11. November 2010

Rede: Keine „Basta-Entscheidungen“ – wirksame Ablehnung der Laufzeitverlängerung im Bundesrat durchsetzen

Meine Rede zu unserem Dringlichkeitsantrag im Landtagsplenum vom 11.11.2010

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Nicht nur die jetzige Debatte über die Arten des Protests vom letzten Wochenende, sondern die Ereignisse der gesamten letzten Monate haben deutlich gezeigt, dass in diesem Land ein massiver Unmut gegen die Atompolitik der Bundesregierung besteht. Dabei handelt es sich um einen Deal, der während einer Nachtsitzung gefällt worden ist und von einem Großteil der Bevölkerung nicht mitgetragen wird. An dieser Stelle möchte ich nicht nur auf Gorleben eingehen. Zur Erinnerung: Im April 2010 hat es eine über 120 Kilometer lange Menschenkette von Brunsbüttel nach Krümmel gegeben. Damit haben die Menschen gegen die Laufzeitverlängerung demonstriert. Am 18. September haben 100.000 Menschen in Berlin gegen den Atomdeal demonstriert. Selbst in München sind am 9. Oktober 50.000 Menschen auf die Straße gegangen, die sich gegen die Atompolitik ausgesprochen haben. In München war dies die größte Anti-Atom-Demonstration seit den Widerstandstagen in Wackersdorf. Die Bevölkerung hat sich sowohl gegen die Laufzeitverlängerung als auch gegen die Art und Weise, wie dieser Deal zustande gekommen ist, ausgesprochen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der Höhepunkt der Auseinandersetzung hat unumstritten am Wochenende in Gorleben stattgefunden, wo 50.000 Menschen gewaltfrei und friedlich eine Kundgebung abgehalten haben. Nach Aussagen des Polizeipräsidenten in Lüneburg haben 99 % der Demonstranten über die gesamte Zeit gewaltfrei und friedlich demonstriert. Das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen: 99 % waren gewaltfrei und friedlich.
Die Debatten, die hier geführt worden sind, waren erstaunlich. Kollegen aus der Unionspartei sind um einiges weiter als die Bayerische Staatsregierung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der baden-württembergische Ministerpräsident hat verstanden, dass die Zeit der Basta-Politik, bei der Entscheidungen im Parlament durchgezogen werden, ganz egal was auf der Straße passiert, vorbei ist. Ministerpräsident Mappus hat wörtlich gesagt: Der Umkehrschluss ist, dass Großprojekte so wie bisher nicht mehr durchgesetzt werden können. Dies hat er im Zusammenhang mit Stuttgart 21 geäußert. Die Bundesregierung ist davon weit entfernt. Die Bundesregierung zieht das weiter so durch. Das Thema Atomgesetz, das Thema unseres Antrages ist, wird von der Bundesregierung genauso fortgeführt, wie es im September begonnen wurde. Im Umweltausschuss des Bundestages wurde die Geschäftsordnung aufs Gröbste missachtet. Die Geschäftsordnungsanträge sind nicht zugelassen worden. Der Bundestagspräsident hat seine Kritik sehr diplomatisch ausgedrückt. Er sagte, das Gesetz sei kein Glanzstück der parlamentarischen Arbeit gewesen. Dies hat er ganz wörtlich gesagt. Hier wird einfach weitergemacht.
Die Bundesregierung hat ein eigenes Gutachten in Auftrag gegeben zum Thema „Müssen die Bundesländer bei der Rücknahme des Atomausstiegs gefragt werden?“. Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, kam zu dem Ergebnis, dass die Länderkammer bei einer deutlichen Verlängerung befragt werden muss. Was macht das Bundesjustizministerium? Ohne die Vorlage eines eigenen Gutachtens und eine inhaltliche Begründung sagt das Bundesjustizministerium: Das muss nicht sein.
Frau Leutheusser-Schnarrenberger hat den Tiefpunkt der Rechtspolitik erreicht, obwohl sie in der Vergangenheit ehrenwerte liberale Positionen vertreten hat. Mich erstaunt auch die Einstellung der CSU in dieser Sache. Die CSU stellt sich immer ganz vorne hin und verteidigt die Interessen der Länder. Die CSU steht immer für den Föderalismus ein.

(Erwin Huber (CSU): Die waren auch nicht beteiligt! Die haben es akzeptiert! Die haben nicht geklagt!)

– Herr Huber, Sie haben damals eine Befragung der Länder gefordert. Das hat Bayern gefordert. Die rot-grüne Bundesregierung hat die Länder von einer Aufgabe entlastet. Der große Unterschied ist jetzt jedoch, dass die Länder mehr Aufgaben erhalten, wenn sich die Laufzeit des Schrottreaktors Isar 1, der faktisch abgeschaltet werden sollte, um das Zehnfache verlängert. Das ist ein riesiger Aufwand. Es kann nicht sein, dass die Länder dazu nicht gefragt werden. Wir stehen mit dieser Meinung nicht alleine da. Der Rechtsausschuss des Bundesrates hat sich ebenfalls mehrheitlich dafür ausgesprochen, die Länderkammer bei diesen Dingen zu befragen. Er hat sich mehrheitlich dafür ausgesprochen. Bayern ist von der Laufzeitverlängerung massiv betroffen. Die Restlaufzeit der fünf bayerischen Kernkraftwerke verdreifacht sich. Das bedeutet, das Risiko wird größer. Es ist hinreichend bekannt, dass ältere Atomkraftwerke störungsanfälliger sind als neuere Anlagen. Das ist unumstritten. Für den unsichersten Reaktor Isar 1 verzehnfacht sich die Laufzeit. Somit wird das Risiko überproportional größer.
Die Laufzeitverlängerung beeinflusst die Energiepolitik in Bayern massiv. Bayern ist wie kein anderes Bundesland zu fast 60 % vom Atomstrom abhängig. Dank der rot-grünen Bundesregierung und dem Erneuerbare-Energien-Gesetz – EEG – sind die erneuerbaren Energien in diesem Land stark ausgebaut worden. Das ist nicht das Verdienst der Parteien, sondern der Bürgerinnen und Bürger in diesem Land. Das hat dazu geführt, dass Bayern bereits seit Jahren Strom exportiert, den es in Bayern im Überfluss gibt. Das führt ebenfalls dazu, dass erneuerbare Energien vom
Netz genommen werden müssen, weil zu viel Strom produziert wird. Der Strom aus den Kernkraftwerken verstopft die Netze.
Zum einen werden die erneuerbaren Energien ausgebremst. Wir bremsen eigentlich folgende Unternehmen aus: die kommunalen Stadtwerke und die Kleinenergieversorger, also Unternehmen, die in der Hand der Bürger, des Steuerzahlers, und der Kommunen sind. Diese Unternehmen haben im letzten Jahr im Glauben und Vertrauen darauf, dass die Politik zuverlässig ist und sich an die hier gemachten Absprachen und Gesetze hält, in moderne und effiziente Kraftwerke massiv investiert, die heutzutage durch die Verlängerung der Atomlaufzeiten eigentlich kaum noch rentabel arbeiten können.

(Erwin Huber (CSU): Preistreiberei!)

Das führt dazu, dass eigentlich rentable Kraftwerke der Kommunen durch die Laufzeitverlängerung unrentabel werden, während alte, gefährliche Kernkraftwerke weiterlaufen dürfen, wodurch nur die Taschen der großen Konzerne gefüllt werden.

(Zuruf des Abgeordneten Erwin Huber (CSU))

Ich appelliere an Sie, unserem Antrag zuzustimmen, Ihre Wagenburg endlich zu verlassen und sich beim Thema Laufzeitverlängerung der öffentlichen Debatte zu stellen und nicht diese reine „Basta-Politik“ zu betreiben: Es ist so beschlossen worden. Wer der Justizministerin vorhin zugehört hat, hat fast das Gefühl: Für sie begrenzt sich Demokratie auf den Tag der Wahl. Das finde ich ziemlich schade.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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Unser Antrag wurde aufgrund der Gegenstimmen der Regierungsfraktionen aus CSU und FDP abgelehnt.

Anbei finden Sie einen Link zu einem Videomitschnitt meiner Rede. Außerdem können Sie in der angefügten pdf-Datei den Diskussionsverlauf als Auszug des Plenarprotokolls nachlesen. Die in Verbindung stehende Nachricht führt Sie zu weiteren Informationen über unseren Antrag.

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