31. Januar 2017

Gefahr durch „Reichsbürger“ ernst nehmen

Unser Dringlichkeitsantrag vom 31.01.2017

Der Landtag wolle beschließen:
Aufgrund der aktuellen Entwicklungen und vor dem Hintergrund, dass „Reichsbürger“ im Verdacht stehen, eine terroristische Vereinigung gebildet und Anschläge auf Polizistinnen bzw. Polizisten, Asylbewerberinnen bzw. -bewerber und Menschen jüdischen Glaubens geplant zu haben, wird die Staatsregierung aufgefordert, im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport unverzüglich mündlich und schriftlich über die Entwicklung der Aktivitäten der sogenannten „Reichsbürger“-Bewegung in Bayern zu berichten.
Dabei ist insbesondere auf folgende Fragen einzugehen:
─ Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die von „Reichsbürgern“ und Personen der rechten Szene mutmaßlich gebildete rechtsterroristische Vereinigung, die Anschläge auf Polizisten, Asylbewerber und Menschen jüdischen Glaubens geplant haben soll, und gegen die derzeit die Bundesanwaltschaft ermittelt?
─ Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über den „Reichsbürger“ und Neo-Druiden Burghard B. (Burgos von Buchonia), der mehrere Jahre in Bayern gelebt hat?
─ Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über die Verbindungen zwischen der „Reichsbürger“- Bewegung und den Akteuren der Neo-Druiden?
─ Auf wie viele Personen schätzt die Staatsregierung die „Reichsbürger“-Szene bayernweit (bitte nach Bezirken, regionalen Schwerpunkten und gegebenenfalls Organisationen oder „Reichsregierungen“ aufgliedern)?
─ Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über weitere politisch-motivierte Straf- und Gewalttaten von „Reichsbürgern“ in Bayern seit dem Jahr 2012?
─ Gegen wie viele und welche Angehörige welcher Gruppierungen, „Reichsregierungen“ und Strömungen des „Reichsbürger“-Spektrums wurden nach Kenntnis der Staatsregierung innerhalb der letzten fünf Jahre wann, wo und aufgrund welcher einschlägiger Straftaten wie Amtsanmaßung, Nötigung, Missbrauch von Titel oder Verstößen gegen §§ 86, 86a, 130 des Strafgesetzbuchs (StGB) etc. juristische Schritte mit welchem Ergebnis eingeleitet?
─ Wie bewertet die Staatsregierung konkret die politisch-ideologische Ausrichtung der „Reichsbürger“ in Bayern?
─ Warum wird der Mord an dem Polizisten in Georgensmünd von der Bayerischen Polizei nicht als politisch motivierte Straftat bewertet (siehe die Antwort der Bundesregierung auf die Anfrage der Bundestagsfraktion Die Linke)?
─ Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über Verbindungen zwischen der „Reichsbürger“-Bewegung und anderen Akteuren der rechtsextremen und rechtspopulistischen Szene in Bayern – insbesondere zu den Gruppierungen „Der Dritte Weg“, „Die Rechte“, den verschiedenen PEGIDA- Ablegern oder zur AfD?
─ Inwieweit beteiligten sich Angehörige des „Reichsbürger“-Spektrums während der letzten zwei Jahre an fremden- bzw. flüchtlingsfeindlichen Protesten?
─ Wie viele Beamtinnen und Beamte sowie Beschäftige des öffentlichen Dienstes des Freistaates Bayern wurden seit dem Jahr 2012 von „Reichsbürgern“ verletzt oder angegriffen?
─ Wie viele „Reichsbürger“ hat die Bayerische Polizei seit 1. Januar 2016 entwaffnet (bitte einzeln auflisten mit Beschreibung des Sachstands und Ort)?
─ Wie ist der aktuelle Stand der Ermittlungen bzgl. (möglicher) „Reichsbürger“ in den Reihen der Polizei?
─ Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über das „Deutsche Polizei Hilfswerk“ in Bayern?
─ Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über mögliche weitere Personen mit „Reichsbürger“- Hintergrund im öffentlichen Dienst und wie ist der aktuelle Stand der Ermittlungen?
─ Welche Erkenntnisse hat die Staatsregierung über mögliche Bezüge des Suizids eines 45-jährigen Spezialeinsatzkommando (SEK) Beamten des SEK-Nordbayern am 20. Januar 2017 zu den Schüssen eines „Reichsbürgers“ auf Polizeibeamte in Georgensgmünd am 19. Oktober 2016?
─ Welche Schulungen, Informationsmaterialien, Weisungen oder Ratschläge für Landes- und kommunale Behörden gibt es mittlerweile (bitte einzeln auflisten und seit wann es diese gibt)?

Begründung: 


Schon Anfang 2016 hat die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf das stetig wachsende Problem der „Reichsbürgerbewegung“ in Bayern aufmerksam gemacht. Dabei wurde deutlich, dass der Staatsregierung keine Daten bzw. Statistiken über die Entwicklung der Aktivitäten und Gesetzesverstöße von Personen aus der „Reichsbürgerbewegung“ zur Verfügung stehen. Eine Auswertung der Berichts- und Eingabevorgänge die Einzelfälle betreffen, würde „einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand erfordern“. 
Nachdem im Oktober 2016 ein „Reichsbürger“ in Georgensgmünd einen SEK-Beamten tödlich verletzt hatte, beantragte die Fraktion des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN am 25. Oktober 2016, die Staatsregierung soll über die „Reichsbürgerbewegung“ und die von ihr ausgehenden Gefahren berichten (Drs. 17/13817). Dieser Antrag wurde abgelehnt. 
Seitdem hat sich jedoch gezeigt, dass das Gefahrenpotenzial der „Reichsbürger“ im Freistaat Bayern noch größer ist, als bisher angenommen. Es wurden zahlreiche Meldungen über Waffenarsenale bei einzelnen „Reichsbürgern“ bekannt. Wie die Staatsregierung zugeben musste, verfügen von ca. 1.700 „Reichsbürgern“ in Bayern mindestens 290 über eine waffenrechtliche Erlaubnis.
Die „Reichsbürger“ sind also überproportional bewaffnet im Vergleich zur Bevölkerung insgesamt.
Anlässlich der am 25. Januar 2017 bundesweit durchgeführten Razzien bei Rechtsextremen wurde bekannt, dass die Bundesanwaltschaft gegen „Reichsbürger“ wegen der Bildung einer terroristischen Vereinigung ermittelt. Geplant hat die Gruppe rund um den Neo-Druiden und „Reichsbürger“ Burghard B. Anschläge auf Polizistinnen bzw. Polizisten, Asylbewerberinnen bzw. -bewerber und Jüdinnen bzw. Juden. Bei den Razzien stellte die Polizei Waffen, Munition und Sprengmittel sicher.
Auch gegen zahlreiche Polizeibeamtinnen und -beamte wurde bereits disziplinarrechtlich ermittelt aufgrund des Verdachts, dass sie der „Reichsbürger“-Bewegung angehören. Mehr als sechs Beamtinnen und Beamte wurden suspendiert. Unklar ist auch weiterhin die Verbindung des „Reichsbürgers“ aus Georgensgmünd zur Bayerischen Polizei. Die Polizei ermittelt gegen einen 50-jährigen Polizeibeamten, der mit dem „Reichsbürger“ aus Georgensgmünd im Kontakt stand. Zuletzt hat sich am 20. Januar 2017 ein SEK-Beamter des SEK Nordbayern in der Nähe seines Arbeitsplatzes erschossen. Wie aus Presseberichten bekannt wurde, ermittelt die Polizei auf Grund von Kontakten zwischen dem SEK-Beamten, dem 50-jährigen Polizeibeamten und dem „Reichsbürger“ aus Georgensgmünd.
Im Landtag müssen die Entwicklung und mögliche Gegenmaßnehmen intensiv diskutiert werden. Dazu benötigt der Landtag umfangreiche Informationen über den Zustand der „Reichsbürger“-Bewegung in Bayern und das Gefahrenpotential, das von ihr ausgeht. Staatsminister Joachim Herrmann, muss unverzüglich im zuständigen Ausschuss alle bisher bekannten Informationen offen legen.

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Aktuelle Informationen zum Beratungsverlauf unseres Antrags im Bayerischen Landtag.
Diese werden laufend von der Landtagsverwaltung aktualisiert.