentin Ulrike Gote: Herr Kollege, lassen Sie eine Zwischenfrage zu?

Ludwig Hartmann (GRÜNE): Die lasse ich bei diesem Thema gerne zu.

Klaus Steiner (CSU): (Vom Redner nicht autorisiert)
Herr Kollege Hartmann, kann es sein, dass Sie Ihrem Vorredner nicht zugehört haben? Ein Großteil der Olympiastätten – ich sage das auch als Traunsteiner, ich kenne Ruhpolding – steht bereits, das heißt, sie müssen nicht irgendwo in den Fels hineingesprengt werden. Das ist genau der Unterschied zu den Bewerbern, die Sie jetzt genannt haben.

(Zurufe von den GRÜNEN: Frage!)

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Ich habe die Frage verstanden!

Klaus Steiner (CSU):
(Vom Redner nicht autorisiert)
Haben Sie vorhin nicht zugehört? Sie ignorieren nämlich, dass ein großer Teil der Anlagen bereits steht und dass wir andere Spiele haben werden als in der Vergangenheit.

Ludwig Hartmann (GRÜNE):
Sehr geehrter Kollege,
man muss Ihnen leider wieder sagen: Sie befassen sich nur mit dem Thema, wenn es gerade in den Medien ist. Blicken wir zurück auf die Bewerbung für die Skiweltmeisterschaft 2011 in Garmisch-Partenkirchen. Die Unterlagen sind alle einsehbar. Damals hieß es: Alle Wettkampfstätten sind vorhanden. Man muss nicht investieren. – Es hieß wie im jetzigen Konzept: Die Wettkampfstätten sind nach den jetzigen Anforderungen wettkampftauglich. – Was war zwei Jahre, nachdem der Zuschlag erteilt worden war? Die Kandahar-Abfahrt war zu klein, der Bergwald wurde gerodet, die Speicherseen wurden gebaut. Das alles geschah nach der Zuschlagserteilung. Es gibt den Glauben, dass jetzt schon alles vorhanden ist, aber auch einen zweiten Bereich. Ich wäre vorher darauf eingegangen, wenn Sie mir nicht vorgegriffen hätten. Können Sie mir sagen, wie viele Wettkämpfe 2022 stattfinden werden? Können Sie mir das sagen? Sie werden das nicht beantworten können.

(Zuruf von der CSU: Aber Sie wissen das!)

Das steht noch gar nicht fest. Ich weiß dadurch aber, dass es nicht sein kann, dass dieses Konzept mit den Wettkampfstätten, die heute schon existieren, gilt. Und alle, die hier schon länger im Hohen Haus sind und die letzte Bewerbung gesehen haben, wissen ganz genau: Zwischen dem ursprünglichen und dem letztendlichen Konzept lagen Welten. Austragungsorte haben sich geändert, das Konzept wurde komplett überplant. Zu sagen, der Inhalt des derzeitigen Plans sei das endgültige Konzept, ist einfach nicht ehrlich. Hier wird versucht, eine Bewerbung medial passend zu machen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich möchte noch einmal kurz darauf eingehen, was ich sagen wollte, bevor ich unterbrochen wurde. In Bezug auf die IOC-Verträge kann ich mich gut an die Geste von Erwin Huber erinnern, die Aiwanger dargestellt hat. Ich stelle mir gerade die FREIEN WÄHLER vor, wie sie vor dem IOC stehen und versuchen, die Verträge auszuhandeln.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Das machen wir ja nicht allein, sondern mit dir gemeinsam!)

Bei aller Liebe, meine Kollegen, das kann nicht funktionieren. Das wird so auch nicht kommen. Es ist ein Irrglaube, den Sie den Leuten vermitteln wollen. Es wird nicht so kommen.
Sie müssen sich anschauen: Die IOC-Verträge wurden in vielen Ländern, darunter einmal in Salzburg, vor Gericht als sittenwidrig dargestellt. Wir alle wissen, was drinsteht. Es handelt sich um einen Vertrag, der einem Verein in dem jeweiligem Austragungsland Steuerfreiheit zusichert. Wir alle wollen Steueroasen austrocknen. Das IOC ist der einzige Verein mit dieser Lizenz; der braucht keine Steueroase. Er holt die Steueroase ins Austragungsland, und wir machen da mit. Das kann es doch nicht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein weiteres Thema haben wir ebenfalls vor Jahren im Landtag diskutiert, nämlich die unbegrenzte Haftung. Die Haftung der Kommunen kann natürlich an das Land weitergereicht werden. Aber letztendlich steht der Steuerzahler dafür gerade und muss unbegrenzt haften. Bei der Kostenexplosion entsteht immer das gleiche Bild, ob man sich Vancouver oder London anschaut. Die geplanten Kosten wurden bei Weitem nicht eingehalten.
Es folgt ein weiterer Bereich, den ich ganz interessant finde. Die neuen Kollegen wissen das noch nicht. Vor ein paar Jahren wurde in Bayern ein Olympiagesetz verabschiedet. Dafür musste man erst einmal die Haushaltsordnung in einem gewissen Bereich außer Kraft setzen, um unbegrenzt für diese Bewerbung haften zu können, meine sehr geehrten Damen und Herren. Die Aussage, es gebe kaum finanzielle Risiken, stimmt einfach nicht. Warum braucht jemand eine unbegrenzte Haftung, wenn es angeblich nur einen Gewinn gibt? Das kann nicht sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jedem ist bekannt, dass die Risiken und der mögliche Profit sehr ungerecht verteilt sind. Das IOC ist alles andere als ein Verein, der sich durch Transparenz auszeichnet oder gegen Korruption steht. Genau das Gegenteil ist der Fall. Jeder muss wissen: Wer Winterspiele in sein Land und in seine Region holen möchte, holt sie zu den vom IOC diktierten Bedingungen. Das ist so. Das wollen wir nicht zulassen.
Ich möchte kurz auf drei weitere Beispiele eingehen. Was ist, wenn der Zuschlag kommt? Da wurde vorhin das Thema Mietpreise so abgetan – ich glaube, es war die CSU, ich habe das nicht mehr ganz genau im Kopf. Das hat man einfach so abgetan. Ich habe mich mit vielen Bewerbungen befasst, auch mit den Bewerberstädten, und habe viele solche Städte besucht. Wenn man dann dorthin fährt, heißt es: Sobald der Zuschlag da war, hat die Immobilienspekulation geboomt. Immobilienspekulation ist der letzte Bereich, der in München boomen sollte. Genau das Gegenteil brauchen wir.
Ich finde es ziemlich erbärmlich, wenn vor allem die SPD in München ganz groß verkündet: Die 1.300 Wohnungen werden nachher da sein. Ja. Wir könnten diese Wohnungen aber auch viel früher haben. Warum erst 2022 oder 2023 nach Olympia? Die Flächen der Kaserne, die die Bundeswehr bereits jetzt verlassen hat, können doch bebaut werden. Wollen wir noch acht Jahre warten, bis dort Wohnraum entsteht? Das kann doch nicht die Antwort auf die Wohnungssituation in München sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein anderer Bereich, der von den FREIEN WÄHLERN angesprochen worden ist, ist die Infrastruktur. Klar, darüber kann man viel diskutieren. Man kann die Emotionen der Betroffenen, die sich eine Umgehungsstraße wünschen, durchaus nachvollziehen. Das sage ich ganz offen. Aber wir als Landesparlament machen doch eine Verkehrsplanung nach dem Bedarf und nicht wegen eines 17-tägigen Events. Danach legen wir doch keine Verkehrs- und Infrastrukturplanung aus, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Regionen stellen einen weiteren Bereich dar. Garmisch hat ja fast schon einen Hilferuf für seine Rettung ausgesandt. Es ist unbestritten, dass sich Garmisch-Partenkirchen, was die kommunalen Finanzen angeht, durchaus in einer alles andere als rosigen Situation befindet. Man muss aber zurückblicken, wie Garmisch in diese Situation gekommen ist. Dort hat man immer weiter auf Großveranstaltungen gesetzt, die auch stattgefunden haben. Man ist aber das Zukunftsthema, wie man mit dem Tourismus in der Region umgeht, wenn mal kein Schnee vorhanden ist, in den letzten Jahren nicht angegangen. Da muss man helfen. Das ist unbestritten, aber suchen wir doch für die Region Konzepte, die auch ohne Schnee funktionieren! Wir alle wissen, dass in Garmisch 60 % Sommertouristen und 40 % Wintertouristen übernachten. Da sieht man ganz deutlich, wo man den Schwerpunkt setzen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vorher wurde in der Debatte ein Bereich genannt – – Ich frage mich da immer, wie ernsthaft Sie sich eigentlich mit Olympia befasst haben. Ich stelle mal eine Frage: Wer weiß noch, wo die vorletzten Winterspiele waren? Wo waren die vorletzten Winterspiele? Wer ist denn dort hingefahren und war so begeistert von dieser Region? Diese Spiele waren in Turin, keine 600 Kilometer von München weg. Nachher hat es kaum jemanden interessiert. Die Behauptung, man bekomme durch die Austragung Olympischer Spiele eine sehr nachhaltige Marke, mag für die Olympischen Spiele 1972 in München zutreffen, das ist unbestritten. Wir leben aber in einer Zeit, in der ein Mega-Event das nächste jagt, sodass dieser Wert so nicht mehr da ist.
Vorher wurde auch geäußert, die Besucher müssen da mal wieder rausgehen und mit dabei sein. Die Zahl der Besucher der Winterspiele in Vancouver 2010 wurde auf 1,5 Millionen geschätzt. Das Oktoberfest kommt auf fast 7 Millionen Besucher. Das Oktoberfest trägt deutlich mehr dazu bei, dass die Leute rausgehen, als die Winterspiele.

(Zurufe von der SPD)

Zum Schluss komme ich auf einen Bereich zu sprechen, bei dem ich es ziemlich traurig finde, dass hier so darüber diskutiert wird: das Thema Inklusion. Alle Fraktionen hier haben sich damit relativ lange und intensiv befasst. Ich habe eigentlich gedacht, jedem in diesem Hohen Haus ist bewusst, was Inklusion heißt. Inklusion heißt sicher nicht Winterspiele, kurze Pause, Paralympics. Das ist keine Inklusion, meine sehr geehrten Damen und Herren. Das ist es nicht. Eine Sache zeitlich getrennt von der anderen stattfinden zu lassen, ist keine Inklusion. Die Antwort müsste vielmehr heißen, dass die Wettkämpfe – es sind verschiedene Wettkämpfe, das weiß ich auch – im gleichen Zeitfenster stattfinden. Dann dürfte man davon reden. Alles andere wird dem Anspruch von Inklusion und der Arbeit des Hohen Hauses der letzten Jahre nicht gerecht.
Ganz zum Schluss – wir wissen ja, dass die Bürgerbegehren anstehen – möchte ich auf einen weiteren Punkt eingehen. Ich finde, das ist eine ziemlich wichtige Sache. Wir wissen aus anderen Ländern, dass Großveranstaltungen in der Bevölkerung durchaus sehr umstritten sind und lebhaft diskutiert werden. Wir wissen aus Oslo, dass bei der Abstimmung über eine mögliche Olympiabewerbung zeitgleich mit den Parlamentswahlen eine hohe Wahlbeteiligung erreicht wurde. Die Anzahl der Ja-Stimmen betrug 53,4 %. Das ist alles andere als ein Ausdruck von Begeisterung in diesem Land. In Oslo war die Beteiligung fast gleich hoch wie bei der Parlamentswahl, und die Bürgerbefragung hat zeitgleich stattgefunden. In anderen Bürgerbegehren, die vorher erwähnt worden sind, ist die Austragung von Spielen abgelehnt worden.
Wenn man Bürgerbeteiligung ernst meint – das heißt, dass man es besser macht als beim letzten Mal –, dann wäre das Mindestmaß an demokratischem Anstand gewesen, einen Weg zu finden, der Bevölkerung die Gegenargumente zeitgleich zur Verfügung zu stellen und sie nicht nur einseitig zu informieren. Das ist eigentlich das falsche Zeichen, das dort gesendet wird.

(Beifall bei den GRÜNEN)