14. Dezember 2009

Dioxine und dioxinähnliche PCBs in Fischen

Schriftliche Anfrage der Abgeordneten Ludwig Hartmann und Dr. Christian Magerl, Bündnis 90/ Die Grünen vom 3.11.2009 mit Antwort des Bayerischen Umweltministers Sr. Markus Söder vom 14.12.2009 (kursiv dargestellt)

Im Auftrag des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz wurde in den Jahren 2003–2005 ein Forschungsprojekt „Untersuchung und Bewertung von Proben aus verschiedenen Umweltkompartimenten auf PCDD/PCDF sowie PCB unter Berücksichtigung der neuen WHO-Toxizitätsäquivalenzfaktoren“ durchgeführt. Dort wurden hohe Belastungen mit dioxinähnlichen PCBs in Fischen festgestellt.

1. Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aus den Untersuchungen dieses Forschungsprojektes?

Die Schriftliche Anfrage beantworte ich im Einvernehmen mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten wie folgt:
Zu 1.:
Die heutigen Funde von dioxinähnlichen PCBs insbesondere in Umweltproben sind auf die früheren Anwendungen von PCB (z. B. als Isolationsflüssigkeit in Transformatoren, Hydrauliköl oder Weichmacher in Kunststoffen) und die globale Verbreitung dieser Stoffe über die Luft (Ferntransport) zurückzuführen.
Die Verwendung der PCB ist bereits stark reglementiert, die notwendigen Schritte zur Minimierung des weiteren Eintrags von PCB in die Umwelt wurden unter Mitwirkung der Staatsregierung ergriffen. Aufgrund einer nationalen Regelung ist der Einsatz von PCB in offenen Systemen seit 1978 verboten, 1985 wurde EU-rechtlich auch die Verwendung in geschlossenen Systemen untersagt. Auch die Beseitigung bereits in Verkehr gebrachter PCB-haltiger Produkte ist EU-weit einheitlich geregelt.
Das internationale Stockholmer Übereinkommen über persistente organische Schadstoffe („persistent organic pollutants“, POPs), das 2004 in Kraft trat, untersagt u. a. die Herstellung und Verwendung von PCB. Diese Maßnahmen werden durch eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates EU-weit umgesetzt. Damit dürfte längerfristig der Anteil des Ferntransports (Luftpfad) an der Belastungssituation in Bayern abnehmen.
Die Belastung der Fische mit dioxinähnlichen PCB ist ebenfalls ein staatenübergreifendes Thema. Daher setzt sich die Staatsregierung dafür ein, die Arbeiten zur Erfassung der Belastung der Flussfische z. B. auf der Ebene der Flussgebietseinheiten international zu koordinieren. Die bayerischen Behörden führen die Untersuchungsprogramme zur Erhebung der Belastungssituation in der Umwelt fort.


2. Welche Fischarten aus welchen Flüssen waren aufgrund zu hoher Gehalte an Dioxinen/PCBs nicht für den menschlichen Verzehr geeignet?

Zu 2.:
Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) hat in den Jahren 2008/09 insgesamt 21 Fische aus bayerischen Flüssen untersucht. Dabei waren sieben Aale aus der Donau und elf Aale aus dem Main aufgrund der gesicherten Überschreitungen des Summenhöchstgehalts an Dioxinen, Furanen und dioxinähnlichen PCB zu beanstanden, ebenso ein Waller aus der Donau.
Bei einem weiteren Waller aus der Donau lagen die Konzentrationen der Schadstoffe noch im Streubereich des zulässigen Höchstgehalts. Der Fisch wurde deshalb nicht lebensmittelrechtlich beanstandet. Ein dritter Waller wies keine Grenzwertüberschreitungen auf.

3. Welche neuen Erkenntnisse über die Belastung bayerischer Fische mit Dioxinen/PCBs aus welchen Flüssen liegen der Staatsregierung vor?

Zu 3.:
Aus dem Projekt des Landesamtes für Umwelt (LfU) ist der Faktor für das Verhältnis Indikator-PCB/dioxinähnliche PCB bekannt. Angewandt auf die Ergebnisse der Indikator-PCB aus dem LfU-Fischmonitoring 2005/06, 2006/07 und 2007/08 ergibt sich bei fast allen Aalen aus Donau und Main eine Überschreitung des Höchstwertes von 12 pg (1 pg (Picogramm = 1/1.000.000.000.000 g) WHO-TEQ/g Frischgewicht für die Summe PCDD/PCDF und dioxinähnliche PCB.

a) Woher stammten die 23 vom Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit 2008 untersuchten Fische?

Zu 3. a):
Von den 2008 im LGL untersuchten 23 Fischen stammten 15 (14 Karpfen und eine Forelle) aus der Teichwirtschaft und acht (sechs Aale und zwei Waller) aus der Donau. Die Gehalte aller Fische aus den Teichwirtschaften lagen mit 0,2 bis 4,2 pg/g weit unter dem oben genannten Höchstgehalt.

b) Welche Werte wurden jeweils von welcher Fischart und welcher Herkunft ermittelt?

Zu 3. b):
Insgesamt wurden sechs Donau-Aale wegen Überschreitung des Summenhöchstgehalts von Dioxinen, Furanen und dioxinähnlichen PCB (12 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ/g Aal) lebensmittelrechtlich beanstandet. Ihre Werte lagen zwischen 20,6 und 49,7 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ/g Fisch.
Die WHO-PCDD/F-PCB-TEQ-Summengehalte lagen bei einem Waller (2,7 pg) weit unter dem rechtlich zulässigen Höchstgehalt von 8 pg WHO-PCDD/F-PCB-TEQ/g Fisch und beim zweiten Waller im Bereich dieses Grenzwertes (8,2 pg/g). Beide Waller stammten aus der Donau.
Im Jahr 2009 wurden aus der Donau ein Aal mit 27,2 pg/g und ein Waller mit 12,6 pg/g und aus dem Main elf weitere Aale mit Gehalten von 16,2 bis 60,7 pg/g untersucht. All diese Proben waren lebensmittelrechtlich zu beanstanden.

4. Welche Erkenntnisse über die Belastung von Fischen mit Dioxinen/PCBs aus bayerischen Seen liegen der Staatsregierung vor?

Zu 4.:
Im Jahr 2009 wurden vom LGL 42 Fische aus verschiedenen bayerischen Seen untersucht.
Von den 42 Fischen wiesen ein Aal und eine Brachse zu hohe Gehalte auf und wurden lebensmittelrechtlich beanstandet.
Die anderen 40 Fische waren lebensmittelrechtlich nicht zu beanstanden.
Vom LfU wurden erhöhte Werte für dioxinähnliche PCB in einem Aal festgestellt.

5. Wurden die örtlich betroffenen Fischereivereine über diesen Sachverhalt aufgeklärt?

Zu 5.:
Sobald der Sachverhalt den Behörden bekannt wurde, sind der Landesfischereiverband Bayern e. V. und der Verband der Bayerischen Berufsfischer über den Sachverhalt aufgeklärt worden.

6. Warum fehlen die Dioxine beim Untersuchungsprogramm des bayerischen Fischmonitorings?

Zu 6.:
Aus den Untersuchungen des LfU ist der Faktor für das Verhältnis PCB/dioxinähnliche PCB in Fischen bayerischer Gewässer bekannt. Aus den vorliegenden Ergebnissen für die regelmäßig untersuchten PCB kann somit der Gehalt an dioxinähnlichen PCB abgeschätzt werden. Die Analytik der Dioxine und dioxinähnlichen PCB in Fischen und anderen Umweltmedien ist im Hinblick auf Arbeitsaufwand und messtechnische Anforderungen im Vergleich zur Bestimmung anderer organisch-chemischer Spurenstoffe wesentlich anspruchsvoller. Im Rahmen der im ersten Halbjahr 2010 anstehenden Überarbeitung des Monitoringkonzepts des LfU wird geprüft, in welchem Umfang Fische aus noch festzulegenden Gewässern künftig regelmäßig auf dioxinähnliche PCB untersucht werden sollen.
Das BMELV wird – auch auf Initiative Bayerns hin – im Jahr 2010 ein Projekt als Lebensmittelmonitoring mit dem Titel „Dioxine, PCB und weitere Schadstoffe in Fischen aus Binnengewässern“ durchführen. Bundesweit werden 200 Fische (v. a. Aale und Brachsen als stärker belastete Fischarten) beprobt. Für Bayern ist dabei die Untersuchung von 20 Fischen aus bayerischen Flüssen, hauptsächlich Main und Donau, vorgesehen.

7. Welche Maßnahmen zur Ermittlung der Kontaminationsquellen wurden bisher wo eingeleitet?

Zu 7.:
Ergebnisse aus Untersuchungen anderer Staaten und Bundesländer zeigen, dass die Belastung der Aale mit dioxinähnlichen PCB ein staatenübergreifendes Problem darstellt. Die vormals weitverbreiteten Anwendungen haben weltweit zu einer breiten Verteilung der PCB und damit auch der dioxinähnlichen PCB in der Umwelt (Luft, Wasser, Sedimente, Pflanzenoberflächen, Oberböden, Biota) geführt.
PCB sind unter Umweltbedingungen schwer abbaubar (persistent), d. h., sie verbleiben sehr lange in der Umwelt. PCB weisen ein hohes Bioakkumulationspotenzial auf. Daher reichen Gewässerkonzentrationen von dioxinähnlichen PCB im Ultraspurenbereich aus, um in fettreichen Fischen den sehr niedrigen Höchstwert für dioxinähnliche PCB zu erreichen bzw. zu überschreiten.
Die wirksamste Maßnahme, das internationale Verbot der Herstellung und Verwendung von PCB wurde bereits veranlasst (siehe Antwort zu Frage 1). Lokal wird durch die Sanierung festgestellter Untergrundverunreinigungen mit PCB der weitere Eintrag in die aquatische Umwelt verringert.

8. Welche Konsequenzen zieht die Staatsregierung aufgrund der vorliegenden Analysenergebnisse
a) für den Verkauf von Aalen aus dem Main?

Zu 8. a):
Die gesundheitliche Bewertung Nr. 041/2006 des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) differenziert nach unterschiedlichen Verzehrsgewohnheiten und spricht Verzehrsempfehlungen nur für Hochverzehrer, z. B. Angler, aus. Insofern besteht ein deutlicher Unterschied zwischen dem Verzehr von Aalen und Grundnahrungsmitteln, welche täglich oder zumindest regelmäßig verzehrt werden. Die Bewertung des BfR wurde an die zuständigen bayerischen Behörden und die bayerischen Fischereiverbände kommuniziert (siehe Antwort zu Frage 5).

b) für den Besatz mit Aalen im Donauraum?

Zu 8. b):
Der Besatz mit Aal wird in der Verordnung zur Ausführung des Fischereigesetzes für Bayern (AVFiG) geregelt. Nach §19Abs. 2 Satz 1 Nr. 8 AVFiG dürfen Aale nur in den Flussgebieten von Main und Elbe – mit Ausnahme der dortigen Seen – ohne behördliche Erlaubnis ausgesetzt werden. Im Einzugsgebiet der Donau (Donauraum) ist der Besatz mit Aal nur nach einer jeweiligen behördlichen Erlaubnis gestattet. Weiterhin regelt § 19 Abs. 2 Satz 2, dass Aale unabhängig vom Einzugsgebiet nicht in Fließgewässern der Forellen- und Äschenregion, nicht in Seen mit hauptsächlichem Seeforellen- und Seesaiblingsbestand und nicht in Gewässern mit selbst erhaltendem Edelkrebsbestand ausgesetzt werden dürfen.
Ein grundsätzliches und undifferenziertes Besatzverbot für Aal im Donaueinzugsgebiet aufgrund möglicher punktueller Dioxinbelastungen wird als nicht sinnvoll erachtet.

Die Anfrage samt Antwort der Staatsregierung hier im Originallayout:

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