15. Juli 2009

Aktuelle Stunde: „Vernunft in der Energiepolitik – am Atomausstieg festhalten, in erneuerbare Energien investieren“

Meine Rede im Plenum am Mittwoch, dem 15. Juli 2009, zur Aktuelle Stunde „Vernunft in der Energiepolitik – am Atomausstieg festhalten, in erneuerbare Energien investieren“

Ludwig Hartmann (GRÜNE):

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!
Wenn wir über Atomkraft und erneuerbare Energien reden, reden wir leider immer sehr viel über die Sicherheitsfragen, weil immer noch einige Kolleginnen und Kollegen trotz der vielen negativen Beispiele davon überzeugt sind, die Kernkraftwerke seien sicher. Ich möchte die Debatte heute auf einen anderen Bereich lenken.
Durch die riesige PR-Maschine der Atomwirtschaft wird ständig die Angst vor einer Stromlücke in die Welt gesetzt. Auf dieses Thema möchte ich eingehen.
Wir haben vorhin vom Kollegen von und zu Lerchenfeld das Argument der Brückentechnologie zu hören bekommen. Wenn man in die Protokolle der letzten 25 Jahre schaut, erkennt man, dass sich lediglich ein Wort geändert hat. Alois Glück sprach in den Achtzigerjahren unter dem Eindruck von Tschernobyl von einer Übergangslösung. Jetzt, 25 Jahre später, hat man das Wort ausgetauscht und spricht von Brückentechnologie. Ein ernsterer Sinn dahinter, eines Tages auszusteigen, ist dabei nicht vorhanden.

(Gertraud Goderbauer (CSU): Das ist eine Frage des Vorgehens!)

Ich möchte jetzt noch auf einen anderen Punkt eingehen, der wirklich sehr erstaunlich ist. Seit 2007 sind mehrere AKW zeitgleich nicht am Netz. Das hatte in Deutschland zur Folge, dass der Anteil am Atomstrom von 30 % auf 23 % gesunken ist. Nun könnte man natürlich die Befürchtung teilen, die vom Umweltminister Söder und vom Herrn von und zu Lerchenfeld vorgebracht wird, der Strom würde aus Temelin importiert.
Dem ist entgegenzuhalten, dass sich der importierte Strom aus Temelin in den letzten drei Jahren halbiert hat. Und ich bitte jetzt den Kollegen von und zu Lerchenfeld, an dieser Stelle ganz kurz einmal zuzuhören.
Sie haben in Ihrer Rede dem Bundesumweltminister vorgeworfen, mit seiner Fahrt nach Tschernobyl eine PR-Tour zu unternehmen. Ich empfehle Ihnen, einmal selbst dorthin zu fahren und sich die Anlage anzusehen.
Sie werden verwundert sein und feststellen, dass es sich dort um abgeschaltete Reaktoren handelt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie sollen uns diese Strom liefern? Das ist doch einmal eine gute Frage, bevor man die Angst schürt, dass uns diese Reaktoren Strom liefern würden. Diese Reaktoren sind abgeschaltet! Das wird man feststellen, wenn man einmal hinfährt. Das wäre also gar nicht so verkehrt.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der SPD)

Und noch kurz ein Wort zum Thema Stromexport. Es wurde eben schon gesagt: 22,5 Terawattstunden-Exportsaldo in Deutschland. Das ist die dreifache Produktion von Isar 1. Das nur als Vergleich. Und es kommt noch was hinzu, ich weiß, das klingt für Sie irreal nach dem Motto, das kann doch nicht sein; wir müssen doch eine Stromlücke kriegen. Denn das ist uns jahrelang eingetrichtert worden. Fakt ist, wir haben einen Stromüberschuss und das ist auch ganz leicht mit Zahlen zu belegen. 70 Terawattstunden erneuerbarer Strom aus dem Bereich erneuerbarer Energien sind in den letzten Jahren zugewachsen. Das ist die Produktion von zehn Isar 1-Kraftwerken, die neu hinzugekommen ist. Wohin soll den dieser ganze Strom noch, wenn wir auf der einen Seite erneuerbare Energien fördern, was wir alle möchten, aber auf der anderen Seite zeitgleich nicht bereit sind, bestimmte alte AKW vom Netz zu nehmen, um Platz im Stromnetz für erneuerbare Energien freizuräumen?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wer heute also sagt, man könne nicht aus der Atomkraft aussteigen und müsse den Atomausstieg verzögern, sagt einfach nicht die Wahrheit. Man muss ganz ehrlich feststellen: Nicht die erneuerbaren Energien sind im Verzug; die haben ihre Leistung erbracht, sie sind angewachsen. Der Atomausstieg ist in Verzug.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Und nun ein paar der aktuellsten Zahlen für Deutschland. In den ersten fünf Monaten des Jahres 2009 haben die acht ältesten AKW in Deutschland 13,3 Terawattstunden Strom produziert. Im gleichen Zeitraum der letzten fünf Monate haben die durch das EEG geförderten erneuerbaren Energien 29,3 Terawattstunden Strom produziert. Das ist mehr als das Doppelte der acht ältesten Kernkraftwerke. Deshalb ist die Forderung, die ältesten Kraftwerke abzuschalten – ich spreche nicht mal von der sofortigen Abschaltung aller Kernkraftwerke, sondern von den ältesten – und sie zügig vom Netz zu nehmen, durchaus vertretbar, weil es keine Stromlücke geben wird. Es geschieht lediglich eines, wenn sie am Netz bleiben: Sie verhindern den Ausbau der erneuerbaren Energien, weil der dann kaum vorangehen kann, da wir diesen Stromüberschuss haben.
An der Strombörse in Leipzig beispielsweise fallen inzwischen schon die Strompreise, weil zuviel Strom vorhanden ist. Wir hatten vor kurzem negative Strompreise. Da werden 15 Cent mit draufgepackt, damit der Strom abgenommen wird.

(Erwin Huber (CSU): Eine Minute! Das ist doch lächerlich!)

– Das ist so, das können Sie bei der Strombörse nachprüfen. Wir haben zuviel Strom und deshalb ist es ein konsequenter Schritt zu sagen, Isar 1 kann umgehend vom Netz gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

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